Jeweils im Juni tanzen über 20 000 Personen durch Zürichs Strassen, trifft sich die queere Community und feiert bis in die Nacht. Julia A. Müller ist diejenige, bei der alle Fäden zusammenlaufen. Dennoch sitzt sie kurz vor der Zurich Pride völlig entspannt im Café in der Altstadt und sagt: «Wir sind super im Zeitplan. Im letzten Jahr war es einiges chaotischer.»
Vor einem Jahr fand das Zurich Pride Festival zum ersten Mal auf der Landiwiese und nicht auf dem Kasernenareal statt. Ein toller Ort, aber Neuland für die Organisation, wie Müller betont. Sie vergleicht die Situation mit einer Wohnungsübergabe: «Wir geben die Landiwiese wieder in dem Zustand ab, in dem wir sie von der Stadt bekommen.» Bei über 20 000 Festivalbesuchenden unter freiem Himmel ist der Aufwand für die Übergabe etwas höher als bei einer Vier-Zimmer-Wohnung.
Seelsorge gehört auch dazu
Der Aufwand rund um das jährlich stattfindende Festival ist der Grund, weshalb Julia A. Müller in ihrer Funktion am Bistrotisch sitzt. 2023 gab sich der Verein Zurich Pride Festival eine Geschäftsstelle. Weil pro Tag mindestens zehn Mails beantwortet werden müssen. Weil tagsüber viele Absprachen unter anderem mit Behörden stattfinden. Vorher arbeitete die Non-Profit-Organisation ehrenamtlich. Seit November 2023 ist Müller in einem 80-Prozent-Pensum als Geschäftsführerin für die Community da. «Ich mache ein bisschen alles. Seelsorge gehört auch dazu.»
Den Job sieht Müller wie für sie gemacht. Das Festival gehörte schon immer zu ihren Lieblingstagen. Wie ein Pride-Mami habe sie jeweils «friends and family» um sich geschart und den Besuch für alle organisiert. Ein bisschen übernehme sie diese Rolle bei der Arbeit nun wieder. Angefangen hat ihr Berufsleben allerdings mit einer KV-Lehre im Amt für Zusatzleistungen beim Sozialdepartement der Stadt Zürich. Über die Reisebranche führte ihr Weg danach zu Zürich Tourismus und jetzt zur Pride.
Die Community ist heterogen. Alle wollen akzeptiert werden, alle wünschen sich Respekt, Gleichberechtigung, Inklusion. Den Weg dahin sehen jedoch nicht alle gleich. Es gibt Spannungen zwischen den Generationen oder wegen unterschiedlicher politischer Ansichten. Müllers Ziel ist es, dass sich alle aus der queeren Community am Zurich Pride Festival wohlfühlen können, dass alle miteinander feiern, 2025 unter dem Motto «Gemeinsam für unsere Gesundheit».
Auch wie sich das Zurich Pride Festival gegen aussen präsentieren darf, ist einer der Diskussionspunkte in der Community. Einige sehen es kritisch, dass sie mit den Logos von Sponsor*innen in Erscheinung tritt. Nur: Ohne die gäbe es den Gratiseintritt für das Festivalgelände kaum.
Wie bei vielen Veranstaltungen ist das Sponsoring bei der Pride schwieriger geworden. Ein Thema sind deshalb die Kosten. Der Verein will laut Müller bei der Stadt ein Gesuch um Gebührenerlass stellen. Die Landiwiese ist erheblich teurer als das Kasernenareal. Extrazüge sind nötig, die Lage direkt am Seeufer ist organisatorisch komplizierter. Auf der anderen Seite braucht es neue Einnahmequellen. Zusätzliches Geld könnten Support-Bändeli oder Bezahl-Tickets bringen.
Dann gibt es da noch einen Erfolgsfaktor, den die Pride selber nicht beeinflussen kann: das Wetter. «Zwei Drittel unserer Einnahmen kommen von Bars und Marktständen», betont Müller. Idealerweise hat es deshalb am Pride-Wochenende 25 Grad, es ist leicht bewölkt und beständig. Das hebt die Stimmung und belebt das Shopping.
An der Pride Ausgabe 2025 waren es nun 30 Grad plus, bei strahlendem Sonnenschein. Kurz nach dem Festival haben wir nochmals Kontakt für ein erstes Fazit. Julia A. Müller tönt so positiv wie zwei Wochen zuvor. Viele Freunde und Bekannte gesehen, tolle Stimmung genossen und zwei absolute Highlights mit den Eurovision-Song-Contest-Stars Sissal aus Dänemark und Mirana Conte aus Malta erlebt. Alles in allem sei viel Schweiss und noch mehr Wasser geflossen.
Die Stadtentwicklung Zürich hat täglich mit vielen interessanten Menschen zu tun, die in Zürich etwas bewegen. In dieser Rubrik stellen wir sie unseren Leser*innen vor.