Vielseitigkeit und der Wunsch nach Veränderung prägen Piera Dalla Vias Laufbahn. Ins Berufsleben gestartet ist sie mit einer Lehre als Bäckerin-Konditorin und merkte schon bald, dass sie sich weiterentwickeln und mehr Wissen aneignen wollte. Nach einem zehnmonatigen Sprachaufenthalt in Versailles schnupperte sie im Hotel und entschied sich für eine weitere Lehre: diesmal als Hotelfachassistentin. Nach Stationen an der Reception, als Etagengouvernante und zusätzlich in der Betreuung von Lernenden fühlte sie sich bereit für ein eigenes Team. Gesagt, getan. In einer Rehaklinik baute sie als Leiterin Hauswirtschaft den Bereich auf. Einige Jahre später wurde sie vom damaligen Direktor angefragt, die Gesamtleitung der Hotellerie zu übernehmen und das Qualitätsmanagement – als Mitglied der Geschäftsleitung. Daneben unterrichtete sie, fungierte als Prüfungsexpertin und kam zum ersten Mal mit dem Berufsverband in Kontakt, in dessen Vorstand sie 2009 gewählt wurde. Nach ihrer Tätigkeit in der Rehaklinik nahm sie 2016 eine Stelle als Leiterin Ökonomie in der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) an, bevor sie 2022 zu den Gesundheitszentren stiess und seither mit ihrem geballten Know-how, der langjährigen Erfahrung und manchmal auch ihrem zackigen «Gouvernantenschritt» den Betrieb prägt und bereichert.
Piera, du warst lange in der Privatwirtschaft tätig. Warum hast du dich für die Gesundheitszentren entschieden?
In meiner Funktion als Prüfungsexpertin hatte ich auch in Alters- und Pflegeheimen Betriebsprüfungen abgenommen und verfügte über ein entsprechendes Netzwerk. Zu Beginn dachte ich mir im Austausch mit meinen Kolleg*innen aus diesem Bereich allerdings noch: «Nein, das könnte ich nicht». Der Respekt vor dem Umgang mit dem Tod war zu gross. Als ich die Stelle bei den Gesundheitszentren ausgeschrieben sah, war ich dennoch neugierig, denn mir war klar, dass ich durch die verschiedenen Aufgabenbereiche viel Handlungsspielraum hätte und einiges würde bewirken können. Verbesserungen und Weiterentwicklungen anzustossen, liegt in meiner Natur und ist mir sehr wichtig. Darum habe ich das bereits beim Vorstellungsgespräch betont. Vor Ort war ich zudem sehr angetan vom modernen Ambiente und der guten Stimmung.
Was zeichnet die Hotellerie bei euch im Haus in deinen Augen besonders aus?
Als Leiterin Hotellerie sind mir verschiedene Bereiche unterstellt: Reinigung/Lingerie, Service, Küche und Technischer Dienst. Anders als in der klassischen Gastronomie gibt es bei uns Mitarbeitende, die standardmässig zwischen den Bereichen rotieren. Diese Vielseitigkeit finde ich etwas sehr Schönes, denn die Mitarbeitenden können da eingesetzt werden, wo ihre Stärken sind. Meine Teams zeichnen sich zudem durch eine grosse Flexibilität aus, wenn es irgendwo zu einem Engpass kommt oder kurzfristig ein Leidmahl stattfindet. Dass ich in meinen Teams eine verhältnismässig hohe Quote an Mitarbeitenden mit entsprechender Ausbildung zum Fachmann oder zur Fachfrau habe, unterscheidet uns ebenfalls von vielen anderen Betrieben und gibt der Arbeit eine zusätzliche Qualität. Da wir sämtliche Arbeiten mit den eigenen Mitarbeitenden abdecken und nichts outsourcen, sind wir flexibler, können schneller reagieren und die Qualität wird konstant gehalten.
Du hattest von Anfang an den Anspruch, Veränderungen anzustossen. Wie ist dir das bisher gelungen?
Wir sind bei uns im Haus auf einem guten Weg. Neben den Veränderungen, die ich im Gesundheitszentrum Wolfswinkel bewirke, bin ich auch in betriebsübergreifenden Arbeitsgruppen aktiv, etwa in der Berufsbildung. Zum Beispiel habe ich eine Arbeitsgruppe mitinitiiert vor dem Hintergrund der neuen Lehre Fachmann/Fachfrau Hotellerie-Hauswirtschaft EFZ. Darin haben wir uns damit auseinandergesetzt, welche Chancen sich aus der neuen Ausbildung ergeben und wie wir den Lernenden eine optimale Ausbildung anbieten können. Die Digitalisierung und der Fokus auf Nachhaltigkeit haben die Branche revolutioniert. Vor allem die Nachhaltigkeit ist ein wichtiger Bestandteil des Alltags: umweltfreundlichere Reinigungsprodukte, Waschen bis 70°, Food Waste, Energiegewinnung. Das und mehr sind Punkte, die berücksichtigt werden müssen und die mir sehr wichtig sind.
Seit August 2024 gibt es die neue Lehre. Wie beurteilst du diese Veränderung?
Ich sehe das als grosse Chance. Das neue Berufsbild ist breiter gefächert und die Durchlässigkeit ist grösser. Klassische Gastronomie und Gesundheitswesen sind nicht mehr klar getrennt. Natürlich wählst du als Lernende*r den Betrieb, der dir besser gefällt. Aber ein späterer Wechsel ist viel einfacher geworden. Dadurch eröffnen sich zu jedem Zeitpunkt in der beruflichen Laufbahn neue Perspektiven. Diese Veränderung war aus meiner Sicht auch zwingend nötig. Gemeinsam mit der Präsidentin von OdA Hauswirtschaft gab ich die Initialzündung dafür. Wir hatten damals vier Ausbildungen, die sich zu 80% überschnitten: Hotelfachmann/Hotelfachfrau EFZ, Fachmann/Fachfrau Hauswirtschaft EFZ und die beiden EBA. Sehr viele Aufgaben, wie zum Beispiel die Wäsche und die Reinigung, waren identisch. Egal, ob du in einem Spital, einem Altersheim oder in einem Hotel arbeitetest. Darum überlegten wir: Was, wenn wir die Berufe zusammennähmen? So kam die Sache ins Rollen mit dem Ziel, die Berufsbilder sinnvoll und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.
Kannst du ein Beispiel einer Optimierung oder Synergienutzung nennen, das aus der Arbeitsgruppe bei den Gesundheitszentren hervorgegangen ist?
Wir haben versucht, Klarheit darüber zu schaffen, was sich wirklich verändert hat durch die neue Ausbildung, und fungierten als Anlaufstelle für offene Fragen. Zudem haben wir unter anderem eine betriebsübergreifende Lernwerkstatt auf die Beine gestellt. Nicht jeder Betrieb hat dieselbe Expertise und dieselben Möglichkeiten. Darum nutzen wir Synergien, um alle Lernenden bestmöglich vom vorhandenen Know-how profitieren zu lassen. Im Rahmen der Lernwerkstatt organisieren wir zu spezifischen Themen betriebsübergreifende Schulungstage, für die sich die Lernenden bei Interesse anmelden können. Zum Beispiel zur Wäscherei, zum Umgang mit den Reinigungsmaschinen, zum Service oder zur Floristik. Dieses Angebot wird von den Lernenden und den Berufsbildner*innen sehr geschätzt.
Was müssen Jugendliche mitbringen, wenn sie in der Hotellerie tätig sein möchten?
Wer gerne mit unterschiedlichen Menschen und Berufsgruppen arbeitet – bei uns zum Beispiel mit Bewohnenden, Mitarbeitenden und dem eigenen Team – ist in der Hotellerie richtig. Man sollte zudem gerne auf Menschen zugehen und Freude daran haben, eine sinnvolle und gleichzeitig kreative Tätigkeit auszuführen. Ebenfalls wichtig sind ein aufmerksames Verhalten den Bewohnenden oder Gästen gegenüber, Gewissenhaftigkeit sowie Zuverlässigkeit und dass man mit offenen Augen durch den Betrieb geht. Die Hotellerie umfasst verschiedene Berufsgruppen, die Anforderungen sind je nach Beruf unterschiedlich. Bei allen muss man Spass an der Arbeit mitbringen und den Willen, an unterschiedlichen Tagen und zu unregelmässigen Zeiten zu arbeiten.
Was treibt dich bei deiner Tätigkeit an?
Der Wunsch, den Beruf zu stärken und etwas zu bewirken. Es ist einfach, zu reklamieren und zu bemängeln. Ich möchte zur positiven Positionierung unseres Berufsbilds beitragen. Gerade die Hauswirtschaft wird oft unterschätzt nach dem Motto: Ein bisschen pützeln kann doch jeder. Aber ein Haus würde zugrunde gerichtet, wenn die Werterhaltung nicht gepflegt würde – sei es durch die Reinigung oder die Wartung, die gut geplant werden muss. Mit den falschen Mitteln kann vieles kaputtgehen, und Böden oder Wäsche müssen ersetzt werden. Dies ist längerfristig sicher kostspieliger als eine korrekte Anwendung und fachgerechte Wartung. Das Bewusstsein dafür in der Öffentlichkeit zu stärken, ist eine wichtige Motivation für mich. Und auf der emotionalen Ebene sind es die Wertschätzung und der Dank der Bewohnenden, die mich jeden Tag anspornen, mein Bestes zu geben.
Welchen Stellenwert hat die Hotellerie in einem Gesundheitszentrum?
Die Hotellerie ist für das Wohlbefinden der Bewohnenden absolut zentral – genauso wie die Pflege. Wir leisten in vielerlei Hinsicht Support und sorgen dafür, dass sich die Bewohnenden wohl und gut aufgehoben fühlen: Geburtstagsfeiern, Anlässe, Themenabende, das alles läuft über uns. Wir sind für das Ambiente zuständig. Wir beschäftigen uns mit Dingen, zu denen die Bewohnenden eine Meinung haben, die für sie greifbar und bewertbar sind und zu denen sie mitreden können. Das ist nach einem Übertritt zu uns, der sehr viel Neues mit sich bringt, von grosser Bedeutung. Wir pflegen darum einen sehr engen Kontakt zu unseren Bewohnenden, und wir kennen ihre Vorlieben. Der Küchenchef steht zum Beispiel regelmässig zur Verfügung und nimmt Rückmeldungen entgegen. Der Technische Dienst unterstützt und hilft bei technischen Fragen. Wie wichtig das ist, zeigen nicht zuletzt auch die Bewohnendenbefragungen.
Welche Veränderungen siehst du für die Zukunft?
Ich bin der Meinung, dass sich die Ansprüche und Erwartungen an die Hotellerie in Zukunft verändern werden. Mit der zunehmenden Individualisierung der Gesellschaft ist davon auszugehen, dass Bewohnende künftig flexiblere Verpflegungsmöglichkeiten einfordern werden. Zudem werden sich aktuelle Food-Trends wohl auch auf Heime auswirken, was neue Dienstleistungsangebote zur Folge haben wird. Im Allgemeinen müssen aus meiner Sicht die Dienstleistungen der Hotellerie flexibler werden und sich denjenigen im Hotel angleichen. Die Ansprüche unserer Bewohnenden steigen, was gut und spannend ist.
Was wünschst du dir für die Zukunft der Hotellerie?
Mehr Lernende. Und dass die jungen Leute merken, wie schön, interessant und vielseitig unsere Branche ist – egal ob im 5-Sterne-Hotel oder in einem Gesundheitszentrum. Jeder Ausbildungsplatz hat seinen Reiz. Ich wünsche mir, dass sie den Beruf mit meinen Augen sehen. Um das zu erreichen, müssen wir uns zeigen: an den SwissSkills, in den Schulen und in der Öffentlichkeit. Und wir müssen unseren Berufsstolz nach aussen tragen.