Denke an (finanzielle) Gesundheit und Krankenkasse. Was kommt dir in den Sinn?
Schulden können krank machen. Die Krankenkassen sollten daher ein grosses Interesse daran haben, dass ihre Versicherten möglichst keine Schulden haben. Vor allem keine Schulden bei der Krankenkasse.
Welche Massnahmen können Krankenkassen-Schulden vorbeugen?
Als schuldenpräventive Massnahme empfehlen wir das Lastschriftverfahren (LSV). Dabei werden die Prämien und Kostenbeteiligungen bei Fälligkeit automatisch dem Konto belastet. Das LSV bietet verschiedene Vorteile. Grundsätzlich führt die Bezahlung mit LSV zu weniger Zahlungsausfällen. Das hat positive Auswirkungen auf der Ebene der Versicherten, der Krankenkassen und der gesamten Gesellschaft: Bezahlen die Versicherten die Prämien mit LSV, haben sie wesentlich weniger administrative Arbeit, weniger finanziellen Stress und weniger Betreibungen. Die Krankenkassen haben ebenfalls geringeren administrativen Aufwand und sie müssen weniger Betreibungen einleiten, was ihr Image verbessert. Weniger Betreibungen führt zu einer Entlastung der öffentlichen Hand, da weniger Verlustscheine durch die Kantone bezahlt werden müssen.
Ist das LSV nicht ein «Auslaufmodell»? Heute zahlt man doch via E-Banking.
Es haben noch längst nicht alle Leute ein E-Banking und das werden auch nie alle haben. Diesen bleibt nur entweder das Anstehen und Bezahlen am Postschalter – wobei Gebühren belastet werden – oder das LSV. Zudem funktioniert im E-Banking die automatische Bezahlung nur, wenn die Dauerfreigabe aktiviert ist. Die automatisierte Bezahlung ist der entscheidende Punkt für die Schuldenprävention. Aus meiner Sicht ist das LSV vergleichbar mit dem freiwilligen Direktabzug der Steuern vom Lohn. Auch wenn es nicht bei allen Versicherten funktioniert, so doch bei sehr vielen. Das LSV sollte viel stärker gefördert werden.
Was können Fachpersonen in der Arbeit mit Klient*innen machen beim Thema Krankenkasse, um Schulden vorzubeugen?
Sie sollten die gängigen Spar- und Unterstützungsmassnahmen kennen, also zum Beispiel: Unfalldeckung sistieren, individuelle Prämienverbilligung (IPV) und Restprämienübernahmen beantragen, Hausarztmodell nutzen, Franchise anpassen und so weiter. Falls jemand unter dem Existenzminimum lebt und die Krankenkasse nicht bezahlen kann, ist es viel besser, die Restprämienübernahme zu beantragen, anstatt einfach betreiben zu lassen – auch mit Blick auf die Aufenthaltsbewilligung oder die vermiedenen Betreibungskosten.
Bei knappem Budget ist es wichtig, den Ratsuchenden zu helfen, die Prioritäten sinnvoll zu setzen und nicht einfach dort zu zahlen, wo der Druck am grössten ist. Das bedeutet immer zuerst Miete und Krankenkasse zu bezahlen.
Und natürlich, wenn immer möglich, das LSV für die Prämien und Kostenbeteiligungen einrichten. Dies bietet auch eine Entlastung für Klient*innen mit administrativen Problemen. Bedingung ist ein regelmässiges Einkommen und dass das Konto jederzeit gedeckt ist. Bei hoher Franchise sollte das LSV je nach Klient*in nur für die Prämien eingerichtet werden. Das Herunterladen und Ausfüllen des Formulars der entsprechenden Krankenkasse ist übrigens eine Kleinigkeit. Trotzdem genügt es oft nicht, es den Leuten einfach zu empfehlen. Dann fülle ich es beim Beratungstermin zusammen mit den Ratsuchenden aus und kontrolliere, ob es klappt.
Was ist zu beachten bei Menschen, die eine Lohn-Pfändung haben?
Die Krankenkasse gehört zum Existenzminimum und kann somit auch während einer Lohn-Pfändung bezahlt werden. Wichtig ist hier, dass die Versicherten ihre Krankenkassen-Prämien bezahlen und die Belege dem Betreibungsamt vorlegen. Andernfalls wird der Betrag für die Krankenkasse aus dem Existenzminimum gestrichen. Eine Situation, die vermieden werden könnte und die wir leider sehr häufig antreffen. Wir müssen dann als Erstes dafür sorgen, dass die Prämien wieder bezahlt und im Existenzminimum entsprechend berücksichtigt werden. Es kann auch die direkte Bezahlung der Krankenkassen-Prämien durch das Betreibungsamt verlangt werden. Die Direktzahlung durch das Betreibungsamt ist eine gute Sache, ich bevorzuge, aber wenn möglich das LSV. Der Grund ist, dass die Leute in der Regel nicht ewig beim Betreibungsamt oder Sozialamt sind. Mit dem LSV funktionieren die Zahlungen nach der Ablösung ohne Unterbruch weiter. Andernfalls besteht ein grosses Risiko, dass nach der Ablösung neue Schulden entstehen.
Letzte Frage, die wir jeweils allen Interviewpartner*innen stellen: Was war ein gelungener Kauf, der dich heute noch freut, und weshalb freut er dich immer noch?
Das war mein Rucksack, den ich oft dabeihabe. Sei es zum Einkaufen, an Sitzungen oder auf Wanderungen. Er freut mich einfach, weil ich ihn schon so lange habe. Er ist sehr praktisch und hat mich schon an viele Orte begleitet. Mein Rucksack ist mir wohl irgendwie ans Herz gewachsen.

Interview mit Max Klemenz, Co-Geschäftsleiter Schuldenberatung Kanton Zürich. Seit 15 Jahren im Bereich Schuldenberatung tätig.