Global Navigation

Kunst und Bau Stadtspital Zürich Triemli

Stationäre Kunstintervention: «Kunst Station Triemli», 2010–2016

Welche Möglichkeiten bieten sich für Kunst und Bau, wenn ein Spital während mehr als zehn Jahren erweitert und umgebaut wird? Und für die Kunst 700 000 Franken zur Verfügung stehen? Von Beginn weg war klar, dass die Bauzeit im Stadtspital Zürich Triemli für einen ebenso langen Kunstprozess genutzt werden sollte. Inhaltliche Basis bildete das kuratorische Konzept «Kunst Station Triemli». Welche Kunst, wann, wo und für wen realisiert werden könnte, wurde von einem Gremium aus Spitalangehörigen, Architekt und Kunstfachleuten fortlaufend diskutiert. Zwischen 2010 und 2016 konnten so über 35 Projekte umgesetzt werden. Nun wird das Konzept mit «Disegno» abgeschlossen. Zehn Künstlerinnen und Künstler gestalteten jeweils ein Geschoss im neuen Bettenhaus – sechs davon mit einer speziellen Edition.

«Raus aus dem musealen Gefängnis, rein ins wirkliche Leben», lautete das Motto der Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unterdessen ist sie in viele, auch ungewohnte Lebensbereiche vorgedrungen. Davon zeugt die künstlerische Begleitung der Um- und Neubauphase des Stadtspitals Zürich Triemli, während der unterschiedlichste Kunstinterventionen stattfanden. Karin Frei Bernasconi, Leiterin der Fachstelle Kunst und Bau des Amts für Hochbauten, initiierte diesen Prozess und hat gemeinsam mit weiteren Sachverständigen ein lebendiges kuratorisches Konzept entworfen.

Oliver Hangl eröffnete den Kunstparcours im Stadtspital Triemli 2010 mit der Elektroband Tim & Puma Mimi. Foto: Juliet Haller
Oliver Hangl eröffnete den Kunstparcours im Stadtspital Triemli 2010 mit der Elektroband Tim & Puma Mimi. Foto: Juliet Haller

Niedrige Zugangsschwelle

Zum Auftakt entwarf die Londoner Künstlergruppe public works die «Kunst Station». Der mobile, interne Kunstraum tarnt sich mit seinem Namen als zusätzliche Spitalabteilung und ist Ausstellungs-, Informations- und Dokumentationsstelle aller Projekte.  

Ein ganzer Reigen von Veranstaltungen folgte der Eröffnung im Sommer 2010. Während Max Bottinis «Infusionen» bunte Erfrischung boten, schuf Oliver Hangl mit «Triemli On Ear» und «Kino im Kopf» besondere Hörerlebnisse. Wie bei diesen Projekten war auch bei «Ein-Zu-Mit-Decken» von public works die Zugangsschwelle niedrig. Alle zwei Wochen konnten bei Letzterem Patientinnen und Patienten, Mitarbeitende und Besuchende in der Decken-Nähwerkstatt mitwirken und Gedanken austauschen. Die selbst gemachten Decken oder umgestalteten Spitaldecken lagen danach in der «Kunst Station» zum Tausch auf. 

Kunst wurde während der Ausstellung « Kunst-Dialoge» spielerisch an Kinder vermittelt, 2011. Foto: Juliet Haller
Kunst wurde während der Ausstellung « Kunst-Dialoge» spielerisch an Kinder vermittelt, 2011. Foto: Juliet Haller

Kunst und Spital im Dialog

Im folgenden Jahr richtete sich die Künstlergruppe value mit dem Projekt «Kunst und Spital im Dialog» an die Mitarbeitenden des Spitals. «Was kann und darf Kunst im Spital?», war dabei eine zentrale Frage. Zeitgenössische Kunst zielt darauf ab aufzurütteln, die Wahrnehmung zu schärfen und Gewohnheiten zu überdenken. Kunst im Spital begibt sich in eine dazu widersprüchliche Situation: Sie soll viel, im besten Fall zur Genesung beitragen, darf aber wenig, vor allem nicht im Weg stehen und keinesfalls anecken.

Die Mitarbeitenden setzten eigene Werke in Beziehung zu Werken aus der Sammlung des Triemlis oder der Sammlung der Stadt Zürich. Die Auseinandersetzung mit den Sammlungen und die anschliessende Ausstellung haben ihnen offensichtlich grossen Spass gemacht: In der filmischen Dokumentation des Projekts äussern sich die Beteiligten begeistert.

Unterwegs zu neuen Horizonten mit «étoile du matin», dem Hauptpreis beim Lottospiel von Hoios Projekt «Santa Lemusa», 2013. Foto: Elsa Mudame
Unterwegs zu neuen Horizonten mit «étoile du matin», dem Hauptpreis beim Lottospiel von Hoios Projekt «Santa Lemusa», 2013. Foto: Elsa Mudame

Eingenistete Fiktion

Das Publikum der Kunstprojekte aus Mitarbeitenden, Patientinnen und Patienten sowie den Besuchenden ist extrem heterogen. Entweder erleben sie die Kunst in einer Alltagssituation, sind nur für eine Stunde da, oder sie befinden sich in einer einschneidenden Lebensphase. Dass die Quadratur des Kreises möglich ist, zeigen die Kunstprojekte im Stadtspital Zürich Triemli. Sie fügen sich in den Spitalalltag ein und verändern ihn gleichzeitig subtil. Ganz besonders gelungen ist dies mit dem Projekt «44/33» von HOIO, das sich mehr als die vorangehenden Projekte einnistete und allen Publikumsgruppen etwas bot. In drei Phasen durchdrangen sich die fiktive Insel Santa Lemusa und das Spital räumlich und kulinarisch. Anhand von jeweils fünf Orten und den dort ­produzierten Gewürzen wurden Geschichten aus dem Norden, Süden und Zentrum der Insel erzählt. Die Kunst Station war Museum der lemusischen Kultur, die Cafeteria ein Gewürzshop. Während der lemusischen Spezialitätenwoche präsentierte die Mitarbeiterkantine jeden Tag ein neues Menu, in der Cafeteria wurden derweil Kuchen mit exotischen Namen wie Pain de Mars oder Gato Gwosgout offeriert. Kochkurse, Konzerte und zum Abschluss ein Lotto ergänzten das insgesamt acht Monate dauernde Projekt. «44/33» sprach alle Sinne an, lud zum Träumen ein und bot Fenster in eine Welt, in der jeder seine eigene Reise bestimmt.

Überwältigende Stadtfragmente von Ingo Giezendanner: «Die Welt. Hier bei dir.», Tagesklinik, Geschoss I, 2015. Foto: Francisco Paco Carrascosa
Überwältigende Stadtfragmente von Ingo Giezendanner: «Die Welt. Hier bei dir.», Tagesklinik, Geschoss I, 2015. Foto: Francisco Paco Carrascosa

Bleibende Wandgestaltung

Den Bau des neuen Bettenhauses begleiteten partizipative, vergängliche Interventionen. Zu seiner Fertigstellung wurde das erste bleibende Projekt umgesetzt. «Disegno» startete mit einem Wettbewerb für die Wandgestaltung der Korridore und Editionen für die Zimmer. Im Zentrum stand das Medium der Zeichnung. So wird eine Etage von Renée Levys Farbstudien mit poetischen Wortpaaren geprägt, während Ingo Giezendanner auf einer anderen zur Kopfreise in fremde Länder verführt und Marc Bauer touristische Motive der Schweiz umsetzte. Zilla Leutenegger lädt auf der Kinderstation zeichnerisch und verbal zum Memoryspiel ein. Vier Stockwerke erhielten so eine eigene Identität.

Die restlichen sechs Etagen erhalten vorläufig aus finanziellen Gründen eine für die jeweilige Etage geschaffene Edition von Daniel Breu, Olaf Breuning, Lena Eriksson, Michael Günzburger, Thomas Müllenbach und Tobias Nussbaumer. Konzeptionell durchdachte Serien mit Sehnsuchtsmotiven oder lustigen Begebenheiten, träumerisch und nachdenklich stimmend.

Lena Eriksson: Bild aus der 40-teiligen Edition, Geschoss K, 2016
Lena Eriksson: Bild aus der 40-teiligen Edition, Geschoss K, 2016

Nach dem spannenden und für Kunst und Bau neuartigen Einstieg mit prozesshaften Projekten überzeugt auch diese zweite Phase. Zu hoffen ist, dass der überwältigende Eindruck der Wandmalereien zur Fortsetzung auf den weiteren Stockwerken beiträgt.

Eveline Suter

Erstveröffentlichung in TEC 21, Sonderheft «Neubau Bettenhaus – Stadtspital Triemli Zürich», Beilage zu TEC21, Nr. 11, 11. März 2016. © mit freundlicher Genehmigung von TEC21 und Eveline Suter

Idee und kuratorisches KonzeptKarin Frei Bernasconi
KuratoriumKarin Frei Bernasconi, Barnaby Drabble (bis 2012), Sabine Schaschl, Peter Schneemann, Eveline Suter (ab 2012)
Projektbeteiligtesiehe Seite Projektorganisation
ZeitrahmenJuli 2010–2016
Adresse

Stadtspital Zürich Triemli
Birmensdorferstrasse 497
8063 Zürich

Website Stadtspital Triemli

Weitere Informationen