Es gibt viele Erfolgsgeschichten von Lernenden der Integrationsangebote an der Fachschule Viventa. Stellvertretend stellen wir drei Ehemalige vor, die beharrlich ihren Weg gegangen sind.
Der Geomatiker Hamid Hashemi Nejad ist 36 Jahre alt und lebt in Oerlikon. Er hat den Lehrgang «Berufsorientierung für Erwachsene» im Schuljahr 2018/19 absolviert. Im Gespräch ist er quirlig und aufgestellt. Er erzählt seine Geschichte in sehr gutem Hochdeutsch, gespickt mit schweizerdeutschen Ausdrücken:
«Mein Leben in der Schweiz begann im September 2016. Damals sind meine Schwester und ich nach unserer Flucht aus dem Iran in der Schweiz angekommen. Als Afghanen hatten wir dort keine Rechte und konnten auch keine normale Schule besuchen oder eine Ausbildung absolvieren. Die ersten drei, vier Jahre hier waren schwierig. Ich hatte den N-Ausweis, konnte nichts lernen und nichts arbeiten. Mit YouTube haben wir Deutsch gelernt und viel Sport gemacht, um uns zu beschäftigen. Später konnte ich Deutschkurse besuchen und danach die «Berufsorientierung für Erwachsene» an der Viventa absolvieren.
Das Jahr an der Viventa hat mir sehr geholfen, die Schweizer Kultur und die Sprache kennenzulernen. Auch die Leute waren sehr lieb. Unser Mathelehrer Herr Khalil machte super Unterricht. Am Anfang haben wir gar nichts kapiert. Die Klassen sind sehr heterogen, das macht es schwierig zu unterrichten: Der eine hat in seinem Heimatland die Uni abgeschlossen, der andere hat fast keine Schulbildung genossen. Herr Khalil hat das sehr gut gemacht und hat uns die asiatische Methode und die europäische Methode in der Mathematik beigebracht – so dass wir entscheiden konnten, welche Methode am besten zu uns passt. In einem Jahr haben wir bei ihm so viel gelernt. Auch unsere Deutschlehrerin war sehr nett – und manchmal auch ein bisschen Psychotherapeutin für uns. Frau Strössenreuther half bei der Berufswahl und beim Schreiben vom Lebenslauf und Bewerbungsschreiben. Doch da ich immer noch den N-Ausweis hatte, durfte ich noch keine Berufsausbildung in Angriff nehmen.
Aus diesem Grund absolvierte ich im Anschluss den Lehrgang «Vorbereitung auf den Sekundarschulabschluss für Erwachsene» im Schulhaus Wipkingen. Ein Jahr des Büffelns und Lernens folgte – doch auch das habe ich geschafft. Mein Lehrer Herr Gamper schlug mir vor, als Geomatiker zu schnuppern, da ich gerne im Büro und draussen arbeiten wollte. Das war der perfekte Beruf für mich. Er ist sehr abwechslungsreich und anspruchsvoll. Man muss genau arbeiten, alles dokumentieren und auch etwas detailverliebt sein. Bei Frick & Partner in Adliswil konnte ich die vierjährige Lehre absolvieren. Am Anfang war es sehr streng, ich lernte jeden Tag bis 22 Uhr und hatte auch sehr gute Noten. Im vierten Lehrjahr folgte dann der absolute Durchhänger. Doch mein Lehrmeister erklärte mir, dass das bei vielen Lernenden der Fall sei. Nach meinem erfolgreichen Lehrabschluss blieb ich in der Firma und besuche jetzt berufsbegleitend eine Weiterbildung zum Geomatiktechniker. Diese gefällt mir sehr gut und ist sehr spannend. In meinem Büro werden in den nächsten Jahren viele Kollegen pensioniert und ich habe deswegen gute Chancen, auch innerhalb der Firma aufzusteigen. Ein Traum, den ich habe? Bald kann ich die C-Bewilligung beantragen, später möchte ich mich einbürgern lassen. Ein Ziel ist, mir eine Wohnung zu kaufen. Wenn ich rechne, schaffe ich das vielleicht bis zur Pensionierung (lacht). Am besten, man konzentriert sich auf mehrere Ziele und nicht nur auf eines. Eines davon erreicht man bestimmt.»
Yordanos Semereab, 28-jährig, stammt aus Eritrea und lebt mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Buben in Albisrieden. Sie besuchte im Schuljahr 2021/22 den Lehrgang «Berufsorientierung für Erwachsene» an der Viventa. Trotz ihren zwei kleinen Kindern hatte sie immer ihre Ausbildung im Fokus. Sie spricht sehr gut Deutsch und erscheint aufgestellt zum Gespräch. Sie erzählt:
«Ende September 2017 bin ich aus Eritrea in die Schweiz gekommen. Mein Mann lebte schon hier. Wir sind zusammen aufgewachsen und immer in Kontakt geblieben. Davor habe ich auf verschiedenen Wegen versucht, allein aus Eritrea zu fliehen, dreimal hat es nicht funktioniert und ich bin im Gefängnis gelandet. Ich habe aber nicht aufgegeben. Mein Mann hat mir von der Schweiz aus geholfen, nach Äthiopien zu fliehen. Wir heirateten und ich konnte ihm in die Schweiz folgen. Am Anfang war es nicht einfach für mich hier – es war eine grosse Herausforderung. Ich kannte niemanden ausser meinem Mann und sprach kein Wort Deutsch. Nach zwei Wochen in der Schweiz bin ich zum Sozialdienst gegangen und habe gesagt, dass ich arbeiten und einen Deutschkurs besuchen will. Ich konnte dann ein paar Monate in einem Beschäftigungsprogramm Computer auseinanderbauen. So lernte ich Deutsch und kam unter die Leute. Später besuchte ich verschiedene Deutschkurse. Von der Viventa erfuhr ich von Kolleginnen, die mir die Schule empfahlen. Ich habe viel über verschiedene Lehrgänge und Kurse recherchiert. Für die Viventa habe ich mich entschieden, weil viel Coaching angeboten wird und man Unterstützung bei der Berufswahl und Stellensuche erhält. Ich konnte im Lehrgang mein Deutsch, meine Mathematikkenntnisse und meine Allgemeinbildung verbessern. Es hat mir geholfen, viel über das Leben und die Kultur in der Schweiz zu erfahren.
Den Beruf Assistentin Gesundheit und Soziales wollte ich erlernen, weil ich Menschen sehr gerne habe. Frau Strössenreuther, die mich an der Viventa gecoacht hat, empfahl mir, zuerst eine Integrationsvorlehre zu machen. Ich war am Anfang dagegen, da ich sehr ehrgeizig bin und direkt die Lehre als Assistentin Gesundheit und Soziales absolvieren wollte. Nun bin ich aber froh, dass ich zuerst ein Jahr die Integrationsvorlehre gemacht habe. Wir haben zwei kleine Buben und mein Mann arbeitet auch 100 Prozent in der Pflege. Direkt die EBA zu machen, hätte mich schulisch überfordert. Diesen Sommer werde ich nun endlich meine EBA-Ausbildung abschliessen. Diese zwei Jahre Lehre fühlen sich an wie fünf Jahre. Ich habe fast kein Leben neben der Arbeit und der Schule. Einen Teil der Prüfung haben wir bereits jetzt abgeschlossen. Meine schriftliche Arbeit schrieb ich nach 22 Uhr, wenn die Kinder im Bett waren, um fünf Uhr morgens musste ich wieder aufstehen. Ich habe die Note 5,8 für die Arbeit bekommen – was mich riesig freut.
Die grösste Herausforderung auf meinem Weg? Das war definitiv die Sprache. Ich konnte reden, aber nicht mitteilen, was ich genau fühle. Die Kultur ist anders. In Eritrea schaut man sich zum Beispiel nicht unbedingt in die Augen, wenn man zusammen spricht. Ich musste lernen, den Leuten in die Augen zu schauen.
Mein Beruf gefällt mir sehr, ich liebe es, mit den Menschen zusammenzuarbeiten. Ich lerne jeden Tag etwas Neues, von den Bewohner*innen des Gesundheitszentrums und von meinen Kolleg*innen. Ich mache diesen Beruf mit dem Herzen, er macht mir grosse Freude und ist sehr abwechslungsreich. Am liebsten mache ich Aktvierungen mit den Bewohner*innen, lese ihnen Geschichten oder Sprichworte vor. Auch über Demenz habe ich viel gelernt – diese Menschen leben in einer ganz anderen Welt.
Für meine Zukunft habe ich sehr viele Ziele. Nach der Lehre möchte ich Teilzeit arbeiten, um meine Kinder mehr geniessen und unterstützen zu können. Wenn sie älter sind, werde ich mich zur Fachfrau Gesundheit weiterbilden.»
Mohtasham Mohammadi ist 30 Jahre alt, wohnt in Altstetten und arbeitet als Automatikmonteur bei Elektrolife in Urdorf. Er besuchte den Lehrgang «Berufsorientierung für Erwachsene» 2019/20. Er lacht viel und erzählt uns seine Geschichte in perfektem Hochdeutsch:
«Am 30. Januar 2016 bin ich in die Schweiz geflüchtet. Als Afghanen lebten meine Familie und ich im Iran, wo wir keine Rechte hatten. Der Anfang hier in der Schweiz war hart. Ich habe dreieinhalb Jahre auf die Anerkennung meines Flüchtlingsstatus gewartet. In dieser Zeit konnte ich nicht viel machen. Im afghanischen Verein in Regensdorf hatte ich die Möglichkeit, Deutsch zu lernen und das habe ich fleissig gemacht – auch mit Hilfe von YouTube. 2019 wurde ich als Flüchtling anerkannt. Die Gemeinde Stallikon, wo ich damals lebte, schickte mich in den Kurs «Berufsorientierung für Erwachsene» an die Fachschule Viventa. Was ich in diesem Jahr gelernt habe? So viel: Ich lernte besser Deutsch und konnte in den allgemeinbildenden Fächern aufholen. Vor allem in Mathematik hat es Klick gemacht. Mathe wurde mein absolutes Lieblingsfach. Ausserdem beschäftigten wir uns mit der Berufswahl und besuchten Berufsmessen. Susanne Strössenreuther war in der Viventa mein Coach und hat mich stark bei der Berufswahl und Lehrstellensuche unterstützt. Sie sagte immer: 'Mohtasham, du kannst nicht immer den Klassenclown spielen, du musst ernsthaft bleiben, sonst findest du keine Lehrstelle.' Aber das ist nicht so einfach, ich bin vom Naturell her einfach ein lustiger Typ, habe ihren Rat aber beherzigt. In der Viventa lernten wir, was ein Lebenslauf ist und wie man ein Bewerbungsschreiben verfasst. Ich hatte vorher keine Ahnung. Auf der Berufsmesse lernte ich den Beruf Automatikmonteur kennen. Diese Arbeit hat mich sofort fasziniert. Da ich als einziger meine Bewerbungsunterlagen bei der Messe dabeihatte, wurde ich zum Schnuppern eingeladen. Wegen Covid kam jedoch der Lockdown dazwischen und es wurde Juni, bis ich dann tatsächlich bei der Firma Schneider schnuppern konnte. Sie hatten bereits einen Lernenden, haben aber ausnahmsweise einen zweiten – nämlich mich – genommen. Ich musste einfach zeigen, dass ich gut bin. Ich habe meine Traumarbeit gefunden! Die Lehre war nicht einmal so schwierig, ich konnte viel vom Gelernten an der Viventa profitieren.
Manchmal war es hart, als erwachsener Mann von Jüngeren Anweisungen entgegenzunehmen, aber ich hatte alles in allem eine gute Lehrzeit. Nach der Lehre habe ich noch zweimal die Stelle gewechselt und nun bin ich in einem super Betrieb und verdiene gut. Ich habe nach der Lehre hart gearbeitet und all meine Schulden zurückbezahlt. In der Zukunft möchte ich eine Weiterbildung machen: Entweder Elektrotechniker oder etwas in Richtung erneuerbare Energien. Ausserdem will ich den Führerschein machen – ein Occassionsauto habe ich mir schon gekauft. In meiner Freizeit engagiere ich mich beim Verein Glocal Roots für Flüchtlinge. Wir machen Bewerbungs- und Interviewworkshops mit ihnen und helfen ihnen bei der Integration. Ich war so verloren, als ich hier ankam, und möchte etwas zurückgeben.»
Im einjährigen Vollzeit-Lehrgang Berufsorientierung für Erwachsene unterstützen wir Migrant*innen und Flüchtlinge auf Ihrem Weg in die Arbeitswelt. Sie lernen besser Deutsch, erweitern ihre Deutschkenntnisse und lernen das Leben und die Kultur in der Schweiz kennen. Wir bereiten sie auf eine Aus- oder Weiterbildung oder einen Beruf vor.