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Grabungstagebuch: Man nennt mich Trüffelschwein

Tom Utiger

Tom Utiger ist Ausgräber auf der Ausgrabung Parkhaus Opéra. Früher war er Strassenbauer.

Es ist das grösste Keramikgefäss der Grabung und vielleicht das grösste, das aus dieser Zeit je gefunden wurde. Wer es gefunden hat? Die Blicke der anderen sagen bereits alles. Der Grabungsleiter ist auch nicht verwundert, als er zu meinem Schnitt gerufen wird. Man nennt mich Trüffelschwein auf der Grabung Opéra. Tom Trüffelschwein.

Das ist unter Ausgräbern eine Auszeichnung. Die Markasit-Knolle zum Feuermachen, von der Walter Fasnacht an dieser Stelle vor einigen Wochen gehofft hat, dass wir sie noch ausgraben würden: Ich habe sie kurz darauf gefunden. Ausserdem eine Axt aus Hirschgeweih und verkohlte Getreideähren, wo sie niemand vermutet hatte. Oder ein komisches Holzobjekt, das wie ein Paddel aussieht. Eine Art Pizzaschieber könnte es gewesen sein, um Brot aus dem Ofen zu holen, sagen die Archäologen.

Ich selbst bin kein Archäologe, sondern Strassenbauer. Deshalb weiss ich, wie eine Baustelle funktioniert. Und das ist nützlich auf einer so grossen Grabung. Wenn es ein technisches Problem gibt, sehe ich es oft früher als die anderen. Die Schaufel habe ich ja schon seit 18 Jahren in den Händen. Aber das hier ist natürlich etwas anderes. Das ist ein Kindheitstraum. Ich kann hier viel lernen. Und das ist gut so, denn die Strassenschaufel will ich bald ganz gegen die Grabungskelle tauschen und Grabungstechniker werden. Das ist eine vierjährige Ausbildung. Während Archäologen wissen, was man graben muss, wissen Grabungstechniker, wie man graben muss. Also genau das Richtige für ein Trüffelschwein wie mich.

Sie wollen wissen, wieso ich so einen guten Riecher habe? Ich halte die Augen offen, bin immer konzentriert. Und der Rest ist natürlich – Magie.

(Tages-Anzeiger, 12. Juli 2010)

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