
Die Stadtarchäologie untersuchte die historische Bausubstanz des Gebäudes und die im Boden unter dem Kinosaal erhaltenen Siedlungsreste.
Die Liegenschaft Mühlegasse 5 geht im Kern auf drei eigenständige mittelalterliche Gebäude zurück. In der Regel waren die Häuser in der Hand von Müllersleuten oder wurden von solchen bewohnt.
Der Wohlstand der Bewohnerschaft kommt durch einige gehobene Ausstattungselemente der Innenräume zum Ausdruck. Mühlen befanden sich ganz in der Nähe. In der Verlängerung der Mühlegasse ragte – ungefähr an der Stelle der heutigen Rudolph-Brun-Brücke – der Obere Mühlesteg mit einer Reihe von Mühlen mit Wasserrädern in die Limmat.
Der Kinosaal – 101 Jahre Kino Radium
1907 entstand an der Mühlegasse 5 das Kino Radium. Um einen angemessenen Kinosaal zu gewinnen, entfernte man das Deckengebälk des bis anhin als Laden genutzten Raumes im Erdgeschoss und mauerte die Fensteröffnungen zu. Das «Radium» blieb bis 2008 in Betrieb. Ein in diesem Jahr unter dem Dachvorsprung gefundener Stapel alter Filmplakate führt zu den Anfängen eines der ersten «Kinematographen-Theaters» der Stadt zurück.
Ein Team der Stadtarchäologie legte im Erdgeschoss die Reste von älteren Bauten aus dem Mittelalter frei. Einfache Steinmauern, Lehm- und Holzböden, Fachwerkwände auf Schwellbalken und Feuerstellen konnten auf relativ grosser Fläche dokumentiert werden. Der Stadtteil Niederdorf taucht im 12. Jahrhundert als «inferior villa» (niederes Dorf) in den Schriftquellen auf. Durch die Grabung konnten noch ältere Siedlungsreste erfasst werden.
Bei der Grabungsauswertung konnte der Archäologe Christoph Rösch 14 Siedlungs- bzw. Bauphasen vom 9. bis 18. Jahrhundert herausarbeiten. In der Publikation thematisiert werden die Parzellierung im Rahmen der mittelalterlichen Stadtplanung, das Aufkommen bzw. Fortleben des Steinbaus im Mittelalter sowie die Frage nach den «dörflichen» Anfängen des «Niederen Dorfes». Das aus den Schichten geborgene Fundmaterial (Keramik, Lavez, Metall, Glas, Stein) umfasst wichtige Referenzkomplexe für künftige Untersuchungen. Der numismatische Beitrag von Benedikt Zäch ist den Fundmünzen gewidmet, deren älteste kurz nach 1100 in Ungarn geprägt worden war.
Auf der Grundlage der Grabungsauswertung untersuchte die Archäozoologin Elisabeth Marti-Grädel die Tierknochen der Siedlungsphasen 1 bis 3, die als Schlacht- und Speiseabfälle in den Boden gelangt waren. Eine wichtige Rolle spielten in der Stadt der Zeit um 900 bis ins 11. Jahrhundert das Halten und die Nutzung von Kleinvieh (Schaf, Ziege), der am stärksten vertretenen Tiergruppe. Interessant ist der Vergleich mit anderen Fundstellen in der Stadt: So gelangten am «vornehmen» Münsterhof häufiger Knochen von Wild oder Geflügel in den Boden, Indikatoren für einen exquisiteren Fleischkonsum.