Traditionelle Städtepartnerschaften sind zeitlich und inhaltlich offen konzipiert. Stadtkooperationen mit Städten aus dem globalen Süden, wie sie die Stadtentwicklung Zürich im Rahmen der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) aufbaut, kennen dagegen einen thematischen Fokus und eine klare Dauer.
Sie beruhen auf der Zusammenarbeit der Verwaltungsebenen beider Städte, gestützt von der jeweiligen politischen Ebene, und fokussieren auf konkrete Projekte, die mit Hilfe eines externen Partners umgesetzt werden. Diese Verbindung zwischen der Wissensvermittlung und dem Aufbau von tragfähigen Strukturen in der Partnerstadt mit der Umsetzung konkreter Projekte, die der Bevölkerung spürbar und schnell zugutekommen, bedeutet Neuland in der Entwicklungszusammenarbeit. Aber Tatsache ist: In Städten machen sich die globalen und die lokalen Herausforderungen weltweit stets zuerst bemerkbar – vom Fachkräftemangel über die Klimafolgen bis zur Migration. Deshalb sind Städte am besten geeignet, andere Städte zu unterstützen: Sie wissen, worauf es ankommt.
Darauf beruhen die Stadtkooperationen. Als die Zürcher Stimmenden 2019 den Gegenvorschlag zur Initiative «Ein Prozent gegen die globale Armut» annahmen und beschlossen, die Beiträge der Entwicklungszusammenarbeit substanziell zu erhöhen, kam der Stadtentwicklung der Auftrag zu, die Initiative umzusetzen. Heute liegt der Beitrag der Stadt Zürich für die Internationale Zusammenarbeit bei rund zehn Millionen Franken pro Jahr.
Der Auftrag brachte organisatorische und inhaltliche Neuerungen. Zürich hatte sich zuvor seit Jahrzehnten engagiert, indem die Stadt Projektbeiträge an Schweizer NGOs sprach. Nun wurde die IZA im Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der UNO und den darin festgesetzten UNO-Nachhaltigkeitszielen neu aufgestellt. Zuständig sind heute die Aussenbeziehungen in der Stadtentwicklung.
Im Zug dieser Neuerungen wurden die Vergabemodalitäten revidiert und in drei Module aufgeteilt: Mit Projektbeiträgen unterstützt die Stadt weiterhin Entwicklungsprojekte von Schweizer NGO auf Gesuche hin. Mit Programmbeiträgen an neun Zürcher NGO, die von der DEZA für vierjährige Perioden mitfinanziert werden, stockt die STEZ Beiträge des Bundes auf. Mit dem neuen Instrument der Stadtkooperationen wird das Potenzial von Städten für Partner in der nachhaltigen Entwicklung gefördert – durch einen direkten Wissensaustausch, politischen Dialog und die Umsetzung gemeinsamer Projekte.
Stadtkooperationen folgen konkreten Zielen, sind zeitlich befristet und thematisch fokussiert. In Tyros in Libanon geht es etwa um nachhaltige Mobilität und Flüchtlingsaufnahme. Ernährungssicherheit steht sowohl in Cox Bazar, Bangladesch, als auch in Mbeya, Tansania, im Fokus. In Cali, Kolumbien, und in Boliviens Santa Cruz dreht sich die Zusammenarbeit um Abfallwirtschaft.
In Freetown soll mit dem Stadtzentrum ein wichtiger Begegnungsort der Bevölkerung erneuert werden. Am Delta des Sierra Leone River siedelten sich einst befreite Sklaven an. Ihr Wahrzeichen, der Cotton Tree, spannte mehr als 200 Jahre lang seine Krone über einen Platz. Vor zwei Jahren fällte ein Sturm den Kapokbaum.
Heute ist Freetown noch vom Bürgerkrieg (1991 bis 2002) gezeichnet. Die Innenstadt, einst kulturelles und wirtschaftliches Zentrum sowie Sitz vieler Regierungsbehörden, wirkt verlassen und gilt als unsicher. Firmen sind weggezogen oder lassen sich anderswo nieder. Viele Liegenschaften sind ungenutzt.
Unter der hohen Arbeitsmigration wächst der Druck auf die Stadt. Informelle Siedlungen breiten sich in der Nähe des Stadtzentrums aus. Behelfsmässig und unsicher gebaut, sind sie den Risiken von Naturereignissen wie Fluten und Erdrutschen ausgesetzt. In diesen Siedlungen mangelt es für die grosse Mehrheit an fast allem: an sauberem Wasser, an Abwassersystemen und Strom. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und die Armut weit verbreitet.
Die Wirtschaft in der Hafenstadt dreht sich um Finanzdienstleistungen und Transport, um Fischerei, Fischverarbeitung und Bootsbau. Doch die Infrastruktur ist überlastet und braucht Erneuerungen, um den Entwicklungen Rechnung zu tragen. Die Strassen sind in schlechtem Zustand, Ampeln und Strassenbeleuchtung fehlen vielerorts. Für Fussgänger*innen sind die Wege gefährlich. An Strassenständen betreiben Händlerinnen ihre Geschäfte. Weil offizielle Parkmöglichkeiten fehlen, werden auch sie informell organisiert.
Um das Stadtzentrum (Central Business District) sicherer und attraktiver zu gestalten, hat Freetown unter der Führung von Bürgermeisterin Yvonne Aki-Sawyer die Entwicklungsstrategie «Transform Freetown» erarbeitet. Darin sind Massnahmen für die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung des Stadtzentrums festlegt.
Die Stadtkooperation zwischen Zürich und Freetown trägt mit der Umsetzung von konkreten Projektvorhaben und dem Fachaustausch zu den Zielen dieser übergeordneten Strategie und damit zu Verbesserungen im Alltag für die gesamte Bevölkerung bei.
Die Zusammenarbeit zwischen Bürgermeisterin Yvonne Aki-Sawyer und Stadtpräsidentin Corine Mauch in einem internationalen Gremium von Bürgermeister*innen führte zur Gründung der Stadtkooperation.
Sie verfolgt zwei Ziele: einerseits attraktive öffentliche und begrünte Plätze zu schaffen, wo sich Einwohnerinnen und Besucher sicher fühlen und die sich auch für soziale und kulturelle Aktivitäten nutzen lassen. Andererseits soll die Sicherheit im Verkehr erhöht werden, wozu verbesserte Fussgängerzonen, mehr Strassenbeleuchtung und ein neues Parksystem vorgesehen sind.
Entscheidend für jede Stadtkooperation ist ihre Partner- und Umsetzungsorganisation. In Freetown konnte die auf Stadtentwicklung spezialisierte UNO-Organisation UN Habitat gewonnen werden. Sie ist in Freetown verankert und verfügt über hohes Fachwissen.
Visionen über urbane Erneuerung behandeln immer den Lebensraum von Menschen. In Freetown sind die Herausforderungen gross. Auf viele äussere Faktoren wie etwa nationale Interessen hat die Kooperation wenig Einfluss. Jetzt, da bereits mit der Umsetzung begonnen wurde, stellen sich mit besonderem Nachdruck Fragen: Wie bringt man die unterschiedlichen Bedürfnisse der Bevölkerung in Erfahrung? Wie wird man ihnen gerecht?
In diesen Fragen wird Partizipation grossgeschrieben. Die Stimmen in Freetown will man hören, die Menschen in den Prozess einbinden. Massnahmen sollen negative ökonomische, soziale und ökologische Auswirkungen abfedern.
Sowohl Gebäudeeigentümer als auch Menschen in prekären Verhältnissen bezieht man ein. Etwa will man informelle Strassenhändler und Parkwächter ansprechen, Personen ohne Obdach auf Einrichtungen hinweisen und Kinder über Sozialarbeitende an die kostenlose Schule bringen. Um Freetowns Zentrum sicherer und attraktiver zu gestalten, müssen manche etwas aufgeben, damit alle gewinnen.