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Grabungstagebuch: Ein anderer Blick


Klick. Im Bild eine übergrosse aufgeschnittene Schwarzwäldertorte mit cremefarbenen und schoggibraunen Schichten. Klick. Ein Wald von Pfählen mit Etiketten wie Preisschilder. Alles, was die Ausgräberinnen und Ausgräber der Grabung Parkhaus Opéra freilegen, wird von uns fotografisch dokumentiert. Aber Sie kennen sicher den Ausdruck «Etwas mit anderen Augen sehen».

Als Fotografen sehen wir oft die surreale Schönheit von sauber geputzten senkrechten Erdwänden. Woanders bewundern wir den feinen ästhetischen Wechsel der Oberflächenstrukturen von Seesediment und Kulturschichten. Wenn aber die Ausgräber über unsere Fotografie sprechen, hört man Dinge wie «Lehmlinse», «Pfostenloch», «organische Basis» oder «siltiger Reduktionshorizont». Reden wir vom Selben? Sicher – aber wir sehen nicht das Gleiche!

Stefanie Tremp
Stefanie Tremp ist Fotografin der Grabung vor dem Zürcher Opernhaus.
Thomas Bochet
Thomas Bochet ist ebenfalls als Grabungsfotograf tätig.

Auf einer Ausgrabung zu fotografieren, ist eine eigene Welt: Nicht nur der ewige Kampf um Platz oder Licht auf unserer unterirdischen Grabung, nicht nur Kälte, Schlamm oder der allgegenwärtige Seekreidestaub, der in jede Ritze der Kamera zu dringen droht, machen Grabungsfotografie zu einer besonderen Herausforderung. Es ist vor allem das Objekt selber sowie die «Déformation professionnelle» aller Beteiligten. Inzwischen haben auch wir Fotografen Ausgrabungserfahrung und verstehen die ganze Materie besser. Das hilft, die wichtigen Details im Bild festzuhalten. Die Fotos müssen vor allem informieren, aber schön dürfen die Bilder natürlich sein, denn auch das soll von der Grabung bleiben: ihre ganz eigene Ästhetik. Was später von den Schichten bleibt, ist durch unsere Linse gegangen. Gewissermassen schreiben wir mit jedem Klick ein wenig Geschichte, denn was auch immer zukünftige Forscher von der Grabung noch sehen – sie sehen es mit unseren Augen. Klick!

(Tages-Anzeiger, 20. Dezember 2010)

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