25. August 2018, 02.16.42 Uhr: Der erste Feuerwehrnotruf geht bei der Einsatzleitzentrale (ELZ) von Schutz & Rettung Zürich ein. «Gegenüber vom Hauptbahnhof brennt ein Gebäude lichterloh. Oh mein Gott! Bitte kommen Sie schnell!» Mittels gezielter Abfrage erfasst die Calltakerin den Notfallort «Bahnhofplatz 2» sowie die weiteren einsatzrelevanten Daten des Melders. Die Angaben des ersten Anrufers sind diffus, der Notfallort kann nicht exakt bestimmt werden. Innert 35 Sekunden werden die Berufsfeuerwehr und die Sanität alarmiert. Sie stehen fortan in engem Kontakt mit dem jeweiligen Disponenten der ELZ. Die Berufsfeuerwehr rückt im Grossaufgebot an den Bahnhofplatz 2 aus. Noch ist unklar, ob sich Menschen im Gebäude befinden.
5 Minuten nach Alarmeingang sind der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr plus Fahrer, zwei Tanklöschfahrzeuge (TLF) sowie eine Autodrehleiter (ADL) vor Ort. Das Bild, das sich den Einsatzkräften bietet, ist prekär und spektakulär zugleich. Meterhohe Flammen schlagen aus dem Dach beim Bahnhofplatz 1 – der Notfallort liegt eine Strassennummer weiter als gemeldet. Das Feuer erstreckt sich zu diesem Zeitpunkt vom 4. Stockwerk über das ganze Dachgeschoss. Zudem hat es bereits auf weite Teile des angrenzenden Gebäudes am Bahnhofquai 15 übergegriffen. Der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr reagiert blitzschnell. Er alarmiert über die ELZ alle Löschzüge der Berufsfeuerwehr (4 TLF, 3 ADL, 1 Hubretter) und löst bei allen vier Brandkompanien der Milizfeuerwehr den Kleinalarm aus. Gleichzeitig werden die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) aufgefordert, die vielen Tramfahrleitungen auf dem Bahnhofplatz vom Strom zu nehmen.
In der Zwischenzeit gehen bei der ELZ im Minutentakt Meldungen ein. Wie hoch die Flammen aus dem Dach schlagen, zeigt sich, als bei der ELZ auch Notrufe aus der Gemeinde Kilchberg eingehen, die rund 6 Kilometer vom Einsatzort entfernt liegt.
Die sofort eingeleiteten Rettungs- und Löscharbeiten gestalten sich schwierig. Das weithin sichtbare Feuer zieht viele Schaulustige an, die den Einsatzkräften teilweise im Weg stehen. Die Stadtpolizei Zürich hat alle Hände voll zu tun, die Passantinnen und Passanten aus der Gefahrenzone wegzuweisen. Derweil werden die Löscharbeiten so koordiniert, dass sich das Feuer nicht in Richtung Bahnhofplatz ausbreitet. Die ADL erhält den Auftrag, das Haus am Bahnhofplatz 2 zu halten, das bis jetzt vom Feuer verschont geblieben ist. Zusätzlich wird die thermische Auswirkung des Feuers auf den Baukran im Innenhof des Gebäudekomplexes erkannt. Deshalb werden zwei Löschleitungen zur Kühlung des Krans sowie zum Halten der Brandmauer aufgebaut. Während der Löscharbeiten kommt es zu mehreren Explosionen im Dachbereich. Später wird ein Trümmerteil einer Gasflasche rund 200 Meter entfernt in der Bahnhofstrasse gefunden.
Der Einsatzleiter der Berufsfeuerwehr bildet mehrere Verantwortungsbereiche. Die nachalarmierten Mittel werden zielgerichtet auf dem Schadenplatz verteilt und das Feuer von allen Seiten bekämpft. Der bis zu 53 Meter hohe Hubretter wird für die zweite Haltelinie am Bahnhofquai 15 platziert. Intakte Gebäudeteile sollen geschützt, das Feuer eingedämmt und ein weiteres Übergreifen verhindert werden. Beim Vordringen in die Gebäude stellt die Berufsfeuerwehr fest, dass sich grosse Teile der Blockrandbebauung im Umbau befinden. Die Feuerwehrleute suchen in den benachbarten Häusern diverse Büros und Gewerberäume sowie zwei Dachwohnungen nach Menschen und Tieren ab und evakuieren drei Personen.
Damit der Schadenplatz strukturiert bleibt, sammelt die Sanität ihre Mittel im nahegelegenen Warteraum. Die Kompanie Süd der Milizfeuerwehr rückt als Wachverstärkung an der Weststrasse ein. Die Kompanie West wird als taktische Reserve eingezogen. Der diensthabende Pikettoffizier der Feuerwehr trifft ein und verschafft sich einen Überblick. Er spricht sich mit dem Pikettoffizier Sanität und der Einsatzleitung der Polizei ab. Mit dem Eintreffen des Pikettoffiziers SRZ gilt die Führungsstruktur «Grossereignis».
Wegen der Umbauarbeiten fehlen viele Wände und damit Brandabschnitte in den Gebäuden: Das Feuer zündet binnen kurzer Zeit sprichwörtlich durch. Es greift nun auch auf das Gebäude am Bahnhofquai 9/11 über. Damit stehen drei auseinandergebaute Häuser (Bahnhofplatz 1, Bahnhofquai 15 und 9/11) in Flammen. Der Pikettoffizier Feuerwehr bietet sofort die Stützpunktfeuerwehren Wallisellen und Kloten zur Verstärkung auf. Zudem wird bei allen vier Brandkompanien der Milizfeuerwehr der Grossalarm ausgelöst. Der Hubretter wird auf die nächste Brandmauer angesetzt.
Im Verlauf des Einsatzes kommt es zu einem Teileinsturz im Gebäude am Bahnhofquai 15. Eine Betonplatte im Dachgeschoss löst sich, durchschlägt drei Stockwerke und kommt auf dem ersten Boden zu liegen. Mehrere Gebäudeteile drohen einzustürzen. Im Führungsstab finden im Stundentakt Abspracherapporte statt und die Gebäudestatik wird mit Experten laufend neu beurteilt. In der Folge werden zwei Trupps im Innenangriff zurückgezogen und der Zutritt in die drei Gebäude auch allen Feuerwehrleuten untersagt. In den frühen Morgenstunden ist es geschafft. Der Brand ist dank des gut strukturierten Zusammenspiels von 264 Feuerwehrleuten und weiteren Einsatzkräften gelöscht.
Erst bei Tagesanbruch zeigt sich das volle Schadensausmass: Die Dachstöcke der drei Häuser sind vollständig ausgebrannt. Im Nachgang unterstützt die Feuerwehr private Firmen bei Sicherungsarbeiten und stellt die Brandwache sicher. Der Sachschaden ist immens und wird auf rund 25 Millionen Schweizer Franken geschätzt. Trotzdem konnten die angrenzenden Häuser, die sich nicht im Umbau befanden, gehalten und Schlimmeres verhindert werden. Es ist der wohl grösste Brand, den die Stadt Zürich in den letzten zehn Jahren erlebt hat.
61 Stunden dauerte der Einsatz.
264 Feuerwehrleute standen im Einsatz.
35 Fahrzeuge wurden eingesetzt:
- 7 Tanklöschfahrzeuge
- 2 Universallöschfahrzeuge
- 5 Autodrehleitern
- 1 Hubretter
- 2 Pionierfahrzeuge
- 3 Einsatzleitfahrzeuge
- 1 Einsatzleitwagen
- 8 Personentransportfahrzeuge
- 3 Materialtransportfahrzeuge
- 1 Wechselladerfahrzeug
- 1 ABC-Messwagen
- 1 LKW Logistik