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Brunnen in der Stadt: Alte Funktion neu interpretiert

Die vielen Brunnen in der Stadt Zürich spielten noch vor 150 Jahren eine zentrale Rolle bei der Wasserversorgung der städtischen Bevölkerung. Während dieser Zweck stetig an Bedeutung einbüsste, haben jüngere Brunnenanlagen in ihrer sozialen Komponente an Bedeutung gewonnen, die für eine urbane Gesellschaft nicht weniger wichtig ist. Drei exemplarische Beispiele zeigen diese Funktionsverschiebung auf. Sie befinden sich unter den rund 100 der über 1200 städtischen Brunnen mit klarer künstlerischer Autorenschaft. Sie sind in Zusammenhang mit einem städtischen Bauvorhaben gestaltet worden und stehen nicht als solitäre Artefakte im Stadtraum. Die in engem Zusammenhang mit Bauten entstandenen Brunnen sind im Inventar der Fachstelle Kunst und Bau des Amts für Hochbauten verzeichnet und werden von dieser Fachstelle betreut.

Ein Brunnen schafft einen Treffpunkt

Die Zeichnung im Brunnenbecken mit sich zum Zentrum hin verjüngenden schwarz-weissen Kreisen sowie auch ihr Name «Hier» geben der Brunnenanlage von Ugo Rondinone in der Wohnsiedlung Werdwies eine eindeutige Benutzungsanweisung mit: Hier ist man am Ziel. Der Brunnen von Ugo Rondinone ist eine grosszügige Einladung, an diesem Ort zu verweilen, sich zu setzen oder im Nass zu spielen. Die mit 18 Metern Durchmesser beachtlich dimensionierte Zielscheibe, die Treppenstufen am Beckenrand und die eigentümliche Brunnenfigur in der Mitte definieren den Ort als Zentrum der Siedlung Werdwies und als Treffpunkt innerhalb des Quartiers. Die Gegend rund um die Bändlistrasse/Grünau kennen nur wenige Personen ausserhalb Altstettens, doch innerhalb der Überbauung Werdwies übt die Brunnenanlage eine grosse Anziehungskraft aus. Sie beeinflusst die Gehrouten und die Fortbewegungsgeschwindigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner, die Leute bleiben stehen und führen Gespräche miteinander. Das Werk von Rondinone ist Auslöser sozialer Interaktion und stiftet Identität in einer Gegend, die in ihrem weiteren Umfeld ursprünglich mit wenig visionärem stadtplanerischem Gestaltungswillen geschaffen wurde. Die mit Kieselsteinen gepflasterte Anlage mit der Maske, diesem freundlichen Geist, der über das Quartier wacht, spricht eine andere visuelle Sprache als die der umgebenden Fassaden. Mit «Hier» wird die in der Siedlungsstruktur angelegte Platzsituation zum Dorfplatz.

Ugo Rondinone: «Hier», 2006, in der Wohnsiedlung Werdwies. Foto: Stefan Altenburger
Foto: Mara Truog

Dieser Brunnen ist ein zentraler Treffpunkt und übernimmt damit wieder eine wichtige gesellschaftliche Funktion, die zunehmend in Vergessenheit geraten ist. Früher hatten die Brunnen primär Zugang zu sauberem Trinkwasser – meist Quellwasser – zu verschaffen. Der neuralgische Knotenpunkt im kleinstädtischen Leben, wo sich alle beim Wasserholen trafen, eignete sich auch ideal für repräsentative Zwecke und bot versierten Kunsthandwerkern, vom Bildhauer bis zum Steinmetz, ein geschätztes Betätigungsfeld, das bei den Bewohnerinnen und Bewohnern auf viel Beachtung stiess. Durch den Bau des modernen Wasserversorgungsnetzes Ende des 19. Jahrhunderts und die allmähliche Erschliessung der Häuser mit Wasserleitungen trat die Notwendigkeit der Wasserversorgung durch Brunnen in den Hintergrund. Aus der einstigen Notwendigkeit wurde ein dekoratives Element im urbanen Raum. Die Gestaltung der Brunnen und ihrer Figuren wurde lange von traditionellen Werten geprägt, doch heute finden sich auch zeitgenössische Interpretationen ihrer gesellschaftlichen Funktion in der Stadtlandschaft.

Gottfried Honegger: «Struktur 2» 1972, auf der Alfred-Altherr-Terrasse. Foto: Fachstelle Kunst und Bau
Foto: Fachstelle Kunst und Bau

Ein Brunnen lädt zum Bade

So thematisiert die Brunnenanlage «Struktur 2» von Gottfried Honegger auf der Alfred-Altherr-Terrasse in Anlehnung an das sich darunter befindende Wasserreservoir Strickhof nicht nur die Nutzung und den Kreislauf des Wassers, sondern widmet sich integral dem Leben überhaupt und der Freude daran. Der eindrückliche, grosse Brunnen ist integriert in einen Spielplatz und fordert auch explizit zum Baden auf.

Andres Bosshard: «gutstrasse GALAXY», 2001, im Schulhaus Im Gut. Foto: Hannes Henz
Foto: Hannes Henz

Ein Brunnen klingt und produziert Bilder

Bezüglich ihrer sozialräumlichen Gegebenheiten geht die multimediale Brunnenanlage «gutstrasse GALAXY» von Andres Bosshard noch einen Schritt weiter. Fünf Mikrofone nehmen die sich konstant verändernde Soundlandschaft auf und übertragen sie in ein Wellenspiel auf der Wasseroberfläche, deren Lichtreflexe mittels Spiegel auf die angrenzende Schulhausfassade projiziert werden können. Nicht blosse Repräsentation ist diesem Brunnen eigen, sondern Interaktion, die das Wasser und die umgebende Struktur als Handlungs- und Spielfeld versteht.

Text: Franz Krähenbühl

Abgebildete Werke und Fotos:

Ugo Rondinone Ugo (*1962)
«Hier», 2007
Kieselsteine (Basalt, Kalkstein), Epoxydharz-Mörtel, Beton, Wassererschliessung
Standort: Wohnsiedlung Werdwies, Bändlistrasse 22-34, Zürich-Altstetten
Foto: Mara Truog, Zürich (2) und Stefan Altenburger (1)

Gottfried Honegger (1917-2016)
«Struktur 2» (Alfred-Altherr-Terrasse), 1972
Brunnenanlage (Chromstahl, Stein, Beton), Teil der Alfred-Altherr-Terrassen Gestaltung
Standort: Wasserreservoir Strickhof, Strickhofstrasse 80, Zürich-Oberstrass
Foto: Fachstelle Kunst und Bau

Andres Bosshard (*1965)
«gutstrasse GALAXY», 2001
Multimediale Brunnen-Installation (Wasser, verschiedene Metalle, LED-Leuchten, Solarpanel, Audio-, Elektro-, Funk- & IT-Komponenten)
Standort: Schulhaus Im Gut, Gutstrasse 107, Zürich-Sihlfeld
Foto: Hannes Henz

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