Kunst und Bau in Zürichs «Neuem Norden»
Der Norden Zürichs mit den Stadtkreisen Schwamendingen, Oerlikon und Seebach steht dieses Jahr im Fokus der grossen Sommerausstellung der Arbeitsgruppe Kunst im öffentlichen Raum KiöR. Das Wachstum in diesen Gebieten brachte in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zahlreiche Bauvorhaben für die Stadt mit sich, bei denen interessante Projekte der Fachstelle Kunst und Bau des Amts für Hochbauten realisiert werden konnten. Auf einem kleinen Spaziergang haben wir drei davon besucht. Die Wahl fiel auf das Schulhaus Apfelbaum, das Zentrum Dorflinde und das Tramdepot Oerlikon.
Schulhaus Apfelbaum
Das Schulhaus Apfelbaum wurde Anfang der 2000er-Jahre saniert und erweitert. Zwei Künstler konnten eine Kunst-und-Bau-Arbeit beitragen. Peter Bavieras «Einmaleins» (2004) besteht aus Multiplikationsreihen, die in die Glasplatten des Pausenplatzes eingeätzt sind. Die Zahlen sind in einer vom Künstler eigens entwickelten, systematischen Form dargestellt, die auf Rasterpunkten aufgebaut ist. Die Schulkinder haben so gewissermassen einen enormen Rechenschieber unter freiem Himmel zur Verfügung, der sich für allerlei Spiele, aber auch zahlentheoretische Überlegungen anbietet.
«Stefan, sprechen Bäume miteinander?»: Daniele Buettis Werk arbeitet mit Sprache. «Wo kommen die Worte her, Cecilia?» (2004/2016) ist eine fünf Meter lange LED-Tafel, auf der täglich kurze, poetische Sätze und Fragen erscheinen, die sich ganz direkt an ein einzelnes Kind richten, wie im Titel an Cecilia, an Max oder an Penelope. Jedes der Kinder des Schulhauses wird ein- oder zweimal im Jahr angesprochen und spielt damit für ein paar Stunden die Hauptrolle.
Gesundheitszentrum für das Alter mit Brunnen, Tapeten, Bildern und Installation
Das «Alters- und Sozialzentrum Dorflinde» wurde in den 1970er Jahren erstellt und von 2006 bis 2011 gesamthaft saniert. Der Kunst kam schon im ursprünglichen Bau eine tragende Rolle zu.
Für den Speisesaal schuf Rolf Lipski 1977 ein Wandbild in satten Grün- und Blautönen, das einen Hauch vom Amazonas nach Oerlikon trägt.
Die Dorflinde vor dem Gesundheitszentrum für das Alter ist einer der ältesten Bäume der Stadt. Im Eingangsbereich setzte ihr Franz Grossert 1976 mit einer farbenprächtigen Installation aus Keramik und Holz ein Denkmal. Selbst zum eigentlichen Wahrzeichen des Zentrums Dorflinde wurde der monumentale Brunnen (1977) von Wilfrid Moser. Im runden Brunnenbecken liegt eine Gruppe ungleichmässiger Polyeder, darüber ragen unterschiedlich geformte Scheiben in die Höhe, die höchste bis etwa sechseinhalb Meter.
Zwischen den Scheiben quillt eine üppige Form. In seiner Formenvielfalt und der poppigen Bemalung in Blau mit weissen und schwarzen Details gibt er sich deutlich als Werk der Siebzigerjahre zu erkennen. Im Zug der Sanierung des Zentrums wurde die Brunnenplastik neu platziert und der Platz zwischen den Gebäuden vom österreichischen Künstler Gilbert Bretterbauer malerisch gestaltet.
Für einen neuen Beitrag in den Innenräumen des Gesundheitszentrums für das Alter erhielt die Künstlerin Vreni Spieser den Zuschlag. Sie schuf im Irisdruckverfahren farbige Tapeten für die Gänge und Aufenthaltslounges. Diese Drucktechnik erlaubt über den Druckbogen hinweg einen feinen Farbverlauf, zum Beispiel von Weiss zu Orange oder von Hellgrün zu Türkis. Dabei diente die Farbe des Gefieders von zwölf Ziervögeln als Inspiration. Für eine Serie mit Ansichtskarten hat Vreni Spieser ebendiese Vögel in Schwarz-Weiss gezeichnet. Wer im Alterszentrum neu einzieht, erhält eines der Kartensets und erfährt so auch, welcher Vogel für die Farbe welches Stocks Pate stand («Schwarm», 2010–2011). In den Lounges sind die tapezierten Wände ausserdem mit Bildern aus der Reihe «Pensées» (2006–2010) des Malers Hans Stalder ausgestattet.
Ich bin nicht nur ein Tramdepot
Je nachdem, von welcher Richtung man sich das Werk von Renata Grünenfelder und Hipp Mathis am Tramdepot Oerlikon ansieht, kann man eines von zwei Textfragmenten lesen: «Du musst jetzt», heisst es da, wenn man von Nordwesten, zum Beispiel vom Sternen Oerlikon kommt; «Nach Hause gehn», liest man vom Hallenstadion her. Der Kippeffekt verdankt sich dreieckigen Prismen auf der Betonfassade, auf die die Schrift aufgebracht ist. Der Schriftzug von 2011 ist in VBZ-blauen Lettern gehalten und genau so lang und so hoch wie die Cobra-Trams, die in der Halle eingestellt werden: 36 x 3.5 Meter. Es sind also die Trams, für die gilt, «Du musst jetzt nach Hause gehn», wenn sie nach der letzten Linienfahrt ins Depot gefahren werden. Aber morgens auf dem Weg zur Arbeit passt wohl auch für manche Passantin und manchen Passanten der Imperativ «Du musst jetzt», und auf dem Weg in den Feierabend verheisst das «Nach Hause gehn» Erholung und Musse. Die Schrift bringt Reflexionen in Gang – das Tramdepot wird zum Kunstort.
Wir sind am Ende unseres kleinen Spaziergangs angelangt, aber wir müssen nicht nach Hause gehn, wenn wir nicht wollen. Die Artloops laden zum Weiterflanieren ein: Ihre Spazierlinien führen zu neuen und älteren Kunst-und-Bau-Werken in den Stadtquartieren und eröffnen überraschende Blickweisen auf die gebaute Stadt.
Text: Hubert Bächler
Adressen, abgebildete Werke und Fotonachweise
Peter Baviera, «Einmaleins», 2004. Foto: Hannes Henz
Daniele Buetti, «Wo kommen die Worte her, Cecilia», 2004/2016. Foto: Marcel Meury
Standort: Schulhaus Apfelbaum, Apfelbaumstrasse 31/33, 8050 Zürich
Rolf Lipski, Wandbild, 1977. Foto: Archiv Fachstelle Kunst und Bau
Franz Grossert, «Ohne Titel (Dorflinde)», 1976/2011. Foto: Archiv Fachstelle Kunst und Bau
Wilfried Moser, «Ohne Titel (Brunnenplastik blau)», 1976. Foto: Archiv Fachstelle Kunst und Bau
Vreni Spieser, «Schwarm», 2011; Hans Stalder, «Pensées», 2006. Foto: Georg Aerni
Standort: Zentrum Dorflinde, Dorflindenstrasse 4, 8050 Zürich
Renata Grünenfelder, Hipp Mathis, Zürich, «Du musst jetzt nach Hause gehen», 2011. Foto: Beat Bühler
Standort: Tramdepot Oerlikon, Tramstrasse 29, 8050 Zürich