Beatrice, du dozierst am Schulungszentrum Gesundheit der städtischen Gesundheitszentren für das Alter – dem SGZ Campus – zu Themen rund um Demenz. Was beinhaltet deine Funktion sonst noch?
Als ausgebildete Pflegefachfrau mit einem Masterabschluss in Erwachsenenbildung bin ich in meiner Funktion als Programmleiterin auch damit betraut, Kooperationen mit anderen Bildungseinrichtungen zu erwirken und mögliche neue Themen zu prüfen, um das Portfolio des SGZ Campus in Sachen Fort- und Weiterbildung kontinuierlich zu erweitern. Auch die Selektion und Begleitung von Dozent*innen gehört zu meinen Aufgaben. Kurz gesagt, ich kümmere mich um alles von der Entwicklung neuer Bildungsprojekte bis zu ihrer Evaluation. Auch bei zahlreichen übergeordneten Demenzprojekten der Gesundheitszentren war und bin ich aktiv beteiligt.
Ihr bietet Demenz-Fortbildungen auch für Mitarbeitende ausserhalb der Pflege an – wozu?
Generell möchte ich erwähnen, dass hier in der Stadt Zürich schon einiges getan wird, um die Situation von Menschen mit Demenz und ihrem Umfeld kontinuierlich zu verbessern. Für die gesellschaftliche Teilhabe von Betroffenen und ihren Angehörigen sind weitere Schritte erforderlich. Beispielsweise auch Sensibilisierungs- und Fortbildungsmassnahmen für Personen, die ausserhalb des Gesundheitswesens tätig sind. Zu den Fortbildungen für unsere Mitarbeitenden ausserhalb des Pflegebereiches möchte ich sagen, dass sich die Gesundheitszentren an den nationalen DemCare-Empfehlungen orientieren, die als Leitlinien für optimale Begleitbedingungen von Menschen mit Demenz erschaffen wurden. Darin ist beispielsweise festgehalten, dass alle Mitarbeiter*innen über demenzspezifische Fachkenntnisse verfügen sollen. Das ist das eine. Zum anderen haben alle unsere Mitarbeitenden erbauende und manchmal auch herausfordernde Begegnungen mit demenzerkrankten Bewohnenden. Mit unseren Fortbildungen möchten wir die Mitarbeitenden ausserhalb des Pflegebereiches stärken. Durch das Verstehen der Erkrankung, der fragilen Situation von Betroffenen sowie der gemeinsamen Reflexion über konstruktive Beziehungsgestaltungen, leisten wir einen Beitrag für das Wohlbefinden der Bewohner*innen. Ferner erlangen die Mitarbeiter*innen Sicherheit im Umgang mit Betroffenen. Und, die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird unterstützt.
In Gesundheitsinstitutionen gilt das also beispielsweise für Mitarbeitende in Büros, der Hotellerie oder im Technischen Dienst?
Genau, in unseren Häusern haben sämtliche Mitarbeitende Sozialkontakt mit Menschen mit Demenz. Beispielsweise kommt es vor, dass Bewohnende zum Empfang gelangen und da den Wunsch äussern, dass sie nach Hause möchten. In solchen Situationen ist es wichtig, dass die Empfangsmitarbeitenden wissen, wie sie reagieren können. Zudem ist es zentral im Sinne einer gut funktionierenden interprofessionellen Zusammenarbeit. Ein Mitarbeiter aus der Reinigung geht mit seinem Wagen durch den Wohnbereich. Da schnappt sich ein Bewohner ein Pflegeutensil – man kann ihn dann dazu auffordern, es wieder zurückzugeben. Oder man sagt: «Ach vielen Dank, endlich habe ich etwas Unterstützung bei meiner Arbeit.» Das zaubert dem Bewohnenden bestenfalls auch noch ein Lächeln ins Gesicht.
Was sind die Herausforderungen, die sich im Umgang und der Kommunikation mit Menschen mit Demenz ergeben?
Man muss unvoreingenommen, unbefangen auf das Verhalten einer Person eintreten. Menschen mit Demenz haben eine individuelle kommunikative Prägung. Es ist schön, diese Schritt für Schritt kennenlernen zu können, solange sie noch funktioniert. Denn leider ist die Kommunikationsfähigkeit schon früh beeinträchtigt. Es ist herausfordernd, wenn man seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr äussern kann. Und gerade zu Beginn der Krankheit ist man sich dessen auch selbst noch bewusst. Man bemerkt Wortfindungsstörungen, der Wortschatz wird immer kleiner. Das kann Angst, Ärger und Wut hervorrufen. Aufgrund der Wortfindungsstörungen suchen die Erkrankten gerne mal nach neuen Wörtern, die es gar nicht gibt. Menschen mit Demenz verstehen uns mit fortschreitender Krankheit immer weniger, wohlgemerkt in ihrer Muttersprache. Und das alles ist wiederum herausfordernd für uns als Gegenüber.
Wie soll ich also auf Menschen mit Demenz zugehen?
Bei der Kontaktaufnahme mit dem Gegenüber sind der Blickkontakt sowie das Erfassen und Verbalisieren seiner Gefühle etwas Zentrales. Auch schön ist es, dem Menschen beim Vorbeigehen zuzuwinken und dabei zu sagen: «Schön Sie zu sehen». Eine achtsame Erinnerungspflege ist wichtig. Wenn ich ein Foto im Zimmer entdecke, so frage ich nicht, wer da abgelichtet ist, sondern sage: «Das sind schön gekleidete Leute auf diesem Foto». Und dann höre ich aufmerksam zu, was die Person mir erzählt. Dies, ohne zu prüfen und zu werten, ob das Gesagte auch den «Tatsachen» entspricht. Es kommt auch vor, dass Menschen mit Demenz Dinge tun, die in unseren Augen nicht ganz «konform» sind. Da ist es wichtig, dass wir sehen, was gut geht – und nicht nur das, was nicht mehr funktioniert. Wenn sich eine Person selbst ankleidet, jedoch in einer unüblichen Reihenfolge (z. B. Unterhemd wird nach dem Pullover angezogen), so gilt es in erster Linie zu würdigen, dass sie sich selbst angekleidet hat. Erst danach kann bei Bedarf Unterstützung geleistet werden.
Noch eine letzte Frage: Am SGZ Campus bietet ihr eine Vielzahl von Bildungsangeboten zum Thema Demenz – besuchen da alle Berufsgruppen denselben Kurs?
Das Personal, welches in direktem Kontakt mit Menschen mit Demenz steht, absolviert gemeinsam unsere Fort- und Weiterbildungen. Beispielsweise Pflegende, Assistenzärzt*innen, Physio-, Aktivierungs- und Ergotherapeut*innen. Genauso verhält es sich im nicht-medizinischen Bereich. Technischer Dienst, Hauswirtschaft, Küche – alle besuchen dieselbe Fortbildung. In unseren Kursen hört man sich gegenseitig zu und denkt miteinander. Dieser Aspekt stärkt das interprofessionelle und interdisziplinäre Arbeiten.