1993 hat der Stadtrat den Bestand der Staatsschutzakten dem Stadtarchiv Zürich übergeben. Er zeigt einerseits, wie schwierig die Balance zwischen legitimem Staatsschutz und reinem «Schnüffelstaat» ist, und welche Auswirkungen fehlende politische Kontrolle hat. Andererseits sind diese Unterlagen inhaltlich von hervorragender Bedeutung, obwohl viele Informationen alles andere als zuverlässig sind.
Der Bestand der Politischen Polizei im Stadtarchiv Zürich umfasst rund 1'300 Schachteln Akten. Diese wurden hauptsächlich vom Kriminalkommissariat III der Stadtpolizei Zürich zusammengetragen. Die erste Registratur umfasst die Akten von 1934 bis 1964. Hauptschwergewichte sind bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges die Aktivitäten der Nationalsozialisten und Frontisten in Zürich, im kurz darauf beginnenden Kalten Krieg die Kommunisten.
Besonders interessant sind die Dokumente, die der Polizei im Mai 1945 – nach dem Verbot der nazi-deutschen Organisationen und der Ausweisung der Exponenten der Deutschen Kolonie – in die Hände fielen. Diese Verhörprotokolle sowie das reiche Bild- und Druckmaterial sind für die historische Forschung enorm wichtig. Die Überwachung der Zürcher Kommunisten zeigt, wie neue technische Mittel zur Abhörung von geschlossenen Versammlungen in Wirtshaussälen oder zum Anzapfen der Telefonleitungen des Parteisekretariates der Partei der Arbeit (PdA) benutzt wurden.
Die zweite Registratur enthält die Informationen von 1964 bis zum Fichenskandal 1989 – sie umfasst ca. 55'000 Fichen. Standen anfänglich noch die Genossen der PdA im Fokus des Interesses, so weitete sich dieser ab 1970 auf die Gruppierungen der Neuen Linken wie die Fortschrittlichen Arbeiter, die Progressiven Organisationen POCH oder die Revolutionären Marxistischen Liga RML aus. Den Höhepunkt ihrer Sammelaktivität hatte die Politische Polizei allerdings zur Zeit der Jugendbewegung der 80er-Jahre. So kam auch eine hervorragende Sammlung von Flugblättern ins Stadtarchiv Zürich.
Der Bestand der Staatsschutzakten ist für die Geschichtsschreibung von grosser Bedeutung. Er stellt Forscher*innen jedoch auch vor besondere Herausforderungen: die vielen Fehler, Unvollständigkeiten und Einseitigkeiten verlangen eine kontinuierliche Überprüfung, sorgfältige Hinterfragung und eine Abstützung auf weitere Quellen. Erst auf diese Weise erschliessen sich neben den historischen Vorgängen auch spannende und aufwühlende Einsichten in die Mentalitätswelten des 20. Jahrhunderts.
Bei den Staatsschutzakten handelt es sich zum grössten Teil um Personenakten; ist die Privatsphäre einer Person betroffen, sind die Akten erst 30 Jahre nach deren Tod zugänglich. Für die Forschung können sie jedoch unter bestimmten Auflagen zugänglich gemacht werden. Das Gesetz schreibt dem Archiv vor, in jedem Fall eine Güterabwägung zwischen den Geheimhaltungsinteressen und dem öffentlichen oder privaten Interessen an der Einsicht von Akten vorzunehmen. Für Akteneinsichtsgesuche können Sie mit dem untenstehenden Kontaktformular bei uns melden.
Der Bestand in unserem Archivkatalog.
Text von Nicola Behrens und Anna Pia Maissen
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