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Können sich Frauen oder Männer besser um Kinder kümmern?

23. Juli 2015 - Klemens Rosin, Shelley Berlowitz

Die Stadt Zürich hat sich in den letzten Jahren zu einer Familienstadt entwickelt: Ende 2014 war mehr als jede zwanzigste Person in Zürich unter fünf Jahre alt. Wer kann sich besser um die jüngsten Zürcherinnen und Zürcher kümmern, Frauen oder Männer? Diese Frage wurde in der thematischen Erhebung Familien und Generationen des Bundesamtes für Statistik gestellt.

Die Mehrheit der Zürcherinnen und Zürcher vertraut den Vätern bei der Kinderbetreuung

In der Stadt Zürich finden 58 Prozent, dass Frauen und Männer gleich gut kleine Kinder betreuen können. In der gesamten Schweiz teilen anteilsmässig etwas weniger Menschen dieses egalitäre Rollenbild. Allerdings glauben mehr als 34 Prozent der Zürcherinnen und Zürcher, dass Frauen für diese Aufgabe eher geeignet sind als Männer. Knapp 8 Prozent sind der Auffassung, dass Frauen eindeutig besser kleine Kinder betreuen können als Männer. Sowohl in der Stadt Zürich als auch in der gesamten Schweiz ist weniger als ein Prozent der Meinung, dass dies Männer eher oder eindeutig besser können als Frauen. 

Grafik 1: Rollenbilder zum Thema Kinderbetreuung.

Je jünger desto eher trauen Männer den Vätern die Kinderbetreuung zu

Das Rollenverständnis hängt wesentlich vom Alter ab: Je jünger desto egalitärer, je älter desto traditioneller. Beim Thema Kinderbetreuung ist dieses Muster bei Männern noch ausgeprägter als bei Frauen (Grafik 2): Von den 20- bis 39-jährigen Männern finden zwei Drittel, dass sich Frauen und Männer gleich gut um kleine Kinder kümmern können – das sind gleich viele wie bei den gleichaltrigen Frauen. Bei den 60- bis 79-Jährigen sieht es anders aus: Bloss ein Drittel dieser Männer ist der Meinung, dass das Geschlecht bei der Kinderbetreuung keine Rolle spielt – während von den Frauen der gleichen Alterskategorie fast doppelt so viele ein egalitäreres Rollenverständnis haben.

Bei den 20- bis 39-Jährigen sind in der Stadt Zürich also kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern vorhanden: Bei beiden Geschlechtern weisen etwa zwei Drittel ein egalitäres Rollenbild auf. In der Stadt Zürich befinden sich die Rollenverständnis-Unterschiede zwischen den Geschlechtern offensichtlich im Wandel. In der gesamten Schweiz ist diesbezüglich ein anderer Trend festzustellen als in der Stadt Zürich: Schweizweit ist in allen Altersklassen bei Männern der Anteil mit egalitären Rollenbildern bezüglich Kinderbetreuung geringer als derjenige der Frauen. 

Grafik 2: Anteile mit egalitärem Rollenbild bezüglich Betreuung kleiner Kinder, nach Geschlecht und Altersklasse

Kinderlose deutlich egalitärer eingestellt

Eine Auswertung der Einstellungen der Erwachsenen mit Kindern und solchen ohne Kinder zeigt Bemerkenswertes auf: Fast zwei Drittel der Kinderlosen in der Stadt Zürich haben ein egalitäres Rollenbild bezüglich Kinderbetreuung. Bei den Zürcherinnen und Zürchern mit Kindern ist das nur etwa bei der Hälfte der Fall. Dabei sind Ursache und Wirkung nicht klar: Haben Personen mit traditionellem Rollenverständnis häufiger Kinder, auch weil es bei einer klassischen Familie «dazugehört» Kinder zu haben? Oder prägen die persönlichen Erfahrungen bezüglich der Aufteilung der Kinderbetreuung das Rollenbild? Mit den Worten von Georg Jellinek: Kommt hier die «normative Kraft des Faktischen» zum Tragen? In Deutschland wurde festgestellt, dass Mütter seltener und Väter häufiger arbeiten als Kinderlose, was sich auf die Aufgabenteilung bei der Kinderbetreuung auswirkt.

Die Unterschiede der Rollenbilder zwischen Erwachsenen mit und ohne Kinder sind ausgeprägter, je älter die Befragten sind: Die 60- bis 79-jährigen Kinderlosen haben deutlich häufiger (57 %) egalitäre Rollenbilder als diejenigen mit Kindern (38 %). Bei den 20- bis 39-Jährigen sind die Differenzen zwischen Kinderlosen (66 % mit egalitärem Rollenbild) und Eltern von Kindern (61 %) klar geringer.

Egalitäres Rollenbild wird bloss von einem Drittel der Familien umgesetzt

Wie gut lässt sich ein Rollenbild im Alltag umsetzen? Um diese Frage zu beantworten, wurden bei den gemischtgeschlechtlichen Zürcher Familien mit 0- bis 12-jährigen Kindern Soll (Rollenbild bezüglich Kinderbetreuung) mit Ist (wer bleibt hauptsächlich zu Hause, wenn die Kinder krank sind?) verglichen.

Von den Familien mit egalitärem Rollenbild bleiben nur bei einem Drittel beide Elternteile etwa gleich oft zu Hause, wenn Kinder krank sind (Grafik 3); das heisst bloss eine von drei Familien hat ihr egalitäres Rollenverständnis im Alltag umgesetzt. Bei mehr als der Hälfte betreut trotz egalitärem Rollenbild hauptsächlich die Mutter die Kinder, wenn diese krank sind. Es kommt nur selten vor, dass hauptsächlich die Väter diese Aufgabe übernehmen (Kategorie «weiteres» in Grafik 3).

Vier von fünf Familien mit traditionellem Rollenverständnis haben ihre Vorstellung in der Realität auch umgesetzt; sprich bei Krankheit der Kinder bleibt vor allem die Mutter zu Hause. Fazit: Familien mit egalitären Rollenbildern bezüglich Kinderbetreuung teilen diese gleichmässiger zwischen Mutter und Vater auf als die Familien mit traditionellen Rollenbildern; aber nur eine Minderheit derjenigen mit egalitären Rollenbildern setzt ihr Idealbild im Alltag um.

Grafik 3: Umsetzung Rollenbilder zur Kinderbetreuung, Eltern von 0- bis 12-Jährigen

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