Seit mehr als fünf Jahren betreibt das Lagebüro von SRZ ein digitales Lagebild (ILB) und stellt damit eine Plattform für die organisationsinterne Verbreitung von lagerelevanten Informationen zur Verfügung. Das Team «Lage – FU ABCN» ist für die Bewirtschaftung verantwortlich und erfasst darin entsprechende Informationen, die einen Einfluss auf SRZ als Organisation oder auf die Stadt Zürich haben könnten. Diese Informationen reichen von grassierenden Krankheiten über geopolitische Spannungen und Bedrohungen bis hin zu Umweltgefahren oder Veranstaltungen mit einem grösseren Personenaufkommen innerhalb des Einsatzperimeters von SRZ.
Im Zuge der verstärkten Zusammenarbeit der polizeilichen Lagezentren in der Schweiz wurde nun eine neue ILB-Software entwickelt. Ende letzten Jahres haben SRZ und die Kantonspolizei Zürich gemeinsam als Pionierorganisationen das neue interaktive Lagebild ausgerollt. Die neue Applikation ermöglicht eine medienbruchfreie Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten und ist für alle SRZ-Mitarbeitenden im Intranet zugänglich beziehungsweise verlinkt. Zudem können neu alle Mitarbeitenden ihre Beobachtungen direkt und unkompliziert im ILB dem Lagebüro übermitteln. Dieses entscheidet nach der Prüfung der Relevanz, ob eine definitive Erfassung im Lagebild erfolgt. In einem gemeinsamen Interview erzählen Teamleiter Thomas Hauert und Fachbearbeiter ABCN/Führungsunterstützung Johannes Haugstetter über ihre Arbeit im Bereich Lage.

Was ist eure Aufgabe im Zusammenhang mit «Lage»?
Thomas Hauert: Im Zentrum steht das Sammeln und Aufbereiten von Informationen. Es geht darum, sozusagen das Fischernetz auszuwerfen und dann das herauszuziehen, was für SRZ und insbesondere für unsere Führungskräfte relevant ist – um im Bild zu bleiben. Dazu recherchieren wir unter anderem auf verschiedenen Portalen – vielfach auf solchen des Bundes und der Kantone. So sind für uns zum Beispiel die Informationen der Nationalen Alarmzentrale (NAZ) von Bedeutung. Einige unserer Quellen erfordern eine spezielle Zugriffsberechtigung, andere sind frei zugänglich. Wichtig ist ausserdem, dass alle Mitarbeitenden unseres Teams grundsätzlich neugierig und mit offenem Mindset die Weltlage verfolgen und Medien und Fachpublikationen konsultieren. Gerade bei neuen Themen sind oft auch Open-Source-Quellen die ersten. Relevantes, das uns dabei auffällt, besprechen wir zeitnah im Team.
Johannes Haugstetter: Als Quellen kommen auch Informationen aus Social-Media-Plattformen hinzu, die als Themengeber dienen und aktuelle Ereignisse sehr schnell verbreiten können. Diese Informationen müssen allerdings immer verifiziert werden. Zusammenfassend ist die Aufgabe des Lagebüros, die Informationen aus unterschiedlichen Quellen so aufzubereiten, dass daraus für die Führungskräfte beziehungsweise die Entscheidungsträger* innen unserer Organisation eine brauchbare Informationsgrundlage entsteht, die ihnen einen Wissensvorsprung verschafft.
Wie gelingt es euch, aus der Fülle an Informationen nur die relevanten herauszufiltern?
Johannes Haugstetter: Für mich ist immer die Frage entscheidend, ob eine Information oder ein Thema einen Einfluss auf SRZ oder die Stadt Zürich hat. Falls ja, bilden wir diese im ILB ab. Das kann zum Beispiel eine Epidemie sein, die im ersten Moment ein lokales Ereignis fernab von Zürich ist, sich jedoch potenziell zu einer Pandemie entwickeln und uns somit auch treffen kann. Eine Herausforderung besteht in der heutigen Zeit darin, zwischen Nachrichten und Fake News oder sogenannten alternativen Fakten zu unterscheiden. Dies gelingt in erster Linie dank unserer Erfahrung und ist etwas, das nicht nur uns als Lagebüro betrifft. Jede*r Konsument*in von Inhalten, die journalistisch aufbereitet oder in den sozialen Medien gestreut werden, sollte diese stets kritisch hinterfragen und die Plausibilität prüfen.
Thomas Hauert: Wichtig sind zudem gewisse Grundvoraussetzungen, die unsere Teammitglieder für diese Arbeit mitbringen sollten. Dazu gehört ein breites Allgemeinwissen, wobei wir uns im Team sehr gut ergänzen. Des Weiteren erfordert die Tätigkeit gute analytische Fähigkeiten und eine offene Haltung.
Wie sieht ein klassischer Arbeitstag bei euch aus?
Thomas Hauert: Das Thema Lage ist nur ein Teil unserer Arbeit und in den meisten Fällen nicht zeitkritisch. Aber es ist etwas, was uns ständig begleitet. Wir schauen regelmässig, ob sich hinsichtlich der Lage etwas verändert hat und ob jemand ein bestimmtes Thema weiterverfolgen muss. Ausserdem tauschen wir uns regelmässig mit unseren Partnern aus. So treffen wir uns unter anderem einmal wöchentlich zu einem Online-Lageabgleich mit den Kolleg*innen der Stadtpolizei. Zudem pflegen wir monatlich einen informellen, digitalen Lageaustausch mit den Bevölkerungsschutzstellen der Kantone Zürich, Aargau und Basel-Land. Dieses Netzwerk wird laufend grösser und hat vor allem den Charakter des klassischen «KKKK»: In Krisen Köpfe und deren Kompetenzen kennen.
Johannes Haugstetter: In der Regel nimmt die Lage etwa ein Viertel unserer Tätigkeit in Anspruch. Anders war es während der Coronapandemie, als die Lagearbeit plötzlich ins Zentrum rückte. Das war eine absolute Ausnahmesituation, für die es kein vergleichbares Beispiel gibt. Letztendlich gibt es für mich keinen klassischen Arbeitsalltag zum Thema Lage.
Welche Aufgaben stehen vor einem planbaren Grossanlass für euch an?
Thomas Hauert: Dann betreiben wir ganz gezielt Lagearbeit. Basierend auf den aufbereiteten Informationen leiten wir mögliche Konsequenzen für den bevorstehenden Einsatz von SRZ ab. Es ist dabei entscheidend, in die Tiefe zu denken, das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und so allfällige Gefahren beziehungsweise Herausforderungen für Mitarbeitende oder Besucher*innen zu erkennen. Wir erarbeiten dann verschiedene Varianten und geben eine Empfehlung ab, welche davon aus Sicht des Lagebüros zu bevorzugen wäre. Die Entscheidung liegt aber immer bei den Führungskräften.
Wie hat sich eure Arbeit in den letzten Jahren verändert?
Thomas Hauert: Seit der Coronapandemie ist das Thema Lage deutlich präsenter geworden. Unsere Arbeit wird seither innerhalb der Stadt und SRZ-intern stärker wahrgenommen, und wir konnten uns als Lagebüro vor allem bei den Führungskräften etablieren. Auch die Zusammenarbeit mit der Stapo hat sich weiter intensiviert.
Johannes Haugstetter: Auch aus meiner Sicht hat vor allem die Pandemie viel verändert. Ich nehme seither eine stärkere gesellschaftliche Polarisierung wahr, die sich auch im Informationsraum manifestiert – sei es in den klassischen oder in den sozialen Medien. In vielen Beiträgen wird gar nicht erst versucht, Sachverhalte objektiv darzustellen. Tendenziöse Berichterstattung ist nicht immer offensichtlich als solche erkennbar. Das macht die Arbeit im Bereich Lage noch komplexer.
Was sind eure Erfolgserlebnisse?
Thomas Hauert: Wenn es uns gelingt, Themen frühzeitig zu erkennen und die entsprechenden Informationen so aufzubereiten, dass sie sich positiv auf das Handeln der Führungskräfte auswirken. Uns motiviert auch sehr, wenn SRZ-Mitarbeitende Einträge im ILB vornehmen. Solche Meldungen – egal, ob positiv oder negativ – sowie die Klickzahlen des ILB zeigen, dass es rege genutzt wird.
Johannes Haugstetter: Für mich ist immer wieder schön, zu sehen, dass schon eine kleine Information des Lagebüros eine grosse und positive Wirkung haben kann.
Wir versorgen die Mitarbeitenden von SRZ mit lagerelevanten Nachrichten. Wir ermöglichen dem Kader durch Empfehlungen einen Führungsvorsprung. Wir pflegen unser Netzwerk mit den Partnerorganisationen, um den Lageverbund zu begünstigen.
Die «Lage» umfasst den Zeitraum vom aktuellen Zeitpunkt aus betrachtet nach vorn in die Zukunft. Berücksichtigt wird nur die jüngste Vergangenheit, weit zurückliegende Ereignisse oder Situationen sind nicht relevant. Es geht darum, zu erarbeiten, welche Probleme einen in der Zukunft beschäftigen und welche Relevanz mögliche Entwicklungen auf die Organisation haben könnten, um danach durch sinnvolle Annahmen und gezielte Empfehlungen einen bestmöglichen Vorbereitungsstand zu erreichen, der das Problem bei tatsächlichem Eintreten einfacher lösbar macht.