Zürich hat ein neues Gründungs- und Innovationszentrum namens «Ahead». Weshalb braucht es das?
Nun, es ist ein Zusammenschluss unserer vier bisherigen Angebote, von Startzentrum, Mikrokredite GO!, gruenden.ch und KMU & Innovation. «Ahead» begleitet Gründer*innen und KMU auf ihrem unternehmerischen Weg, um ihnen langfristig Erfolg zu ermöglichen – das ist nicht selbstverständlich. Die Nachfrage nach den bewährten Angeboten wie persönliche Gründungsberatung, Mikrokredite, Mentoring und Innovationsbegleitung ist gross: Die Vorgängerorganisationen haben etwa 800 Unternehmen beraten, für 11 Millionen Franken Mikrokredite vergeben und dabei 1200 Arbeitsplätze geschaffen – pro Jahr.
Planen Sie auch neue Angebote?
Ja, wir prüfen weitere Leistungen und entwickeln sie bei Bedarf weiter. Ein Thema kann zum Beispiel die Nachfolgeregelung sein; sie betrifft viele KMU, und entsprechend gross ist der Bedarf nach Beratung. Solche Lücken wollen wir schliessen.
Yves Bisang ist Leiter Wirtschaftsförderung bei der Stadtentwicklung Zürich. Zusammen mit seinem Team pflegt er den Kontakt zu Unternehmen und entwickelt den Wirtschaftsstandort weiter. In seiner Funktion vertritt er die Stadt in Verwaltungsräten und Vorständen wie in der Ahead Zürich Genossenschaft, der Stiftung BlueLion, im Life Science Zurich Business Network, im Verein glaTec, und im Kongresshaus Zürich.

Was ist der Grund für diesen Zusammenschluss?
Die Träger*innen von «Ahead» – Stadt und Kanton Zürich und die Zürcher Kantonalbank – haben in der bestehenden Förderlandschaft erhebliches Synergiepotenzial für Unternehmertum und Innovation erkannt. Um dieses gezielt zu nutzen und die Kräfte zu bündeln, haben wir uns entschieden, die Aktivitäten künftig in einer Organisation zu vereinen. Gleichzeitig konnten wir den Finanzierungsschlüssel regeln: Alle drei Trägerinnen beteiligen sich neu mit je 375 000 Franken pro Jahr.
Zwei weitere Angebote für Jungunternehmen, BlueLion und das Förderprogramm KlimUp, wurden nicht in «Ahead» integriert. Weshalb?
Sie richten sich an andere Zielgruppen: Sie unterstützen global ausgerichtete, innovative Tech-Start-ups, die schnell wachsen und eine skalierbare Geschäftsidee entwickeln wollen. Diese haben andere Bedürfnisse als Existenzgründer*innen und KMU. Start-ups benötigen ein gutes Netzwerkumfeld, Zugang zu Investoren oder gezielte Programme und weniger eine klassische Gründungsberatung oder Mikrokredite.
Welche Aufgaben übernehmen diese Angebote?
BlueLion unterstützt Start-ups in der Frühphase mit Coaching und sogenannten Accelerator-Programmen. Das sind mehrwöchige Programme, während der die Start-ups zusammen mit Expert*innen an ihrer betriebswirtschaftlichen und strategischen Weiterentwicklung arbeiten und sich mit Investor*innen vernetzen.
Und KlimUp?
KlimUp ist ein Finanzierungsinstrument und wurde 2024 speziell für Start-ups und gemeinnützige Organisationen lanciert, die zu den städtischen Klimaschutzzielen beitragen. Sie entwickeln an vorderster Front neue Technologien, kämpfen zu Beginn aber oft mit finanziellen Engpässen. Wir können sie in einem ersten Schritt mit maximal 35 000 Franken unterstützen. Grössere Summen erhalten sie von uns aber nur, wenn sie auch institutionelle Investor*innen von sich überzeugen können, also qualifizierte grössere Geldgeber. Dann gewähren wir einen Betrag in derselben Höhe wie diese, maximal jedoch 215 000 Franken. Das ist das sogenannte Matching-Fund-Modell.
Wie sehen Sie die künftige Entwicklung des Start-up-Standorts Zürich?
Ich bin sehr optimistisch. Gerade im Bereich der Künstlichen Intelligenz geschieht momentan enorm viel, und wir haben eine sehr hohe Gründungsdynamik, welche nicht so schnell abreissen wird. Aus diesem Grund haben wir mit BlueLion, dem ETH AI Center und der kantonalen Standortförderung ein Programm für europäische KI-Start-ups ins Leben gerufen, das im Herbst startet.
Warum engagiert sich die Stadt für Start-ups und KMU? Sollte das nicht der Privatwirtschaft überlassen werden?
Start-ups und KMU sind die Innovationstreiber der Wirtschaft. Sie bringen neue Ideen und Lösungen hervor, dienen im Falle von Start-ups grösseren Unternehmen oft als «ausgelagertes Innovationsmanagement» und werden später häufig übernommen. Wer Innovation will – etwa im Hinblick auf die Netto-Null-Ziele der Stadt –, muss sie gezielt fördern. Wir wollen damit den Wirtschaftsstandort Stadt Zürich weiterentwickeln und diversifizieren.
Im «Global Startup Ecosystem Report 2024» gehört die Stadt Zürich zu den grössten Aufsteigerinnen und rückte auf Platz 31 der 300 grössten Start-up-Hubs weltweit vor. Wie wichtig sind solche Rankings für die Stadt?
Sie sind nett fürs Marketing, aber für unsere Arbeit kaum relevant. Wir wollen Zürich unabhängig davon für Gründer*innen möglichst attraktiv machen – sie sollen hier nicht nur ein Unternehmen gründen, sondern auch bleiben. Das geht weit über klassische Wirtschaftsförderung hinaus. Wichtig sind dafür exzellente Hochschulen und Forschungseinrichtungen, eine stabile Wirtschaft, Zugang zu Kapital und zu moderner Infrastruktur. Und natürlich ist die hohe Lebensqualität Zürichs wichtig. Sie ist so hoch, weil wir viele Parks und Erholungsgebiete haben, eine vielfältige und hochwertige Gastroszene und Kinderbetreuungsangebote. Auch zahlbare Wohnungen sind wichtig.
In den letzten 25 Jahren haben die Vorgängerorganisationen von «Ahead» rund 10 000 angehende und bestehende Unternehmer*innen beraten und zum Erfolg geführt, darunter Lovis Michael Friess, der vom Polizeigrenadier zum Fitnessunternehmer wurde (Bild) oder Spitzenkoch Stephan Stemminger (Einstiegsbild), der die erste Vanillemanufaktur der Schweiz.gründete und mit dieser auch die Familien der Vanillebauern unterstützt. Lesen Sie weitere Erfolgsgeschichten, zu denen die Vorgängerorganisationen von «Ahead» beitragen konnten.

Haben Sie selbst auch schon eine Firma gegründet?
Ja, ich habe 2016 eine Marketingberatung als GmbH gegründet. Es war eine wertvolle Erfahrung, die mir viel Verständnis für die Realität von Gründer*innen gegeben hat. Nach der Geburt unseres ersten Kindes habe ich mich aber wieder für ein festes Arbeitsverhältnis entschieden. Aber wer weiss – vielleicht gründe ich ja noch einmal.
Schon eine Idee?
Wenn, dann soll es etwas Handfesteres sein als Beratung. Ein alter Traum von mir ist eine eigene Kaffeerösterei – aber davon gibt es in Zürich inzwischen schon einige gute.
Was raten Sie Menschen, die in Zürich gründen wollen?
Erstens: Überlegt euch gut, ob ihr wirklich Unternehmer sein wollt. Es ist ein harter Weg. Man muss bereit sein, viel zu arbeiten und Rückschläge auszuhalten. Zweitens: Nutzt die vorhandenen Beratungsangebote! Es gibt viele Möglichkeiten, Hilfe zu bekommen – sei es bei Ahead, BlueLion, KlimUp oder anderen Programmen. Sie machen den Einstieg sehr viel leichter.