
In jüngerer Zeit haben diverse Bautätigkeiten im Zürcher Fraumünsterquartier zu neuen archäologischen Aufschlüssen geführt. Die grosse Menge an dokumentierten Befunden und geborgenen Funden bietet die Möglichkeit, ein bisher wenig erforschtes Altstadtgebiet archäologisch zu lesen und seine Entwicklung von der Frühzeit bis ins Spätmittelalter neu zu erzählen. Die dreibändige Publikation einer gross angelegten Auswertung ist in Vorbereitung.
Bereits in den Jahren 1977/78 fanden Ausgrabungen auf dem Münsterhof statt, deren Publikation 1982 zu einem Meilenstein der damaligen Mittelalterarchäologie wurde. Während sich die damaligen Grabungen auf der Nordseite des Platzes konzentrierten, befindet sich der Schwerpunkt der jüngeren Aufschlüsse auf der Südseite des Platzes (Neugestaltung Münsterhof 2015/2016) und entlang des Fraumünsters. Die umfassenden Werkleitungssanierungen von 2013/14 boten einen archäologischen Querschnitt vom Münsterhof bis zur heutigen Börsenstrasse.
Das heutige Stadthausquartier südlich des Münsterhofs wurde zwischen 1836 und 1900 grundlegend erneuert. Das ehemalige, weitgehend mittelalterliche Kratzquartier ist zu diesem Zweck grossflächig und gänzlich abgebrochen worden. Die Frage nach der Entstehung und Entwicklung des Kratzquartiers steht im aktuellen Auswertungsprojekt im Vordergrund. Sie führt von den natürlichen und topographischen Gegebenheiten des Geländes, über die Zeit der Römer bis ins Mittelalter. Das von seiner Lage am Wasser geprägte Quartier beherbergte im Frühmittelalter hochspezialisiertes Handwerk und wurde ab karolingischer Zeit Standort eines mächtigen Frauenklosters, das in den folgenden Jahrhunderten zum Mittelpunkt eines aufstrebenden Stadtteils wurde.