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Alfred Traber: «Ich war der Trämlergeneral»

Alfred Traber (1884–1970) war in den zwanziger und dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts ein wichtiger Exponent der Stadtzürcher Sozialdemokratie, der Gewerkschaftsbewegung und der Sozialistischen Abstinenten. Den Übernamen «Trämlergeneral» erhielt er als Präsident der Gewerkschaft der Strassenbahner. Als Revolutionär, als den er sich immer verstand, hatte er in der Sozialdemokratie der fünfziger Jahre keinen Platz mehr und ging vergessen. Das Stadtarchiv Zürich gibt nun unter dem Titel «Ich war der Trämlergeneral» einen Auszug aus seinem Lebensrückblick als Buch heraus.

Fast 600 Seiten umfasst Trabers Lebensrückblick und ist damit auch für interessierte Leserinnen und Leser zu ausführlich. Deshalb hat Mario Florin, der Editor, den Text auf 160 Seiten gekürzt und sich dabei auf wichtige Ereignisse der Stadtzürcher Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentriert. 72 Schachteln Originaldokumente im Besitz des Stadtarchivs ermöglichten es, das Buch reich zu illustrieren. Traber war Augenzeuge des Arbenzstreiks 1906, des Zürcher Generalstreiks 1912, der Novemberunruhen 1917 und des Landesstreiks 1918. 1919 wurde er Stadtrat und erhielt von der bürgerlichen Stadtratsmehrheit sehr gegen seinen Willen das Polizeidepartement zugeteilt. In dieser Funktion zog er im Juni 1919 die Polizei während einer Demonstration zurück, um ein Blutvergiessen zu vermeiden. Vor dem Bezirksgebäude kam es dann aber zu Ausschreitungen, bei welchen drei Menschen ihr Leben verloren. Traber wurde wegen fortgesetzter Amtspflichtverletzung zu sechs Tagen Gefängnis verurteilt und in ein anderes Departement versetzt. 1921 gehörte er zu dem Gründern der neuen Kommunistischen Partei, aus der er aber wenige Jahre später wieder austrat. Als Kommunist hatte er 1922 keine Chancen, wieder in den Stadtrat gewählt zu werden. Misstrauen gegenüber den Kommunisten sollte seine spätere Politik prägen. Im Frühling 1928 beteiligte er sich intensiv am Wahlkampf, der zum «Roten Zürich» (also zu einer linken Mehrheit im Gemeinde- und im Stadtrat) führte.

Alfred Traber schrieb seinen «Rückblick auf mein Leben» zu einem Zeitpunkt, da er die Beziehungen zu Organisationen der Abstinenzbewegung sowie zu der Partei, für die er sich fast ein Leben lang mit grösster Energie eingesetzt hatte, praktisch abgebrochen hatte. Die Gründe für die zunehmende Distanzierung lagen vor allem in der Unzufriedenheit mit dem Kurs der Partei sowie – und dies fast noch mehr – im Ärger über ihre Exponenten, denen er Karrierismus vorwarf. Allen gegenteiligen Zeitströmungen zum Trotz hielt Traber auch als 75-Jähriger an seinen früheren Idealen fest und begann seinen Lebensrückblick mit den folgenden Worten: «Auch dass ich mich heute mit meinen Auffassungen vereinsamt sehe, darf mich nicht bitter stimmen. Ich wagte es, mich zum Überbrachten in Gegensatz zu stellen, ich mied die Landstrasse der Gedankenlosen und der Streber, ich hatte Freude am eigenen Weg – aber führt denn nicht jeder eigene Weg in die Einsamkeit?»

Alfred Traber
Ich war der «Trämlergeneral»
Rückblick auf mein Leben

Ausgewählt und bearbeitet von Mario Florin
Nachworte von Nicola Behrens und Mario Florin
Herausgegeben vom Stadtarchiv Zürich
ISBN 3-908060-14-1. Preis CHF 29.–

Das Buch ist ab sofort beim Stadtarchiv Zürich (Neumarkt 4, 8001 Zürich) erhältlich.

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