Welche Bauweise ermöglicht günstigere Mieten – Hochbau oder Flachbau? Diese Frage stand Ende der 1920er-Jahre im Zentrum wohnungspolitischer Überlegungen in Zürich. Zwei parallel realisierte Siedlungen sollten Aufschluss geben: die mittlerweile ersetzte Reihenhaussiedlung Utohof und der «Erismannhof» in Aussersihl. Das Ergebnis fiel differenziert aus: Die Mietbelastungen waren vergleichbar – sofern man im «Utohof» den Ertrag der Hausgärten als zusätzliche Einkommensquelle berücksichtigte.
Ursprünglich in hell- und dunkelgrauen Streifen gehalten, leuchten die fünfgeschossigen Häuser seit der Renovation von 1989 bis 1991 in einem warmen Gelb, das weithin sichtbar ist. Die gestreifte Farbgebung, markante Mauerstreben, Gurtgesimse und Dreiecksmotive verleihen den balkonlosen Fassaden einen eigenständigen Charakter.
Fünf Baukörper folgen den Strassen und formen so einen offenen Hofraum – kein geschlossener Block mehr, aber auch noch keine vollständige Zeilenstruktur. Die Architekten Kündig & Oetiker schufen damit ein Zwischenstadium der Wohnbaugeschichte. Elegante Portale zwischen den Häuserzeilen markieren die Eingänge in den Innenhof.
Das Zentrum jeder der 170 Wohnungen bildet das Wohnzimmer mit seinem Kachelofen, der nach wie vor als Hauptwärmequelle genutzt wird. Das benötigte Holz lagern die Bewohnenden im eigenen Kellerabteil. Holzverkleidete Wände und Decken, Riemenböden und Ofenwärme verleihen den Räumen eine warme, wohnliche Atmosphäre.
Die Wohn- und Schlafräume sind mehrheitlich nach der Sonne ausgerichtet. Abhängig von der Gebäudeanordnung richten sie sich entweder zur Strasse oder zum ruhigeren Innenhof. Im Rahmen der Renovation wurden die ursprünglichen Küchenloggien – kleine, nach vorne offene Aussenflächen – zu kompakten Badezimmern mit Dusche umgebaut. Die vormals gemeinschaftlich genutzten Kellerbäder dienen seither der zentralen Warmwasseraufbereitung.
Ein integrierter Doppelkindergarten ergänzt das Raumangebot und trägt zur Familienfreundlichkeit der Siedlung bei.
Der Hof ist das grüne Herz der Siedlung. Hüfthohe Natursteinmauern gliedern verschiedene Bereiche: die zentrale Spielwiese und den Bereich um den Kindergarten. Die zusätzlich mit Baumreihen umrandete Spielwiese wirkt wie ein Hof im Hof.
Im Frühling wird der Hof zu etwas ganz Besonderem: Blühenden japanische Kirschbäume tauchen ihn in ein zartes Rosa und bilden mit dem gelben Hintergrund der Fassaden einen anmutigen Farbklang.
Die Wohnsiedlung liegt zwischen Helvetiaplatz und Bullingerplatz – eingebettet in ein vielfältiges Umfeld mit Einkaufsmöglichkeiten, Grünräumen und öffentlichen Einrichtungen. Die Ladenpassage Lochergut, die «Bäcki» sowie mehrere Schulhäuser sind – wie der Innenhof – Fixpunkte im Alltag der Bewohnenden.
Die Haltestellen Güterbahnhof in der Hohlstrasse und Lochergut binden die Siedlung an das städtische Verkehrsnetz an. Die S-Bahnhöfe Hardbrücke und Wiedikon bieten zudem eine schnelle Anbindung an die gesamte Region.
Der «Erismannhof» steht für Nachhaltigkeit – lange bevor das Thema in den öffentlichen Fokus rückte. Die zahlreichen 3-Zimmer-Wohnungen bieten bis heute vielen Familien und Paaren mit kleinem Einkommen ein bezahlbares Zuhause. Die Bausubstanz hat fast ein Jahrhundert überstanden und wurde laufend instandgehalten – ohne Abriss.
Die kompakte Bauweise trägt zur Energieeffizienz bei; die Kachelöfen werden nach wie vor mit nachwachsendem Holz beheizt – CO₂-neutral und unabhängig. Im Zuge einer künftigen Gesamtsanierung ist der Anschluss an den Wärmeverbund der benachbarten Wohnsiedlung Lochergut vorgesehen.
- Baujahr 1926–1928
- Architektur Kündig & Oetiker
- Instandsetzungen Fassaden und Fenster, Einbau von Duschen in Küchenloggien, Warmwasser und Gasherde (1989–1991), Projekt: B. Winkler
- Raumprogramm 170 Wohnungen, Doppelkindergarten
- Mietzinse Kostenmiete (freitragend und subventioniert)
- Adresse Erismannhof 2–6, Seebahnstrasse 251–265, Stauffacherstrasse 196–198, 8004 Zürich