Kristina, was ist das Beste an deiner Arbeit als Coach im Förderzentrum an der Fachschule Viventa?
Das wertvolle Zusammenspiel zwischen Jugendlichen, meinem Team und den Lehrpersonen. Es macht mir grosse Freude und motiviert mich sehr, die Jugendlichen zu begleiten und zu sehen, wie sie wachsen. Auch ich wachse durch die Arbeit mit ihnen und lerne dazu. Unsere Zusammenarbeit im Team des Förderzentrums macht meine Arbeit spannender und lehrreicher. Sie ist sehr professionell, ich kann mir jederzeit Infos und Inputs von psychologischer und sozialarbeiterischer Seite holen. Zudem schätze ich auch den Austausch mit den Lehrpersonen sehr und finde diesen wertvoll und wichtig, denn sie sind als Klassenlehrpersonen die ersten Bezugspersonen und kennen die Jugendlichen.
Was magst du am wenigsten?
Wenn ich merke, dass Lernende trotz 100 Prozent Einsatz keine Lehrstelle finden. Aber das gehört zum Job. Und dass ich viel sitze bei meiner Arbeit (lacht). Ich brauche bald ein Stehpult.
Was sind genau deine Aufgaben als Coach im Förderzentrum?
Es kommt darauf an, für welches Angebot die Klassenlehrpersonen die Jugendlichen anmelden. Kommen sie ins Berufswahlcoaching, schreiben wir Bewerbungen, üben das Telefonieren, trainieren ein Vorstellungsgespräch oder bereiten sie auf spezifische Assessments vor. Ähnlich läuft es mit den Lernenden, die im Angebot sind Praktikum+ sind. Diese suchen eine Praktikumsstelle als Ergänzung zum betrieblichen Berufsvorbereitungsjahr. Im Lerncoaching geht es darum, den Jugendlichen Strategien für das Lernen zu vermitteln. Ein weiteres Angebot ist das Perspektivenatelier. Hier begleiten wir die Jugendlichen während einer Auszeit. Meist geht es um Themen der Persönlichkeitsentwicklung.
In welchen Bereichen brauchen die Jugendlichen im Coaching am meisten zusätzliche Unterstützung?
Im Berufswahlcoaching, vor allem wenn es darum geht, das Thema der Berufsfindung nochmals zu öffnen und den richtigen Beruf zu finden.
Was sind deine schönsten Erfolgserlebnisse?
Für mich ist es am schönsten, wenn ein*e Lernende*r eine Lehr- bzw. einen Praktikumsstelle in einem Betrieb erhält, der spürbar der richtige Ort ist und einfach passt. Dann weiss ich, das ist nachhaltig – da wird es manchmal richtig emotional und wir freuen uns alle riesig zusammen. Auch im Perspektivenatelier erleben wir immer wieder Entwicklungen, die uns berühren: Lernende kommen verloren bei uns an und erarbeiten sich dann eine Zukunftsperspektive mit konkreten Zielen.
Was ist dir am wichtigsten bei der Arbeit mit Jugendlichen?
Auf Augenhöhe mit ihnen zu sein und eine Beziehung aufzubauen. Dann funktioniert vieles.
Wie hast du gemerkt, dass du diese Arbeit machen möchtest?
Das ist eine lustige Geschichte. Ich bin eigentlich Grafikerin. Im Kulturzentrum KIFF in Aarau habe ich in meinen Zwanzigern Flyer, Plakate und Pressearbeit gemacht. Sehr viele Jugendliche sind zu mir gekommen mit Fragen und ihren persönlichen Problemen. So bin ich in die Jugendarbeit gerutscht. Ich habe gemerkt, dass mir das liegt. Deshalb habe ich in der Folge die Pädagogische Hochschule absolviert. Ich wusste, dass ich Jugendliche coachen und jene unterstützen möchte, die es zu Hause vielleicht etwas schwieriger haben und Halt suchen. Mit Zuhören und Nichtwerten kann ich ganz viel bewirken. Ich finde das sinnstiftend.
Womit haben die Lernenden am meisten Mühe beim Einstieg in die Berufswelt?
Mit der Interaktion mit der Erwachsenenwelt sowie deren Anforderungen und Codes.
Wie verlief deine eigene Berufsfindung?
Sie lief sehr einfach – mit genau einer Bewerbung. Das darf ich meinen Jugendlichen gar nicht erzählen. Ich habe eine Zwillingsschwester und sie wollte die Kantonsschule besuchen. Deshalb war für mich klar, dass ich in eine andere Richtung gehe und einen gestalterischen Beruf ergreife. Mein Berufsberater Herr Fretz hat mir den damals ganz neuen Beruf Polygrafin vorgeschlagen. Bei der Ringier in Zofingen reichte ich meine handschriftliche Bewerbung ein. Zuerst erhielt ich eine Absage, aber weil jemand zurücktrat, konnte ich nachrücken und dann auch die Berufsmatur während meiner Lehre absolvieren.
Was bedeutet dir deine Arbeit generell?
Sie gibt mir sehr viel Sinn, ich könnte nie etwas machen, das für mich nicht sinnhaft ist. Ich kann hier etwas bewegen und mich selbst sein. Eine Person, die mich mal hospitiert hat, sagte: «Sie haben Ihre Berufung gefunden.» Und das stimmt. Das ist ein Geschenk.
Psychische Belastungen und Absentismus sind grosse Themen bei den Jugendlichen. Wo siehst du Ansatzpunkte, wie wir das als Gesellschaft angehen können?
Von Beginn weg müssen Eltern und Umfeld dranbleiben, hinschauen und sich Unterstützung holen.
Was rätst du Eltern, deren Kinder nicht mehr zur Schule gehen wollen und ständig fehlen?
Das gleiche: Hinschauen, zuhören, so früh wie möglich Hilfe holen, den Jugendlichen aber auch Zeit geben, dass sie gesunden können. Es gibt keinen Zauberstab, mit dem dieses Problem weggezaubert werden kann, so schön das auch wäre. Es kann dauern. Auch Druck sollte von den Jugendlichen weggenommen werden. Und ganz wichtig: Eltern sollen das Bild loslassen, welches sie sich beruflich von ihrem Kind gemacht haben. Das Kind muss nicht die Wünsche und Träume seiner Eltern erfüllen.
Was stimmt dich hoffnungsvoll in Bezug auf die Jugendlichen, welche deine Beratung brauchen?
Ganz vieles: Ich sehe ihr grosses Potenzial. Viele Jugendliche sind offen und sogar kritikfähiger als manche Erwachsene. Es gilt auch, die kleinen Erfolge mit ihnen zu feiern, etwa ein erfolgreiches Telefonat oder ein cooles Vorstellungsgespräch.
Kristina, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
Im Förderzentrum der Fachschule Viventa arbeiten Coaches, Psycholog*innen und Schulsozialarbeiter*innen zusammen. Sie alle unterstützen Lernende der Viventa, die ausserhalb des Klassenverbunds zusätzliche Hilfe benötigen. Das Angebot des Förderzentrums ist breit. Es umfasst unter anderem Berufswahlcoaching, (Lern-)Coaching, Beratung, Prävention, Teambildung und Deutsch als Zweitsprache.