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Tag der Hauswirtschaft: Lebensqualitäts- und Gesundheitsförderung als Profession

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Heute ist Tag der Hauswirtschaft: Bei den Gesundheitszentren würdigen und feiern wir nicht nur die Hauswirtschaft, sondern die gesamte Hotellerie. Rajka Strmota und André Rosenberg, Leitende Hotellerie, zeigen auf, was die Profession ausmacht – und was das Besondere daran ist, gerade in einem Gesundheitszentrum.

21. März 2024

André Rosenberg, Leiter Hotellerie Trotte und Rajka Strmota, Leiterin Hotellerie und stellvertretende Betriebsleiterin Dorflinde
«Wir müssen unbedingt die Chance nutzen, um dem Berufsbild die Aufwertung zu geben, die es verdient hat. Die Hotellerie leistet einen direkten Beitrag zur Lebensqualität der Bewohnenden.»
André Rosenberg, Leiter Hotellerie Trotte, und Rajka Strmota, Leiterin Hotellerie und stellvertretende Betriebsleiterin Dorflinde  

 

Diesen Sommer starten erstmals Lernende in die neuen beruflichen Grundbildungen «Fachfrau/Fachmann Hotellerie-Hauswirtschaft EFZ» und «Praktikerin/Praktiker Hotellerie-Hauswirtschaft EBA». Im Interview erzählen Rajka Strmota, Leiterin Hotellerie und stellvertretende Betriebsleiterin Dorflinde, und André Rosenberg, Leiter Hotellerie Trotte, wie sie die Profession und ihre Entwicklung erleben – und was sie sich wünschen.

Wie bist du zur Hotellerie gekommen?
Rajka Strmota (RS): Ich komme aus Kroatien und hatte dort eine KV-Ausbildung gemacht. In der Schweiz stieg ich dann in die Hotellerie ein. Bei den Alterszentren der Stadt Zürich, die heute zu den Gesundheitszentren gehören, bekam ich die Chance, mich stetig weiterzubilden: erst zur Fachperson Hauswirtschaft, dann zur Bereichsleiterin Hotellerie und später zur Leiterin Facility Management. Seit 2008 bin ich Leiterin Hotellerie und kurz danach wurde ich zusätzlich stellvertretende Betriebsleiterin.

André Rosenberg (AR): Meine Eltern hatten ein Restaurant geführt – der Bezug zur Hotellerie war also immer schon da. Ich habe ursprünglich Koch gelernt und dann an der Hotelfachschule Luzern eine klassische Hotelmanagement-Ausbildung absolviert. Lange war ich in internationalen Hotelketten tätig und später Geschäftsführer in einem Boutique-Hotel in Zürich. Vor fünf Jahren stellte ich mir die Frage: Was möchte ich beruflich noch machen? Leiter Hotellerie hörte sich für mich nach einer spannenden Option an. Dass ein Gesundheitszentrum nicht mit einem Hotel zu vergleichen ist, war mir natürlich klar – aber wie gross die Unterschiede sind, hat mich dann doch überrascht.

Wo siehst du den grössten Unterschied?
AR: Die Gäste bleiben nicht nur drei Nächte. Nein, im Ernst: Die Beziehung zu den Bewohnenden ist sehr eng. Wir arbeiten in ihrem Zuhause und bewegen uns in ihrem privaten Umfeld. Sich dessen bewusst zu sein, ist sehr wichtig. Zudem ist die Arbeit bei uns besonders sinnstiftend, denn man kann im Alltag mit Details Grosses bewirken für die Lebensqualität der Bewohnenden. Es ist schön, wie kleine Veränderungen wie eine anders gefaltete Serviette wahrgenommen, gespiegelt und kommentiert werden. Die Mühe, die wir uns machen, wird gesehen, geschätzt und verdankt. Wir sind auch keine klassischen Dienstleister*innen, da bei uns neben dem Erbringen von Dienstleistungen auch die Gesundheitsförderung im Zentrum steht.

Was macht für dich den Reiz der Hotellerie im Gesundheitszentrum aus?
RS: Wenn ich nochmals jung wäre, würde ich mich wieder für die Hotellerie entscheiden, denn sie steht für mich für Lebensqualität. Es ist ein bunter Strauss an Dienstleistungen, die jeder Mensch braucht, um sich wohlzufühlen. Mich fasziniert die Sinnhaftigkeit, gerade im Kontext einer Altersinstitution. Alle Leistungen der Hotellerie tragen direkt zum Wohlbefinden unserer Bewohnenden bei. Es gibt wohl keinen Ort, an dem man mehr Dankbarkeit erlebt. Ich bin bei meinen Grosseltern aufgewachsen und habe mich immer schon wohlgefühlt mit älteren Menschen – und ich nahm sie als weise wahr. Wenn ich mit 65 Jahren in Pension gehe, bin ich verglichen mit ihnen immer noch jung. Das gibt mir Kraft.

Was zeichnet die Mitarbeitenden und Lernenden in deinem Gesundheitszentrum aus?
AR: Mich freut es immer wieder, den Umgang unserer Mitarbeitenden mit den Bewohnenden zu sehen. Das hat mich von Anfang an beeindruckt. Es wird gescherzt und gelacht. Die Mitarbeitenden haben eine sehr vertraute Beziehung zu den Bewohnenden und kennen ihre individuellen Bedürfnisse. Diese gelöste Atmosphäre und Lebensfreude zu sehen, nahm mir persönlich auch den Schrecken am Älterwerden. 

Was ist dir bei der Nachwuchsförderung besonders wichtig?
RS: Die Lernenden sind sehr unterschiedlich unterwegs. Manche haben schon zu Beginn ein grosses Selbstbewusstsein und sind begeistert von der Hotellerie, weil sie das von zuhause kennen und die Sinnhaftigkeit der Arbeit sehen. Andere haben wenig Selbstvertrauen und müssen aufgebaut werden. Das ist für mich eine weitere grosse Kraftquelle: jungen Menschen Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen. Ich bin sehr gerne ein Vorbild für meine Mitarbeitenden. Als ich jung war, hatte ich einfach gearbeitet und wurde nicht einbezogen in Entscheidungen. Und dann bekam ich die Chance, mich zu entwickeln. Das gebe ich gerne weiter und fördere meinerseits die Jungen: Ihre Ideen sind willkommen, sie sollen mitdenken und sich entfalten können.

Was war dein jüngstes Erfolgserlebnis in der Nachwuchsförderung?
RS: Neulich habe ich den ersten Bildungsbericht mit einem Lernenden gemacht. Ich hatte ihn gefragt, ob ihm seine Arbeit Spass mache. Er meinte: «Weisst du, Rajka, ich will ehrlich zu dir sein. Am Anfang war das nicht mein Traumberuf. Aber inzwischen sehe ich die Sinnhaftigkeit und unser Team motiviert mich, dranzubleiben. Ich bekomme nirgendwo so viel Dank wie in diesem Haus. Ich fühle mich wohl.» Solche Entwicklungen freuen mich natürlich sehr.

Was siehst du für Schwierigkeiten, aber auch Chancen für die Zukunft?
RS: Ich mache mir grosse Sorgen wegen des Fachkräftemangels. Ich bilde seit 2004 aus. Inzwischen wird der Beruf nicht mehr als attraktiv wahrgenommen. Viele denken, es sei «nur Putzen und Waschen» – die Professionalität des Berufs ist zu wenig sichtbar. Sie wird sehr oft unterschätzt. Hier sehe ich grosses Potenzial.

AR: Das ist auch meine Wahrnehmung. Weil ich aus einer anderen Branche kam, habe ich den CAS «Gerontologie heute» an der Universität Zürich absolviert und mit einer Zertifikatsarbeit zum Thema Gestaltung eines gesundheitsfördernden Hotellerie-Umfelds abgeschlossen. Dadurch wurde ich mir der Bedürfnisse älterer Menschen und der Vielschichtigkeit des Themas erst so richtig bewusst.

Welche Erkenntnisse hast du aus der Weiterbildung gezogen?
AR: Sehr vieles, von dem, was wir tun, ist gesundheitsfördernd. Wenn es uns gelingt, beim Essen eine unbeschwerte Atmosphäre zu schaffen, in der viel gelacht wird, geht es den Bewohnenden insgesamt besser. Wir tragen sehr direkt zu ihrer Lebensqualität bei. Im Gegensatz zu einem Hotelbetreib sind wir nicht reine Dienstleister*innen, sondern wir agieren zum Wohl der Bewohnenden und ermutigen und unterstützen sie auch, etwas selbst zu schaffen – natürlich mit der nötigen Vorsicht und Sicherheit. Das stärkt ihre Sinne, ihre Muskeln und ihre Autonomie. Das Wissen um dieses wichtige Thema möchte ich noch mehr pushen. Unsere Mitarbeitenden sind auch betreuerisch sehr fit. Ich finde es bedauerlich, dass das Bewusstsein für die zusätzliche Leistung der Hotellerie im Kontext der Geriatrie zu wenig bekannt und anerkannt ist. Wir müssen unbedingt die Chance nutzen, um dem Berufsbild die Aufwertung zu geben, die es verdient hat.

Was sollte man über die Hotellerie wissen?
RS: Die Hotellerie ist sehr vielseitig und hoch professionell. Es geht um fachgerechten Service, Ernährung und Verpflegung, Gästebetreuung, Reinigung und Wäscheversorgung. Daneben beinhaltet unser Beruf auch Planung und Beratung. Wir beraten zum Beispiel bei der Menüwahl, bei der Planung einer Geburtstagsfeier oder eines Leidmahls. Wir haben einen engen Kontakt zu den Bewohnenden und arbeiten interdisziplinär: Veränderungen bei den Bewohnenden sehen wir oft als erstes in der Wohnung. Wir tauschen uns dann mit der Bezugsperson aus der Pflege aus – zum Wohl der Bewohnenden.  

Wie wichtig ist dieser interdisziplinäre Austausch?
AR: Interdisziplinäre Austauschgefässe sind sehr wertvoll. Dort entwickelt sich unser Beruf. Wir haben jeden Tag einen Rapport mit den Mitarbeitenden und besprechen die Bewohnenden auch aus medizinischer Sicht. Dabei geht es um Veränderungen, die wir wahrnehmen. Isst jemand plötzlich weniger? Und wenn ja, liegt es an Schluckbeschwerden, einer schlechtsitzenden Prothese oder benötigt die Person einen speziell angerichteten Teller? Mir ist es wichtig, die Mitarbeitenden aktiv einzubeziehen.

Im Sommer starten die ersten Lernenden mit der neuen Ausbildung, die Hotellerie und Hauswirtschaft kombiniert. Wie schätzt du diese Veränderung ein?
AR: Es ist sicher eine grosse Chance für das Berufsbild. Durch den Branchen-Zusammenschluss wird es attraktiver und bekommt eine grössere Reichweite und Gewichtung. Zudem erhält die Professionalisierung unserer Arbeit zusätzlich Schub: Unsere Angebote werden immer individueller und bedürfnisgerechter. Mitbestimmung und Mitgestaltung gewinnen an Wichtigkeit. Die Bewohnenden sollen ihr Leben so gestalten können, wie sie es möchten. Wir kommen zum Beispiel weg von den starren Essenszeiten. Zudem wurden die Kompetenzen in der Ausbildung der Realität angepasst: Derzeit wird  in der Ausbildung mehr gekocht als in Zukunft, was sich nicht mit dem Berufsalltag deckt. Stattdessen legt die Ausbildung künftig ein viel grösseres Gewicht auf die Kommunikationsfähigkeiten. Das finde ich sehr begrüssenswert.

Was muss man neben Kommunikationsfähigkeiten noch mitbringen, um in der Hotellerie zu arbeiten?
RS: Freude am Umgang mit Menschen und eine hohe Sozialkompetenz sind zentral: die Sinnhaftigkeit der Aufgaben sehen. Offen zu sein für Neues, ist ebenfalls wichtig. Das Berufsbild verändert sich. Wir wollen uns stetig weiterentwickeln und die individuellen Bedürfnisse verstehen, damit sich die Bewohnenden wohlfühlen. Denn Lebensqualität ist für jeden etwas anderes. Das reizt mich nach wie vor an der Profession. 

AR: Dem kann ich mich nur anschliessen. Das Wichtigste sind die vier «M»: Man muss Menschen mögen.