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Heiterkeit im Sommerhaus

Ein Atelier, das aussieht wie ein Strand- oder ein einfaches Sommerhaus und eine Ausstellung in dessen Innern, die die Leichtigkeit eines sonnigen Tags ausstrahlt. So präsentiert sich diesen Sommer das Atelier Haller, in dem Hermann Haller ab 1932 gearbeitet hat und in dem die jungen Kuratoren Julian Denzler und Lorenz Hubacher gemeinsam mit dem Künstlerduo Rico Scagliola und Michael Meier eine wunderbar leichtfüssige Ausstellung eingerichtet haben, die noch bis Ende Oktober zu sehen ist.

Michael Meier & Rico Scagliola
Die Künstler: Michael Meier (l.) und Rico Scagliola (r.) ...
Julian Denzler
... und Julian Denzler, der zusammen mit Lorenz Hubacher die Ausstellung kuratiert.

Die Atmosphäre des 1932 erbauten Ateliers von Hermann Haller ist dermassen stimmungsvoll, dass es für ausstellende Künstler keine einfache Sache ist, darin mit ihren Werken zu bestehen. Das sanfte Licht, die hölzernen Wände und Böden mit ihrer geschichtsträchtigen Patina und die den Raum mit ihrer schieren Grösse und Anzahl dominierenden Arbeiten des 1880 in Bern geborenen, 1950 in Zürich gestorbenen Hermann Haller bilden eine grosse Herausforderung für jüngere Kunstschaffende, die hier seit fünf Jahren jeweils im Sommer als Gäste auftreten. Rico Scagliola & Michael Meier begegnen dem Ort mit einer produktiven List. Sie bringen nicht nur ihre eigenen Werke ein und setzen sie in den Kontext von Skulpturen von Haller (das tun sie auch), sondern sie nehmen konkret Bezug auf die Zeit, als Hermann Haller hier selbst wirkte und thematisieren darüber hinaus generell die Institution des «Künstlerateliers». Sie tun das multimedial und mit viel Humor.

Entstaubung des Ateliers und des Künstlerbilds

"Künstlermantel"
Shabby Chic: Ein Kleid für den Künstler...

Der Qualm einer unaufhörlich rauchenden Zigarette führt die BesucherInnen zurück in die Zeit, als Haller hier wirkte, denn der verglimmende Stengel stammt aus den Dreissigerjahren. Auch der daneben an der Wand hängende Künstlermantel, scheint den historischen Faden aufzunehmen. Allerdings ist das wallende Kleidungsstück kein authentisches Relikt, sondern ein üppig überzeichnetes Stück von heute. Es nimmt den romantischen Blick aufs Künstlertum auf, der mit Ausschnitten von Atelierszenen aus fast zwei Dutzend Spielfilmen über das Leben berühmter KünstlerInnen wie Toulouse Lautrec, van Gogh, Frida Kahlo oder Michelangelo evoziert wird. In Hollywoodfilmen intensiv lebende und liebende Kerle, sinnlich geniessend, leidend, trinkend und sich nach Vollkommenheit verzehrend, bedienen sie die Sehnsüchte nach unserem romantischen Künstlerbild.

Besen zum Entstauben
... ein Besen fürs Entstauben.

Als ironischer Kommentar wischt ein maschinell angetriebener Besen in der Ecke den Staub im Atelier weg und kommt dabei natürlich nie an ein Ende. Aus Lautsprechern sind hier im hinteren Raum und im ganzen Atelier Fragmente aus Büchern und Tagebüchern zu vernehmen, die etwa die Beziehung von Künstlern zu ihren Musen zum Inhalt haben. In diesem hinteren Atelierraum, in dem auch Skulpturen von Haller aufmerksam Blickkontakt halten, thematisieren Scagliola & Meier den Geist des Künstlertums und des Künstlerlebens.

Spiel mit Zeit und Raum

Ungezwungen begegnen sich Werke und Gegenstände Hallers ...

Die Zeit zwischen dem Wirken von Haller und heute überbrücken Scagliola & Meier mit Originalobjekten (wie einem Brief von Stadtpräsident Emil Landolt an Haller), mit Zeitschriften, Fotografien oder eben Zigaretten Marke «Rooster» in der offenen Pultschublade. Und ihren eigenen Atelierraum überführen Scagliola & Meier mit einem Kniff ins Seefeld: Sie legen den Boden ihres persönlichen Ateliers Haller Monumentalskulptur «Mädchen mit erhobenen Händen» zu Füssen.
Ihr eigenes bildnerisches Schaffen findet Präsenz in fünf grossen Fotografien, die, obwohl sie so wirken, nicht etwa inszeniert sind, sondern in der Manier der klassischen Streetphotography im richtigen Augenblick gesehen und festgehalten worden sind. Zudem sind einige kleinere Selbstporträts zu sehen, in denen sich Scagliola & Meier in Akten spielerisch an vorbestehenden Bildwelten reiben. Die stilisierten Männerkörper bilden ein Gegenstück zum Schaffen des Gastgebers, der hauptsächlich weibliche Körper geformt hat. Im Estrich des Ateliers findet sich ein ganzes Heer von Frauenfiguren Hallers. Dessen in Skulpturen umgesetztes Schönheitsideal lassen Scagliola & Meier auf kleine Abbildungen von Schönheitsköniginnen treffen, wie sie in den Dreissigerjahren Zigarettenschachteln zum Sammeln beigegeben wurden.

... und Fotografien und Objekte der jungen Künstler.

Und die beiden jungen Künstler lassen es sich nicht nehmen, sich selbst als Miss Finnland 1933 und Miss Puerto Rico 1934 einzubringen – wer’s nicht weiss, wird die Travestie kaum erkennen. Mit viel Augenzwinkern und (Selbst-)ironie bringen die beiden jungen Künstler ihre Bilder- und Gedankenwelt ins «Strandhaus» im Seefeld ein und verschaffen BesucherInnen eine heitere Stunde. Sie haben aufgenommen und verdichtet, mit ihren Interventionen und Werken verspiegelt und gebrochen, was sie vorgefunden haben: Ein Atelier mit starkem Charakter, in dem die Werke nicht wie auf einer Bühne oder eben einem Museum präsentiert sind, sondern mit dem Raum, in dem sie entstanden sind, verschmelzen.
Nebenan, im Pavillon Corbusier, ist diesen Sommer eine Ausstellung von Fotografien von René Burri zu sehen. Besonders in den Jahren 1959 und 1960 beschäftigte sich der vor zwei Jahren verstorbene Schweizer Magnum-Fotograf mit dem Werk und der Person Le Corbusiers. Die Vintage-Prints, die Burri dem Museum für Gestaltung überlassen hat, bilden den Kern dieser Ausstellung, die mit Führungen und Rahmenveranstaltungen vertieft wird. 

Text und Fotos: Peter Schneider

Atelier Hermann Haller
Höschgasse 6
8008 Zürich
044 383 42 47
Ausstellung bis 30. Oktober
Freitag und Samstag 12–18 Uhr, Sonntag 12–17 Uhr
Eintritt frei
Öffentliche Führungen an folgenden Sonntagen jeweils um 14 Uhr:
28. August, 18. September, 9. Oktober
Informationen

Pavillon Le Corbusier
Bis 30. Oktober
Mittwoch bis Sonntag 12–18 Uhr, Donnerstag 12–20 Uhr
Eintritt 12 Fr., ermässigt 8 Fr.
Sonderausstellung: «René Burri / Le Corbusier – Maisons d'homme»
Eintritt: Erwachsene 12 Fr., ermässigt 8 Fr.
Veranstaltungen und Führungen

Weitere Impressionen aus der Ausstellung

Bildergalerie... 

Der prächtige, lichte Atelierraum...
... erlaubt stimmungsvolle Begegnungen.
Hallers Heer von Frauen.
Die "schönsten Frauen der Welt". Beigabe zu Zigarettenschachteln.
Die beiden Künstler reihen sich da locker ein.

Weitere Informationen