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«Ich weiss nicht, was in zwei Tagen oder in zwei Monaten passiert»

Odessa – Riedbach – Paprika: In dieser Serie begleiten wir die Familie Dalakov(a). Sie alle lern(t)en und arbeit(et)en in der AOZ, um ihr Ziel zu erreichen: Ein unabhängiges Leben, ein eigenes Cateringbusiness und ein eigenes Café mit Tätowierstuhl. In Teil 2 besuchen wir Daria Dalakova im Restaurant Paprika.

Daria Dalakova im Restaurant Paprika

Ein Dienstagnachmittag im Paprika. Es ist besonders ruhig, da Sportferien sind, Deep Purple singen aus den Boxen «Black Night». Nach einer kurzen Zigaretten-Pause ihrerseits und einer leckeren äthiopischen Lasagne meinerseits starten wir das Gespräch.

Neustart in der Schweiz

2022 flüchtet Daria «Dasha» Dalakova mit ihrer Mutter Ksenia und ihrer Schwester Nika über Bulgarien in die Schweiz: «Kurz nach der Ankunft in Bern konnten wir zu einem Mann nach Steinmaur ziehen, der genug Platz in seinem Haus hatte. Er war sehr nett und hat uns viel gezeigt und geholfen, uns zurechtzufinden.» Sie hätten immer zusammen zu Abend gegessen, auch heute bestünde der Kontakt zu ihm noch. Trotzdem sei das Ankommen schwer gewesen, erzählt sie. Der Krieg habe sie aus ihrem Leben gerissen. Ihren Freundeskreis, die Ausbildung zur Tätowiererin, ihre Stelle als Serviceangestellte und Barkeeperin im Café des Museums für Wissenschaft – das alles muss die damals 18-jährige zurücklassen. Für ihre Schwester ist es einfacher. Sie wird eingeschult und kann sich schneller integrieren. Dasha lernt mit der Mutter Deutsch und wird beim RAV angemeldet.

Im Dezember 2022 reist sie zurück in die Ukraine: «Die Familie und Freundinnen zu sehen war sehr schön. Aber viele sind auch geflüchtet oder mussten in den Militärdienst. Das Museum wurde von einer Rakete zerstört, ein trauriger Anblick.» Dieser Besuch hilft ihr zu verstehen, warum die Flucht richtig war und dass ein Leben in der Schweiz ihr eine Zukunftsperspektive bietet. Mittlerweilen hat sie in der Schweiz Fuss gefasst. Sie hat neue Freundschaften geschlossen, eine Ausbildung begonnen und mit der Ankunft von Vater Andrii ist auch die Familie endlich wieder zusammen.

Arbeitsalltag im Restaurant Paprika

Ihre Ausbildung zur Restaurationsfachfrau absolviert Dasha im Paprika, einem Ausbildungsbetrieb der AOZ: «Meine Sozialarbeiterin nahm mich mit an ein Fest ins Paprika als meine Mutter hier den Gastrokurs absolvierte», erzählt sie, «ihr habe ich die Lehre zu verdanken». Auch ihre Eltern seien über die Sozialarbeiterin auf den Gastro-Kurs aufmerksam gemacht geworden.

Während Dasha erzählt, setzt sich ihre Vorgesetzte Sevil Colakoglu dazu. «Sie hat viel Potential, saugt alles auf wie ein Schwamm, sie ist sehr gescheit und talentiert.», schwärmt Sevil, «Manchmal muss ich sie etwas pushen und bei den Hausaufgaben unterstützen. Die Welt und der Markt draussen sind hart, deshalb bin ich auch streng.» Für Sevil hat oberste Priorität, ihre Schützlinge mit Werkzeugen auszurüsten, damit sie auch nach dem Paprika zurechtkommen.

Obwohl ihre Chefin streng ist, schätzt Dasha das Verhältnis zu ihren Vorgesetzten und die Atmosphäre im Team. Sie unterhält sich gerne mit ihren Kolleg*innen. Das sei interessant und helfe, ihr Deutsch zu üben. Am liebsten arbeite sie, wenn viele Gäste im Lokal sind. Sie mag es, wenn etwas läuft. Auch die Schule falle ihr leicht: «In der Ukraine waren Fächer wie Mathematik, Chemie und Physik anspruchsvoller.», schmunzelt sie.

Auf Fragen nach ihrer Zukunft zuckt sie mit den Schultern: «Ich weiss nicht, was in zwei Tagen oder in zwei Monaten passiert. Wenn ich es fühle, dann mache ich es». Das Erlebnis, der Schock, der schnelle Wegzug haben bei Daria Spuren hinterlassen. Sie ist vorsichtig mit Planen und Träumen. Im Moment zu leben, ist ihre Devise. Und trotzdem, ganz von Zukunftswünschen verabschieden, kann sie sich nicht: «Wenn ich die Lehre im Paprika 2027 beende, möchte ich ein eigenes kleines Café im Vintage-Stil eröffnen, am liebsten im Sowjet-Retro-Style». Und im Hinterkämmerchen würde sie tätowieren.

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