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Grabungstagebuch: Tausend Leute, tausend Fragen

Walter Fasnacht

Walter Fasnacht ist Experte für prähistorische Feuer und Metalltechnik. Auf der Grabung Parkhaus Opéra ist er für Führungen und Wissenschaftsvermittlung zuständig.

In den letzten zwei Monaten habe ich gegen tausend Besuchern erzählt, was hier unter dem Betondeckel abläuft – und von den zerschlagenen Bierflaschen des vorletzten Jahrhunderts bis zum zerdrückten Kochtopf des vierten Jahrtausends vor Christus so ziemlich quer durch die Jahrtausende alle möglichen Funde gezeigt.

Aber was sehen die Leute von heute in all diesen Funden? Zuerst mal sich selbst! Die Hündelerin sieht im 5000 Jahre alten Hundeunterkiefer ihren eigenen Hund – der Katzenliebhaber fragt: «Wann hatten wir die ersten vornehmen Katzen in Zürich?»

Eine Dame haben wir ernsthaft brüskiert, als wir erzählten, dass wir Funde von Schlafmohn machen und nicht wissen, ob er nur zum Essen, oder auch für medizinische oder gar bewusstseinserweiternde Zwecke eingesetzt wurde. Offensichtlich haben wir mit diesem Fund ein Wertesystem touchiert – obwohl er nur eine Möglichkeit andeutet.

Dergleichen passierte auch den Forschern: Im frühen 20. Jahrhundert suchte man in den Funden nach den Spuren von Völkern, in den 1980er Jahren nach Spuren prähistorischer Umweltzerstörung.

Und heute? Nach Strategien, wie Gesellschaften früher mit einem Klimawandel umgingen. Man kann die Scherbe drehen wie man will – sie ist nie nur wissenschaftliche Informationsquelle, sondern immer auch der eigene Spiegel.

Wir haben hier ein höchst interessantes Forschungsprojekt vor der eigenen Haustür und Sie, verehrte Besucher, tausend an der Zahl, wurden soeben Teil davon!

(Tages-Anzeiger, 23. August 2010)

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