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Publikation

Februar 2012

Persönlich-Kolumne: Die Wüste lebt

Publikation im Tagblatt der Stadt Zürich
André Odermatt, Vorsteher Hochbaudepartement
André Odermatt, Vorsteher Hochbaudepartement
Februar 2012

Persönlich-Kolumne: Die Wüste lebt

Publikation im Tagblatt der Stadt Zürich

Ein Fuss vor den anderen. Schritt für Schritt. Das kann anstrengend sein, sieht langsam aus, aber man kommt vorwärts. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich rede nicht von Politik, sondern vom Schneeschuhwandern. Denn damit verbrachte ich letzte Woche meine Sportferien in den Bündner Bergen. Wenn Sie sich jetzt fragen, ob ein Stadtrat Ferien machen kann, dann muss ich zugeben: Jein. Zwar wird nicht regiert und disputiert, aber meine politischen Sinne lasse ich nicht im Büro. Sie ruhen nicht und sinnieren, was andernorts in der Raumplanung und Architektur Sinniges und Unsinniges geboten wird.

Ausgangspunkt meiner Schneeschuhwanderungen war jeweils Disentis. Der Name kommt von «Desertina», was so viel wie Einöde bedeutet. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Disentis alle andere als eine Wüste ist. Zwar sind die Nullachtfünfzehn-Chalets wahrlich keine grosse Inspiration, aber dazwischen findet man immer wieder architektonische Surprisen. Zum Beispiel das Projekt Ziegenalp Puzzetta. Das knallige Rot des Ökonomiegebäudes fällt auf und gefällt mir sehr. Nicht etwa, weil ich SP-Politiker bin, sondern weil das Architekturbüro von Marlene Gujan und Conrad Pally auf eindrückliche Weise demonstriert, wie man Tradition und Kreativität verbindet. Beim Neubau haben die beiden die in der Surselva traditionelle Bauform des abgetreppten Baukörpers übernommen, ihn mit einer Schutzhülle aus rotem Blech bekleidet und viel einheimisches Fichtenholz verwendet. Bei vielen anderen ihrer Projekte haben Gujan/Pally bewiesen, wie man mit kulturellem Erbe umgehen kann: mutig, originell, mit Sachverstand. Sie zeigen: Bewahren heisst nicht konservieren – dafür haben wir den Ballenberg.

So hat mich Disentis und seine Umgebung inspiriert. Im Schlechten wie im Guten. Architektur kann öde sein. Leider. Aber die Wüste lebt. Halten wir uns an die funktionalen und gut gestalteten Bauten. Sie trage ich als Vorsteher des Hochbaudepartements und Verantwortlicher für die Denkmalpflege gedanklich zu Tale. Solche Ideen sind mein Ferienmitbringsel. Und nun rede ich von Politik: In diese Richtung will ich mit Zürich gehen. Schritt für Schritt. Das ist vielleicht anstrengend, für viele zu langsam, aber: Wir kommen vorwärts.

André Odermatt
Vorsteher Hochbaudepartement