Ein Team stellt sich vor: Swiss Info / muttersprachliche Informationsvermittlung und Orientierung
Küsse, ÖV-Bussen und die «Plastikdinger» auf der Toilette: Bei Abed Azizi und Nadiia Zelenchuk kommt fast alles auf den Tisch, was Geflüchtete beschäftigt. Wie ihre rund 50 Teamkolleg*innen vom Fachbereich Gesellschaftliche Integration (FGI) unterstützen sie Geflüchtete in deren Muttersprachen.

Abed Azizi weiss, wie es ist, wenn man in die Schweiz geflüchtet ist, «im Jahr 2008 bin ich selbst aus Kurdistan hierher gekommen.»
Heute berät er Jugendliche und junge Erwachsene in der gleichen Situation. «Swiss Info Juniors», nennt sich das Angebot der AOZ. Es ist Teil der muttersprachlichen Informationsvermittlung und Orientierung.
Ein Dienstagmorgen im Tagestreff Herman bei der Zürcher Bäckeranlage. Hier leitet Abed heute eine Gesprächsrunde mit den Besucher*innen des Tagestreffs. Das Angebot richtet sich an unbegleitete Minderjährige und junge Erwachsene. Es wird Dari/Farsi gesprochen. Nächste Woche bietet er den Anlass auf Kurdisch an, in seiner eigenen Muttersprache.
Meistens kommen fünf bis zehn Jugendliche. Da das Angebot freiwillig ist, muss er sich überraschen lassen, wie viele es heute sein werden.
«Oft wollen die Jugendlichen einfach ihre Fragen loswerden», erklärt Abed, «Ich bin offen für ihre Bedürfnisse». Sie wollen beispielsweise wissen, was sie in Zürich in der Freizeit machen können, oder haben Fragen zum Asylverfahren. Dazu tauschen sie sich in der Gruppe aus.
Manche wollen wissen, was es mit «diesen Plastikdingern» auf der Toilette auf sich hat. Dann erklärt Abed, wozu ein Kondom gut ist. Ein idealer Einstieg, um über Beziehungen zum anderen Geschlecht zu reden. Sind sie zu schüchtern, um Fragen zu stellen, zeigt er ihnen Bilder mit Szenen von jungen Menschen, die in Zürich ihre Freizeit verbringen. Das lockt sie aus der Reserve.

Die meisten sind allein geflüchtet. Fast alle sind männlich. Sie erinnern Abed an seine eigene Ankunft in der Schweiz. «Es war hart.» Die ungeschriebenen Regeln der Schweizer Gesellschaft musste er selbst entschlüsseln.
Einmal küsste er zur Begrüssung einen Schweizer Mann auf die Backen. Das kam nicht gut an. Heute erklärt er den Jugendlichen, wie sich Männer und Frauen hier begrüssen und dass man sich beim Händedruck in die Augen schaut. In Afghanistan kann ein direkter Blickkontakt unhöflich sein.
Im Austausch mit Abed merken die jungen Geflüchteten auch, dass es durchaus möglich ist, sich hier zu integrieren. Sein Deutsch ist gut. Er arbeitet nicht nur für die AOZ, sondern auch in einem Asylzentrum. Seine Herkunft ist ein Vorteil: Ohne gemeinsame Sprache sei es wesentlich schwieriger, Vertrauen aufzubauen, sagt er.
Zuerst kommt das Deutsch
Nadiia Zelenchuks muttersprachliche Erstberatungen verlaufen ganz anders. Sie begrüsst Ukrainer*innen in einem Kursraum der AOZ an der Eggbühlstrasse. Zu ihrer Beratung kommen Erwachsene, für die ein fünfteiliger Kurs «Leben in der Schweiz» obligatorisch ist.
Nadiia hat ein detailliertes Skript für ihren Kurs. Die Themen klingen ein wenig nach Schulunterricht: Behandelt werden das Asylsystem, das Gesundheitswesen der Schweiz, das Bildungssystem oder der öffentliche Verkehr. Heute stehen das Schulsystem und die Arbeitssuche auf dem Programm.
Die meisten Ukrainerinnen und Ukrainer wollten sofort arbeiten, sagt Nadiia. Sie ermuntert sie dazu. Aber sie erklärt ihnen gleichzeitig, dass es wichtig ist, im Deutsch mindestens auf das Niveau A2 zu kommen.
«Ich versuche, ihnen Hoffnung zu machen, rate ihnen aber auch, Praktika oder Freiwilligenarbeit in Betracht zu ziehen.» Neben der beruflichen Integration sei auch der praktische Spracherwerb wichtig. Man müsse Kontakte knüpfen, um sich im Alltag zurechtzufinden und selbständig zu leben.
Auch Nadiia Zelenchuk tut viel dafür, eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen. Die Teilnehmerinnen trinken zusammen Tee, und es gibt Raum für persönliche Geschichten oder Sorgen. Sie erzählt jeweils von ihrer eigenen Ankunft in der Schweiz vor neun Jahren und wie sie gemerkt hat, dass es besonders wichtig ist, geduldig zu bleiben und sich nicht entmutigen zu lassen. «Integration ist ein Prozess, der Zeit braucht, aber mit Offenheit und Engagement erfolgreich sein kann, sagt sie.»
Ein wiederkehrendes Thema ist der öffentliche Verkehr, der in der Schweiz viel komplizierter ist als in der Ukraine. Eine Frau hat behauptet, als Rentnerin müsse sie nur den halben Preis bezahlen, auch ohne Halbtax. Sie habe das in einem Blog gelesen. Nadiia stellt klar, dass das nicht stimmt. «Es kursieren viele Mythen», sagt sie. «Ukrainer haben grosse Angst vor einer hohen Busse, wenn sie ein falsches Billett lösen.»
Am ersten Tag verstünden viele nicht, wieso sie diesen Kurs besuchen müssten, erzählt Nadiia. Am fünften fragten sie dann, ob sie weiterhin kommen dürften.
Das schönste Erfolgserlebnis hatte sie, als eine Frau zu ihr sagte: «Jetzt habe ich gemerkt, dass ich nicht nur Pflichten habe, sondern auch Dinge tun darf, zum Beispiel die kostenlosen Angebote der MAPS-Züri-Agenda oder der Kulturlegi nutzen.»
Muttersprachliche Informationsvermittlung und Orientierung
Der Fachbereich Gesellschaftliche Integration (FGI) der AOZ beschäftigt rund 50 Kursleitende und Beratende für die muttersprachliche Informationsvermittlung und Orientierung. Sie decken 21 Sprachen ab und haben im Jahr 2024 rund 4300 Beratungsgespräche sowie über 100 Kurse durchgeführt. Der FGI organisiert Coachings und Schulungen für sie und sorgt für einen regelmässigen Austausch im Team.
Die einzelnen Angebote in der Übersicht:
- Muttersprachliche Erstinformation Swiss Info für die 1. Phase (kantonaler Auftrag): fünfteiliger Kurs «Leben in der Schweiz» in der Muttersprache
- Swiss Info und Swiss Info Juniors im Auftrag der Stadt Zürich: Vertiefungskurse, Beratungen am Info Desk, Workshops und Gesprächsrunden in der Muttersprache.
- AOZ Info-Line und Info Posts: Beratungen per Telefon und Chat in 12 Sprachen
- AHOI! Ankommen mit Kindern im Vorschulalter: aufsuchende, muttersprachliche Elternberatung zu Angeboten der frühen Kindheit in der Stadt Zürich