Ein fünfjähriges Mädchen wird vom eigenen Vater schwer misshandelt, verwahrlost in der Wohnung zurückgelassen, von ihren Mitschüler*innen gemobbt. Und als sich das Leben ebendieses Mädchens endlich zum Guten zu wenden scheint, schlägt das Schicksal erneut unerbittlich zu. So die Handlung im Buch von Diana Sola, Kauffrau in Ausbildung im dritten Lehrjahr bei SRZ. Wie kommt eine Jugendliche dazu, eine solch dramatische Geschichte zu schreiben? Genau dieser Frage wollte ich auf den Grund gehen, als ich Diana an einem sonnigen Mittwochnachmittag nach Hause begleitete.

Diana lebt mit ihrer Familie in Zürich. «Mein Zimmer ist der Ort, der mich zu Ideen inspiriert», sagt sie und lässt mich in ihr Reich eintreten – der Ort, wo sie ihre Geschichten spinnt und ihrer kreativen Ader freien Lauf lässt. Mir sticht sofort die Reihe von bunten Fantasy-Buchbänden ins Auge, die das Regal füllen. Eine Ukulele hängt an der Wand, das E-Piano steht ganz und gar nicht verstaubt in der Ecke und kunstvoll abstrakte Bilder zieren die Wände. Dass eine solche Kreativoase zu Ideen anregt, leuchtet mir ein – aber was hat diese junge Frau dazu bewogen, ein Drama zu schreiben? Diana schmunzelt selbstironisch. «Ich habe schon immer gern überdramatisiert – seit ich als kleines Mädchen meinen ersten Wackelzahn verloren habe und mir niemand die gewünschte Aufmerksamkeit geschenkt hat», witzelt sie. «Nein, im Ernst: Der Umgang mit Emotionen beschäftigt mich seit meiner Kindheit. Ich habe schon immer sehr dramatische Texte geschrieben. Meine Mutter hat mir damals ein Tagebuch geschenkt, damit ich über meine Gefühle schreiben und sie einordnen konnte.»
Diese Auseinandersetzung mit Gefühlen ist es auch, die sie motiviert und antreibt, dramatische Geschichten zu schreiben. «Wir Menschen müssen unsere Emotionen und Beweggründe verstehen können. Ich möchte dazu anregen, über die eigenen Gefühle nachzudenken und Verständnis dafür zu schaffen.»
Die Flut an Gefühlen niederzuschreiben, hilft ihr bis heute – sei es in Form von Geschichten oder Songtexten. Denn Musik ist ein weiterer Weg für Diana, ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Es müssen aber nicht immer eigene Songtexte sein, denn Musik sei so vielfältig, dass es genügend kreativen Freiraum gebe: «Wenn ich singe, mache ich aus bestehenden Liedern meine eigene Version. Musik ist für mich wie Therapie», erklärt sie. Neben regelmässigem Gesangsunterricht spielt Diana Klavier und Ukulele. Dramatische Elemente – ob in der Melodie oder im Songtext – finden sich selbstverständlich auch in ihrem Musikgeschmack wieder.
Zu meiner Überraschung stehen (Song-)Texte für Diana ganz im Gegensatz zum gesprochenen Wort. «Ich kann mich mündlich sehr schlecht ausdrücken», meint Diana. «Beim Reden gelingt es mir oft nicht, die passenden Worte zu finden. Beim Schreiben ist das ganz anders – da sprudeln sie nur so aus mir heraus.» Das liege vor allem daran, dass sie stets zu viele Gedanken im Kopf habe. «Beim Schreiben kann ich mir länger Zeit nehmen und überlegen, wie ich etwas ausdrücken und beschreiben möchte.»
Ich stelle mir vor, was für ein überwältigendes Gefühl es gewesen sein muss, das gedruckte Buch erstmals in den Händen zu halten. Was ging Diana in diesem Moment durch den Kopf? «Ehrlich? – Boah, peinlich!» Diana beschreibt sich selbst als klassische Overthinkerin: «Im Vorfeld mache ich mir kaum Gedanken, dafür hinterfrage ich mich im Nachhinein umso mehr. Dann überlege ich mir: Was mache ich jetzt, um das noch geradezubiegen?»
Das Buch hat die damals Fünfzehnjährige im Rahmen eines Schulprojekts geschrieben – auf Englisch, wohlgemerkt. «Auf die deutsche Grammatik und Rechtschreibung mit der ganzen Gross- und Kleinschreibung hatte ich keine Lust.» Ein halbes Jahr hatte Diana Zeit für diese Projektarbeit. Am Ende hat sie die gesamte Geschichte in einem einzigen Monat zu Papier gebracht. «Eigentlich wollte ich nur eine gute Note in der Projektarbeit erzielen», gesteht Diana schmunzelnd. «Ich habe das Buch nie mit der Absicht geschrieben, es tatsächlich zu veröffentlichen. Niemals hätte ich mit diesem Ergebnis gerechnet.»
Ihre Englischlehrerin schickte den Roman an verschiedene Verlage. Schliesslich erhielt Diana gleich zwei Zusagen und entschied sich für das bessere Angebot. Heute – fast drei Jahre später – ist ihr das Buch nicht mehr ganz so peinlich, und es mischt sich zunehmend auch ein wenig Stolz unter die anfängliche Zurückhaltung. Das liegt auch an den ganzen positiven Rückmeldungen, die Diana erreichen. Einen unangenehmen Nebeneffekt gibt es aber doch: «Viele Leute fragen mich besorgt, ob es mir gut geht. Dann muss ich immer erklären, dass es nicht meine eigene Geschichte ist.»

Wer etwas Kreatives schafft, ist selten vor Kritik gefeit. Doch Diana hat einen gesunden Umgang damit gefunden: «Ich hatte oft mit Stolz und Demut zu kämpfen und konnte mit kritischen Inputs – zum Beispiel von meiner Mutter – nur schwer umgehen. Aber mein Glaube hat mich gelehrt, auch solche Rückmeldungen anzunehmen und Fehler zu akzeptieren.» Zum christlichen Glauben kam Diana vor einigen Jahren, als sie Antworten auf all die Warum-Fragen gesucht hatte: «Als Teenager fängst du an, dich zu fragen, warum du hier bist. Der Glaube beantwortet mir meine Fragen. Das gibt Halt und Sicherheit.» Durch ihren Glauben hat Diana die Gewissheit gewonnen, dass niemand perfekt ist – weder sie noch ihre Mitmenschen. Genau diese Botschaft würde Diana gern in ein nächstes Buchprojekt einfliessen lassen – vielleicht bereits diesen Sommer, wenn sie ihren Lehrabschluss erfolgreich in der Tasche hat.
Was Dianas Zukunftspläne betrifft, so nimmt sie die Zukunft «wie sie kommt». Heisst das, dass Dianas künftiger Weg noch in den Sternen steht? «Natürlich habe ich Ideen und Träume. Ich würde mich gern im kreativen Bereich weiterentwickeln und zum Beispiel Drehbücher schreiben. Aber wenn es anders kommt, dann ist das auch in Ordnung», sagt sie. Sollte Dianas Weg dennoch in diese Richtung führen, so zieht sie eine entsprechende Ausbildung im Ausland in Betracht. Ich wünsche dir, liebe Diana, weiterhin viel Erfolg bei all deinen Zukunftsträumen – und wer weiss, vielleicht sehen wir früher oder später einen Hollywoodfilm, der deine Handschrift trägt?