Sandra Leuenberger ist seit November 2020 Leiterin Pflege im Gesundheitszentrum für das Alter Riesbach und führt direkt und indirekt rund 70 Mitarbeitende. Die Gesundheitszentren Witikon und Riesbach werden gemeinsam geleitet. Da alle anderen Bereichsleiter*innen ihren Hauptstandort in Witikon haben, ist Sandra Leuenberger in Riesbach zudem Hauptansprechperson im Haus und Vermittlerin zu den anderen Bereichsleiter*innen.
Bereits während ihres HF-Studiums zur diplomierten Pflegefachfrau war sie bei der Stadt Zürich tätig – im damaligen Pflegezentrum Käferberg. Es folgten Stationen als stellvertretende Abteilungsleiterin im damaligen Pflegezentrum Seeblick in Stäfa, das auch der Stadt Zürich gehörte, sowie als Abteilungsleiterin und später als Leiterin Pflege im damaligen Pflegezentrum Witikon.
Sandra, du bist nebenberuflich interne Pflege-Auditorin. Was bedeutet das?
Hauptberuflich bin ich Leiterin Pflege im Gesundheitszentrum für das Alter Riesbach. Im Gegensatz zu externen Auditor*innen und zu unserem zentralen Auditor*innen-Team sind wir Pflege-Auditor*innen bei den Gesundheitszentren in einem Betrieb tätig, aber in die zentrale Audit-Organisation der Gesundheitszentren eingebunden. Wir sind fünf Mitarbeitende, die entsprechend geschult wurden und zusätzlich zu unserer Haupttätigkeit Pflege-Audits durchführen. Jedes Jahr bekommen wir Betriebe zugeteilt. Die internen Pflege-Audits leisten einen Beitrag zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung und -verbesserung und dienen als Vorbereitung auf das Audit durch die Schweizerische Vereinigung für Qualitäts- und Managementsysteme (SQS), das jeweils im darauffolgenden Jahr stattfindet.
Wie seid ihr Pflege-Auditor*innen organisiert?
Wir haben jährlich einen Erfahrungsaustausch, an dem wir das vergangene Jahr reflektieren. Dort besprechen wir, ob die Prozesse passen, was wir gegebenenfalls anpassen müssen, wir sammeln Inputs und machen die Jahresplanung für das laufende Jahr. Unsere Ansprechperson, Christina Peter, ist im Qualitätsmanagement der Gesundheitszentren tätig und bündelt das Wissen zentral.
Was beinhaltet ein internes Pflege-Audit?
Wir internen Pflege-Auditor*innen machen eine Standortbestimmung und schauen, ob es relevante Themen gibt, die angepasst werden müssen. Wir sehen uns nicht als Kontrolleur*innen, sondern als kollegiale Unterstützung und hilfreiche Partner*innen, die mit einem frischen Blick mögliche blinde Flecken aufzeigen. Durch das interne Pflege-Audit können wir allfällige Unsicherheiten frühzeitig abfangen und intervenieren. Mir ist wichtig zu erwähnen, dass bei einem Pflege-Audit nicht Mitarbeitende geprüft werden, sondern Prozesse im Betrieb. Wir machen jedoch Vorgaben dazu, welche Funktionen anwesend sein müssen. Es reicht nicht, wenn nur die Vorgesetzten anwesend und informiert sind. Wenn alle Levels bei einem Pflege-Audit vertreten sind, bildet das die Realität ab und gibt einen guten Einblick. Die Pflegedienstleitungen können gerne als Zuschauer*innen anwesend sein, sie nehmen aber nicht am Pflege-Audit teil.
Inwiefern hilft dir deine langjährige Erfahrung bei dieser Tätigkeit?
Dass ich mit der Organisation und ihrer Geschichte vertraut bin, ist für mich wertvoll. Ich bin sehr gut vernetzt und kenne verschiedene Betriebe innerhalb der Gesundheitszentren. Das hilft mir nachzuvollziehen, wenn Prozesse in der Theorie zwar überall gleich sind, aber je nach Betrieb unterschiedlich interpretiert werden, weil die betrieblichen Voraussetzungen und die Bewohnenden manche Vorgaben mit beeinflussen. Es gibt darum nicht nur einen Standardweg.
Kannst du ein Beispiel nennen für einen Prozess, der unterschiedlich umgesetzt wird?
Es gibt zum Beispiel Vorgaben dazu, wann die Medikamentenabgabe stattfindet – z. B. eine Stunde vor oder nach dem Essen. Im Rahmen der Pflege-Audits hat sich gezeigt, dass die Betriebe mit Schwerpunkt Spezialisierte Pflege näher an den Prozessvorgaben sind als die Betriebe mit Schwerpunkt Wohnen im Alter. Das lässt sich dadurch erklären, dass bei Ersteren die medizinische Betreuung einen höheren Stellenwert hat. Im Gegensatz dazu liegt bei Letzteren das Gewicht auf der Selbstbestimmung und Autonomie der Menschen. Bewohnende in Betrieben mit Schwerpunkt Wohnen im Alter sind oft sehr selbstständig unterwegs, sie gehen einkaufen, spazieren oder haben externe Termine. Es ist darum gar nicht möglich, alle tagsüber zu einem spezifischen Zeitpunkt zu erreichen.
Was ist konkret deine Aufgabe als Pflege-Auditorin?
Seit dem Zusammenschluss der Alters- und Pflegezentren zu den Gesundheitszentren für das Alter gibt Eva Horvath, die Leiterin klinische Pflegeentwicklung, jedes Jahr ein Thema mit einem Fragenkatalog für die Pflege-Audits vor, zum Beispiel das Thema Schmerzmanagement. Das hilft uns, eine Vergleichbarkeit zwischen den Betrieben zu schaffen – und wir wissen, wo wir fachlich stehen. Als Auditorin ist es meine Aufgabe, eine Prüfung nach diesem Fragenkatalog vorzunehmen und einen Bericht zu meinen Feststellungen zu verfassen. Dabei ist wichtig, dass ich meine Erkenntnisse neutral festhalte und nicht werte. Den Audit-Bericht lasse ich dem jeweiligen Betrieb zukommen. Was der Betrieb damit macht und welche Punkte er wie umsetzt, ist ihm überlassen.
Auditor*innen begleiten oder kontrollieren die Umsetzung also nicht?
Genau, das ist nicht Teil unseres Auftrags. Unser Vorteil als interne Pflege-Auditor*innen ist aber, dass wir – falls dies vom jeweiligen Betrieb gewünscht ist – im Rahmen des Feedbackgesprächs auf kollegialer Ebene Tipps geben können. Wir kennen die Konzepte der Gesundheitszentren sehr gut, weil wir selbst auch damit arbeiten, und können unsere eigenen Erfahrungen teilen. Vielleicht kennen wir ja einen Kniff, der dem auditierten Betrieb noch nicht bekannt ist – oder umgekehrt.
Deine Tätigkeit als Pflege-Auditorin ist also auch für dich und deinen Betrieb ein Gewinn?Absolut. Ich lerne bei den Pflege-Audits auch dazu. Das Wissen fliesst nicht nur in eine Richtung. Ich sehe interne Pflege-Audits darum als grossen Vorteil für die gesamte Organisation. Wir Auditor*innen kennen die einzelnen Betriebe zwar nicht im Detail, sind aber mit den Grundstrukturen vertraut. Das ist eine sehr gute Ausgangslage, um Entwicklungen anzustossen. Davon abgesehen ist es für mich persönlich eine grosse Bereicherung, als Auditorin tätig sein zu dürfen und so Einblicke in die verschiedenen Betriebe zu gewinnen.
Inwiefern profitieren auch andere Mitarbeitende von internen Pflege-Audits?
Interne Pflege-Audits sorgen für Nachvollziehbarkeit und Klarheit – und sie geben den Mitarbeitenden die Gelegenheit, sich zu informieren und einzubringen. Wer einen hohen Anspruch an die Qualität der eigenen Arbeit hat, ist bei uns sehr gut aufgehoben. Wir wollen das Potenzial ausschöpfen, das wir aufgrund unserer Grösse haben. Interne Pflege-Audits bieten den Mitarbeitenden eine gute Plattform, um Entwicklungen anzuregen. Ich kann zwar nicht versprechen, was am Ende umgesetzt wird, aber ich habe ein offenes Ohr, nehme Inputs wertfrei auf und lasse sie den betroffenen Stellen zukommen – sei das die Betriebsleitung oder die Geschäftsleitung. Durch die Pflege-Audits erhalte ich reelle Einblicke in den Arbeitsalltag in anderen Betrieben – ein bisschen wie in der Sendung Undercover Boss.
Was würdest du anderen Betrieben in Bezug auf Pflege-Audits empfehlen?
Wenn in einem Betrieb aufgrund der Grösse eine Einzelperson als Qualitätsverantwortliche*r die Prozesse à jour hält, birgt das die Gefahr, dass blinde Flecken nicht aufgedeckt werden. Davor sind wir alle nicht gefeit. Ich würde ihnen darum empfehlen, sich mit zwei bis drei anderen Betrieben zusammenzutun und sich gegenseitig zu auditieren – niederschwellig und ohne Konzepte anzupassen. Eine weitere Möglichkeit ist, die Audits im Haus zu behalten und unter den Fachbereichen zu rotieren. Die Hotellerie prüft zum Beispiel den Technischen Dienst, der Technische Dienst prüft die Pflege. Prozesse prüfen kann auch, wer nicht vom jeweiligen Fach ist. Man muss einfach mehr nachfragen und die Antworten fachlich absichern lassen. Das hat auch gewisse Vorteile. Fachfremde Auditor*innen merken zum Beispiel unter Umständen besser, wenn relevante Punkte fehlen, weil sie die Lücke nicht automatisch mit ihrem Fachwissen schliessen. Und selbstverständlich kann man auch Leistungen von externen Auditor*innen einkaufen.