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Kunst(förderung) in Zeiten des Lockdown

Während ich dies hier schreibe, ist unklar, wie «die Situation» aussehen wird, wenn Sie, liebe KünstlerInnen, KunstfreundInnen, KunstvermittlerInnen, meine Zeilen lesen. Vermutlich ist der Corona-Lockdown ein wenig gelockert. Dennoch wird unser Alltag noch für längere Zeit sehr anders sein als zuvor. Die Ungewissheit dieser Entwicklung ist belastend.

Sicher ist allerdings: Den Kulturbereich und insbesondere den international stark vernetzten Kunstbetrieb, die beide vom Austausch und von der Begegnung leben, hat die Pandemie vom Tag 1 des Lockdown an unmittelbar und hart getroffen.

Nun versuchen wir erst einmal, so gut wie möglich Antworten und Lösungen für die vielen Fragen zu finden, die sich Ihnen und auch uns stellen. Im Vordergrund stehen zunächst Unterstützungsmöglichkeiten für den Kultursektor. Die von uns gebündelten Informationen finden Sie auf unserer Homepage Stadt Zürich Kultur sowie insbesondere auf der Site Wirtschaftliche Unterstützung Kulturbereich.

Für viele Kunstschaffende, aber auch VermittlerInnen ist die Situation besonders schwierig. Oft sind mehrere Standbeine gleichzeitig weggebrochen. Die Einkommenssituation war schon «vor Corona» für manche prekär. Zudem quält die Frage, wie der Kunstbetrieb «nach Corona» aussehen wird. Zwar beschränken sich die unmittelbaren finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten des Ressorts Bildende Kunst derzeit auf die bereits vorhandenen Budgets. Wir versuchen aber, im Rahmen der Vorgaben auf die aktuelle besondere Situation einzugehen.

Pascal Sidler, «Birmensdorferstrasse», 2018. Foto: © Pascal Sidler
Ana Strika, «Ohne Titel», 2019. Foto: © Ana Strika

Claire Goodwin, «Clive and Beverly», 2018. Foto: Courtesy Galerie Lullin + Ferrari, Zürich
Leila Peacock, «It Was And It Was Not So», Februar 2019. Foto: Esther Mathis

Anpassungen bei den laufenden Ausschreibungen

So läuft der Wettbewerb um die Kunststipendien der Stadt Zürich 2020 weiter. Mit den BewerberInnen, die von der Jury noch kurz vor dem Lockdown für die 2. Runde vorgeschlagen wurden, stehen wir in Kontakt. Wir streben an, die beliebte und für die Zürcher Kunstszene wichtige Ausstellung einzurichten. Anpassungen gemäss den Vorgaben des Bundes können aber nötig werden, und eine feierliche Vernissage gehört dieses Jahr ziemlich sicher nicht zum Programm. Priorität hat für uns, dass wir die für die Förderung der Zürcher Künstlerinnen und Künstler vorgesehenen Mittel auf jeden Fall vergeben, auch wenn der Modus angepasst werden muss. Wir machen uns auch gemeinsam mit der Kommission für Bildende Kunst und dem Helmhaus Gedanken über alternative Formate der Präsentation für die Kunstschaffenden in der 2. Runde, insbesondere falls eine Ausstellung nicht möglich sein sollte. Denn eines ist für uns klar: Kunst braucht Sichtbarkeit, gerade jetzt.

Bei den Stipendien für Auslandateliers bemühen wir uns um kulante Regelungen und Ersatz oder Ausweichmöglichkeiten. Allerdings sind wir hier am stärksten auch abhängig von den Vorgaben der jeweiligen Gastländer und bitten daher um Verständnis, wenn wir nicht in allen Fällen eine perfekte Lösung bieten können.

Auch die für Ankäufe von Werken zuständige Gruppe der Kommission für Bildende Kunst ist weiterhin tätig. Die Illustrationen zu diesem Text zeigen einige Ankäufe, die auf Empfehlung der Ankaufsgruppe der Kommission für Bildende Kunst im Jahr 2019 für die Kunstsammlung der Stadt getätigt wurden. Historisch gesehen, hat die Kunstförderung in der Stadt Zürich ihre Wurzeln in Kunstankäufen. Gerade in Notzeiten wurden diese auch getätigt, um Kunstschaffende gezielt zu unterstützen. Von dieser «Almosenpolitik» ist man im Laufe der Jahre abgekommen. Heute gilt: Kunst wird gefördert und von der Stadt auch gesammelt, weil sie einen wichtigen Beitrag zur ästhetischen Reflexion der Gesellschaft leistet.

Gerade jetzt sind Kunstankäufe, für die der Kredit seit diesem Jahr erfreulicherweise auf insgesamt 200 000 Franken erhöht worden ist, eine Möglichkeit, Kunstschaffende wie auch Galerien und Kunsträume sehr direkt, unkompliziert und unmittelbar zu unterstützen. Wir experimentieren angesichts geschlossener Ausstellungsräume und treffen KünstlerInnen zu Ateliergesprächen per Videomeeting. Zudem verfolgen wir die regen Aktivitäten von Galerien oder Offspaces im Internet. Homepages von Kunstschaffenden spielen ebenfalls eine Rolle. Die Ankaufsgruppe lässt sich wie bisher Künstlerdossiers zukommen und diskutiert diese. Je nach Dauer und Strenge des Lockdown kann die Strategie weiter angepasst werden.

Unter deutlich veränderten Vorzeichen, nämlich per Videomeeting, fand die Vergabe der Mittel für Vermittlungsprojekte und Kunsträume beim diesjährigen Frühjahrs-Eingabetermin statt. Die Kommission legte ein besonderes Augenmerk auf die Realisierbarkeit der geplanten Vorhaben. Bei den Gesuchen zeigte sich, dass viele der eingereichten Projekte die neuen Bedingungen bereits reflektieren. Etwa, indem mit digitalen Vermittlungsformaten experimentiert wird. Die Kommission war hierfür offen, bestand aber auch auf den in langjähriger Vergabepraxis erarbeiteten Qualitätskriterien.

Monica Germann/Daniel Lorenzi, «Mapping HIV / Timeline HIV», 2019. Foto: Stefan Silvestri (Gebr. Silvestri)
Latefa Wiersch, «ne pas de deux», 2019.  Foto Videostill: Nicole Pfister, 2019

Adrian Germann, «Smart Investments», 2010. Foto: Fachstelle Kunstsammlung Stadt Zürich
Una Szeemann, «Welwitschia Mirabilis», 2018. Foto: © Una Szeemann

Neuer Blick aufs Lokale

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass gerade kleinere Kunsträume angesichts von Hygienevorschriften künftig einfacher zugänglich sein dürften als grössere Institutionen oder gar Massenevents und Festivals. Allerdings dürften sich für viele BetreiberInnen grundsätzliche Fragen stellen. Schon vor «Corona» war die finanzielle Situation vieler selbstorganisierter Kunstorte schwierig. Nun wird die Frage drängender, wie man sich künftig nachhaltig finanzieren kann, erst recht, weil die Aussenwirkung reduziert ist, aber auch Einnahmen bei Vernissagen, Veranstaltungen und durch Verkäufe wegfallen. Manche Geldquellen werden aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung vielleicht (noch) schwerer zugänglich sein als bisher oder ganz versiegen.

Dies könnte aber auch der Moment sein, neue Finanzierungsmodelle zu erproben: Mitgliedschaften, Gönnerkreise und/oder ein Crowdfunding, insbesondere durch lokale Communities. Überholt geglaubte Modelle wie die Produzentengalerien der 1970er-Jahre könnten eine Renaissance erleben. Schon jetzt ist absehbar, dass der Kunstbetrieb «nach Corona» erst einmal mit weniger Reisen und internationalem Austausch im realen Raum wird auskommen müssen. Daraus können sich Chancen für einfallsreiche, auch lokal gut vernetzte, zudem digital sichtbare Initiativen ergeben. Deren Wert für eine lebendige Kulturszene und den gesellschaftlichen Austausch wird nun vielleicht von manchem und mancher sogar mehr geschätzt als in Zeiten billiger Wochenendtrips nach Irgendwo.

Das Ressort Bildende Kunst, unterstützt von der Kommission für Bildende Kunst, beobachtet die sich abzeichnenden Veränderungen in der Kunst ebenso wie in den anderen Kulturbereichen weiterhin. Wir werden daraus auch Schlüsse für die künftige Förderung zu ziehen versuchen. So können wir zwar im Moment den 2019 begonnenen Austausch mit den Zürcher Kunsträumen nicht wie geplant mit Treffen fortführen. Wir sind aber gerade aufgrund der nun stark veränderten Rahmenbedingungen selbstverständlich offen und interessiert, mit Ihnen im Dialog zu bleiben und nehmen hier auf den Ihnen bekannten Wegen gerne weiterhin Vorschläge und Anregungen entgegen.

Für die laufende Leitbildperiode 2020–23 sind, vorbehaltlich der Genehmigung durch den Gemeinderat, Mittel für eine «Kunstszene Zürich» im Jahr 2022 budgetiert. Für deren Planung werden die aktuellen Erfahrungen und Bedürfnisse zentral sein.

Mirkan Deniz, «Akrep» (dt: Skorpion), 2017. Foto: © Mirkan Deniz
Salvatore Vitale, «How To Secure a Country», 2014–2018. Foto: © Salvatore Vitale

Kunst geht weiter!

Gerne möchte ich Sie persönlich darauf hinweisen, dass viele der vom Lockdown betroffenen Institutionen, Kunsträume und Galerien, aber auch Künstlerverbände und sonstige Künstlergruppierungen derzeit mit digitalen Angeboten aufwarten, die einen Blick wert sind. Vieles wird über Social Media kommuniziert und lässt sich rasch und unkompliziert aufstöbern. Dies gilt auch weit über Zürich hinaus. Etliche Kunstschaffende betreiben inzwischen eine attraktive Homepage. Hier können Sie direkt Kontakt aufnehmen und, sofern Ihnen dies möglich ist, Kunstwerke erwerben: ein direkter Weg der Unterstützung und ein Akt der Solidarität mit den Kunst- und Kulturschaffenden. Denn Kunst geht weiter – hoffentlich in jedem Sinne!

Text: Barbara Basting

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