Im Zentrum von Pascal Schwaighofers künstlerischen Arbeiten stehen Reibungen und Widersprüche. Besonders die im westlichen Denken tief verankerte Kluft zwischen Natur und Kultur ist ein zentraler Punkt seiner Auseinandersetzung. Der Künstler entwirft ästhetische Formen der Reflexion, die die Spannungen einer umweltbewussten Lebensweise spürbar machen, ohne Antworten zu bieten. Er beschreibt diesen Ansatz, der sich dem Versprechen einer Problemlösung widersetzt, als eine «ökokritische Begegnung mit der Negativität» (in Negative Life: The Cinema of Extinction, 2024).
Aus einem breiten literarischen, wissenschaftlichen und philosophischen Fundus sowie aus technisch anspruchsvollen Arbeitsprozessen entwickelt er Skulpturen sowie filmische und performative Arbeiten. Sie vermitteln Denkanstösse und Ideen, um das Verhältnis zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem angesichts der heutigen ökologischen und gesellschaftlichen Krisen zu überdenken, und sie formulieren eine Gegenerzählung zum anthropozentrischen und kolonialen Paradigma.
Für das Kunst-und-Bau-Projekt «Water Bodies» im Amtshaus Walche liess sich der Künstler von der unmittelbaren Nähe des Gebäudes zur Limmat – einer der wichtigsten Wasseradern Zürichs – inspirieren. Die Installation, die sich über drei Lichthöfe des Gebäudes erstreckt, evoziert mit ihren aus Glas gefertigten, schwebenden Elementen die visuelle Wirkung eines überdimensionierten Mobiles.
Die Hydrografie bzw. Kartierung der Zürcher Gewässer – namentlich etwa Schanze, Limmat und Sihl – diente ihm als formales Ausgangsmaterial für die skulpturale Intervention: Jeder menschliche Eingriff – Brücken, Inseln, Infrastrukturprojekte – wurde als Bruch im freien Flusslauf gelesen, aus dem sich die Form der einzelnen Elemente ableitet. So könnte man, bei ausreichender Kenntnis der städtischen Hydrografie, zum Beispiel ein Glasstück erkennen, das den Abschnitt der Limmat zwischen der Quaibrücke und der Münsterbrücke darstellt. Dutzenden solcher Stücke bilden in der Installation von Schwaighofer die Flüsse Zürichs im Massstab 1:17.5 nach – in grünlich changierendem Licht drehen sie sich langsam in den Lichthöfen, fremde und fragmentierte Körper, deren Bedeutung sich dem Auge kaum erschliessen kann.
Die ortsspezifische Arbeit ist aus einer präzisen Recherche über die historische, soziale, politische und ökonomische Bedeutung des Wassers für die lokale Stadtentwicklung entstanden. Historisch und aus menschlicher Perspektive betrachtet, lässt sich die Beziehung der Stadt Zürich zum Wasser in drei Phasen einteilen: Abhängigkeit, Eigennützigkeit und Schutz. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dienten die Flüsse nicht nur der Wasserversorgung und Energiegewinnung für die Stadt, sondern auch der Abfallentsorgung. Erst ab dem 20. Jahrhundert, nach einer sogenannten Kloakenreform und der Einführung eines neuen Abfuhrwesens, konnten die Gewässer Zürichs als Naherholungsgebiete erschlossen werden. Betrachtet man die städtebauliche Entwicklung der Stadt während der letzten drei Jahrhunderte, verfestigt sich der Eindruck, dass die Umwelt zunehmend als formbarer Gegenstand verstanden wurde. Forschung und Umweltschutz haben in jüngerer Zeit ein ökologisches Umdenken bewirkt, das zuletzt auch in Zürich zu einer achtsameren Umweltpolitik führte.
Mit der Arbeit «Water Bodies» hinterfragt Pascal Schwaighofer die Vorstellung, wonach der städtische Flussraum das Ergebnis einer Symbiose zwischen Mensch und Wasser sei. Die Idee der Symbiose vermittelt oftmals das naive Bild eines harmonischen Zusammenlebens zwischen menschlichen Gesellschaften und der Natur. Das Verhältnis zwischen Menschlichem und Nicht-Menschlichem bleibt jedoch von unüberwindbaren Widersprüchen geprägt; auf diese macht der Künstler in seinem Werk aufmerksam.
Er weist mit seiner Arbeit darauf hin, dass der Mensch zwar das Wasser braucht, um zu überleben – das Wasser aber nicht den Menschen, auch seine Kläranlagen und Kanalisationen, Kraftwerke und Kunstinterventionen nicht – also alles, was in dem Mobile gewissermassen ausgespart ist.
Die Unzulänglichkeit des Konzepts der Symbiose manifestiert sich in der Arbeit Schwaighofers auch in der Diskrepanz zwischen dem fluiden Charakter des Dargestellten (des Flusses) und dem fragmentarischen Charakter der Darstellung (der Objektteile). Das Material des Werks erlaubt zudem weitere Rückschlüsse auf inhärente Konflikte: Glas wird aus Sand hergestellt – es benötigt also einen der weltweit am stärksten abgebauten Rohstoffe. Sand wird zum Teil aus Flussbetten geholt …
Zwischen Imposanz und Fragilität, zwischen Leichtigkeit und Schwere, oszillieren die schwebenden Objekte im Lichtraum. Mit ihrer Kostbarkeit und latenten Gefährlichkeit (sie könnten ja theoretisch auch herunterfallen) symbolisieren sie die Zerbrechlichkeit urbaner Ökosysteme. Pascal Schwaighofer fordert eine Sichtweise jenseits des Anthropozentrischen. Er lädt dazu ein, die Lebensräume, auf die die Objekte verweisen, als autonome, fliessende Körper zu betrachten: Wasserkörper – «Water Bodies» – wie der Titel sagt.
Text: Irene Grillo