
Wer heute durch die Wohnsiedlung Limmat II spaziert, ahnt kaum, dass hier einst eine der grössten Industrieanlagen der Stadt stand. Wo heute Kinder spielen und Balkonpflanzen blühen, zischten früher Gasflammen und rauchten Schornsteine. Doch was geschah mit dem Gelände nach der Stilllegung des Gaswerks 1898? Und wie wurde aus einer verlassenen Industriebrache ein visionäres Wohnprojekt, das dem Quartier neues Leben einhauchte?
Wie die Finger einer Hand erstrecken sich vier markante Gebäudezeilen vom verkehrsreichen Sihlquai in Richtung Limmatstrasse. Das längliche Gebäude entlang des Sihlquais bildet dabei einen schützenden Rücken gegen den Verkehrslärm. Die Fassaden in erdigen Tönen, aufgelockert durch frische Pastellfarben, spiegeln den Zeitgeist der 1980er-Jahre wider und verleihen der Siedlung einen eigenen Charakter.
Die asbestfreie Verkleidung aus Faserzement («Eternit») umhüllt die Aussenisolierung und schafft zusammen mit den sparsam dimensionierten Fenstern eine energieeffiziente Gebäudehülle. Architektonisch clever gelöst: Die Zwischenräume der Gebäudezeilen wurden als geschützte Gartenhöfe gestaltet, während der mittlere Bereich als Erschliessungsgasse dient.
Mit 146 Wohnungen bietet «Limmat II» ein vielfältiges Wohnangebot – von 1,5-Zimmer-Wohnungen bis zu 5,5-Zimmer-Maisonettes sowie einer speziell konzipierten Grosswohnung für Menschen mit Behinderung. Alle Wohnungen verfügen über private Aussenräume wie Gartensitzplätze, Balkone oder Dachterrassen und sind mindestens zweiseitig orientiert.
In den zweigeschossigen Maisonettes befinden sich Küche, Ess- und Wohnbereich im unteren Stockwerk, während oben die Schlafräume liegen – eine klare Trennung zwischen gemeinschaftlichen und privaten Bereichen.
«Limmat II» ist mehr als ein Wohnkomplex: Zwei Kindergärten, ein Kinderhort, das Kreisbüro 5, ein Altersheim mit Alterssiedlung sowie Gewerbeflächen mit Apotheke, Arztpraxis und Ateliers machen die Überbauung zu einem lebendigen Mikrokosmos.
Jede Gebäudezeile umfasst vier bis fünf Mehrfamilienhäuser, deren Treppenhäuser im Erdgeschoss durch eine durchgängige Eingangs- und Spielhalle verbunden sind. Ein Laubengang – ein überdachter, offener Verbindungsgang – im dritten Obergeschoss verknüpft die Treppenhäuser, sodass alle Bewohnenden bequem den Lift erreichen. Diese Wegführung fördert Begegnungen und stärkt das Gemeinschaftsgefühl.
Die grünen Innenhöfe bieten geschützte Freiräume für alle Generationen. Niedrige Anbauten zur Limmatstrasse schirmen sie vom Strassenlärm ab und beherbergen Gewerbeflächen. Eine zentrale Gasse verbindet die Limmatstrasse mit dem Altersheim, der Cafeteria und dem Kreisgebäude. Sie wird von einer Drachenskulptur markiert, die auf den Namen «Limmat» anspielt, abgeleitet vom althochdeutschen Begriff für «der grosse Drache».
Die Bewohnerschaft profitiert von einer hervorragenden Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Die Wohnsiedlung liegt direkt an der Tramhaltestelle Quellenstrasse, zwischen den Verkehrsknotenpunkten Limmatplatz und Escher-Wyss-Platz. Das Industriequartier bietet eine ausgezeichnete Infrastruktur mit Schulen und Einkaufsmöglichkeiten in direkter Nähe. Erholungsräume entlang der Limmat, darunter die Flussbadis Oberer und Unterer Letten sowie die Grünanlage Josefswiese, sorgen für zusätzliche Freizeitqualität.
Die Wohnsiedlung setzte 1983 ökologische Massstäbe im städtischen Wohnungsbau: Gute Aussenisolierung und angepasste Fenstergrössen reduzierten den Energieverbrauch erheblich. Erstmals wurde die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung eingeführt – ein ökologischer Vorstoss seiner Zeit. Die Tiefgarage für 202 Autos und 52 Motorräder entlastete den Strassenraum und schuf Platz für Grünflächen und Begegnungszonen.
- Baujahr 1983–1985
- Architektur Bolliger, Hönger, Dubach
- Künstlerische Gestaltung Peter Meister
- Raumprogramm 146 Wohnungen, 2 Kindergärten, 1 Kinderhort, Atelier, Apotheke, Arztpraxis, Spitexzentrum, Tiefgarage für 202 Autos und 52 Motorräder
- Mietzinse Kostenmiete (freitragend und subventioniert)
- Adresse Fabrikstrasse 5–7, Limmatstrasse 180–184, 8005 Zürich