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Kunst: Szene Zürich 2018

«Kunst: Szene Zürich 2018» – Ankündigung eines Experiments

Ende November 2018 ist es so weit: Es wird wieder eine «Kunstszene» in Zürich geben – aber sie wird anders aussehen als in der Vergangenheit. Im Zentrum des neuen Formats sollen Fragen des Präsentierens, Inszenierens und Vermittelns von Kunst stehen. Auch soll an aktuelle Diskussionen zu einer Neubewertung des «Lokalen» in der Kunst angeknüpft werden.

Per Palette ins Museum: Anlieferung der Werk für die Ausstellung «Zwischenlager», 2011, im Helmhaus Zürich.
Kunst kommt per Palette: So sah es aus, als im Helmhaus 2011 letztmals die neueren Kunstankäufe der Stadt Zürich gezeigt wurden. Ende 2018 wird die Präsentation der seither erfolgten Kunstankäufe der Stadt im Helmhaus ein Teil der neu konzipierten «Kunstszene» sein. Foto: Helmhaus Zürich / FBM Studio Zürich.

«Wann gibt’s mal wieder eine ‘Kunstszene’ in Zürich?», wurden wir in der Kulturabteilung dann und wann gefragt in den letzten Jahren. Gemeint war die sogenannte «Unjurierte», ein Ausstellungsformat, das zuletzt im ehemaligen Zollfreilager Ende 2011 angeboten wurde. Bis zu 600 Kunstschaffende konnten gegen eine Teilnahmegebühr in einheitlichen Kojen ihre Werke zeigen und verkaufen. Ein Angebot, das als Zürcher Spielart der andernorts von Kunstvereinen durchgeführten traditionellen Weihnachtsausstellung jeweils viel Anklang fand. Aus Sicht der Kunstförderung stellte sich allerdings die Frage, warum die professionellen Kunstschaffenden dazu eher Distanz wahrten – vor allem aber, ob es eine «Unjurierte» zusätzlich zum alljährlich von der Kommission für Bildende Kunst durchgeführten Stipendienwettbewerb braucht. Die Frage wurde akut, weil mit der Pensionierung von Eva Wagner, die die Kunstszene mit viel Herzblut und langjährig entwickeltem Knowhow organisiert hatte, eine Zäsur stattgefunden hatte.

Nun steht es fest: Die Kulturabteilung wird 2018 wieder eine «Kunstszene Zürich» organisieren. Allerdings in veränderter Form. Dabei sollten vor allem neuere Entwicklungen in der Kunst einfliessen. So hat sich etwa das Verhältnis von Laien und Profis wie auch in anderen Kultursparten seit den 70er Jahren deutlich in Richtung einer Professionalisierung verschoben. Daneben spielte die angespannte Immobiliensituation in Zürich in unsere Überlegungen hinein. Ausgedehnte Räumlichkeiten für günstige Zwischennutzungen sind längst Mangelware, sie werden heute ertragsorientiert vermietet. Das zwingt zum Umdenken.

Was eigentlich heisst es, heute Kunst in Szene zu setzen?

Ankauf 2017: David Renggli, «Good Vibe Gong», 2016, Stahl geschmiedet und patiniert, 49 x 49 x 3 cm.
Ankauf 2017: David Renggli, «Good Vibe Gong», 2016, Stahl geschmiedet und patiniert, 49 x 49 x 3 cm.

Was ist die Kernidee der neuen «Kunstszene»? Wir wollen versuchen, die in dem Format angelegten grundsätzlichen Fragen zum Verhältnis von professionellem und angeblich «laienhaftem», lokalem und globalem Kunstschaffen, von Bedingungen des Markts und der Bewertung von Kunst herauszuschälen und zur Diskussion zu stellen. Damit wollen wir zu einem frischen (und hoffentlich erfrischenden) Blick aufs lokale Kunstschaffen anregen.

Der Schlüssel zu dieser Kernidee, die sich nach Vorstudien und im Austausch mit diversen Akteuren des Zürcher Kunstbetriebs allmählich herauskristallisierte, war für uns der Titel. Denn er enthält einen ganzen Katalog von Fragen: Was eigentlich genau ist die «Kunstszene Zürich»? Wer zählt (sich) zu ihr? Welche Kräfte gestalten sie? Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer? Wodurch zeichnet sie sich aus – und was fehlt ihr? Wie hat sie sich verändert in den letzten Jahren?

Diese Fragen weisen auch auf einen noch grösseren Kontext hin: Was ist eine lokale Kunstszene am Anfang des 21. Jahrhunderts, in dem die Schattenseiten der Globalisierung je länger je mehr hervortreten? Wer fördert sie, wer schreibt ihre Geschichte? Und nicht zuletzt: Was heisst es eigentlich heute, Kunst in Szene zu setzen, sie zu inszenieren? Welche Räume – reale oder digitale – gibt es dafür, welche Bedingungen herrschen dort? Welche Formen des Ausstellens, Präsentierens, Kuratierens, ganz generell, des Vermittelns? Fragen, die auch Zündstoff bergen. 

Diese Fragen liegen dem Experiment mit dem Titel «Kunst: Szene Zürich 2018» zugrunde. Das Experiment ist als mehrteilige und -tägige, modulare Veranstaltung konzipiert. Nach jetzigem Stand wird sie sich vor allem an zwei Hauptorten abspielen: dem Helmhaus und der Kunsthalle. Die Veranstaltung wird im Wesentlichen zwischen zwei Wochenenden Ende November 2018 stattfinden, nämlich vom 22. November bis zum 2. Dezember 2018.

Ein modulares Modell

2017 in die städtische Sammlung aufgenommen: Collin Guillemet, «The Parrot is the Message».
2017 in die städtische Sammlung aufgenommen: Collin Guillemet, «The Parrot is the Message», 2011, Holz, behandelt und unbehandelt, Socke, Metallkette, 70 x 65 x. 135 cm.

Im Helmhaus werden Mitglieder der städtischen Kommission für Bildende Kunst in Zusammenarbeit mit der Kunstsammlung der Stadt einen Rückblick auf die Kunstankäufe der Stadt in den vergangenen Jahren bieten. Denn die Kunstsammlung der Stadt Zürich ist nicht nur dazu da, Kunst für die Amtshäuser, Räume und Büros der Stadtverwaltung bereitzuhalten; sie ist ein wichtiges Instrument der Kunstförderung, da das Gros der Ankäufe auf Antrag der Kommission für Bildende Kunst erfolgt. Somit bildet sie zugleich einen zentralen Speicherort für die Geschichte der Zürcher Kunst der letzten Jahrzehnte.

In der Kunsthalle findet am Wochenende vom 24. November 2018 die Buchmesse «Volumes. Independent Art Publishing Fair» statt. Es ist ein Kunstbuch-Festival und bringt unabhängige Verlage, Publikationsprojekte, Zines und Zeitschriften aus Zürich und der Welt zusammen. «Volumes» wird begleitet von Diskussionsrunden, Workshops, Konzerten und einer überraschenden Sonderausstellung.

Mit diesen beiden Hauptorten wird ein Rahmen aufgespannt, in dem dann ein hoffentlich reiches und farbiges Mosaik von Ausstellungen, Präsentationen und Veranstaltungen aller Art entstehen wird. 

Offener Ideen- und Projektwettbewerb

2017 in die Sammlung der Stadt Zürich gekommen: Kevin Aeschbacher, «Tiefstpreisgarantie», 2016, Öl und Acryl auf Baumwolle, 175 x 115 x 3,5 cm.
2017 in die Sammlung der Stadt Zürich gekommen: Kevin Aeschbacher, «Tiefstpreisgarantie», 2016, Öl und Acryl auf Baumwolle, 175 x 115 x 3,5 cm.

Seitens der Kulturabteilung wollen wir dafür einige konkrete Anstösse geben, um die Entwicklung von Ideen und Projekten zur Präsentation und Vermittlung lokaler Kunst anzuregen und zu fördern.

So ist ein öffentlich ausgeschriebener Wettbewerb für freie Projekte vorgesehen. Gewünscht sind Konzepte, die auf pfiffige, unkomplizierte und auch für ein breites Publikum einfach zugängliche Weise die Präsentation und Vermittlung des lokalen Kunstschaffens ermöglichen. Wir wollen das Nachdenken über die Bedingungen des Lokalen in einer Zeit des globalen Austauschs stimulieren. Im besten Fall wird durch die Projekte – die auch an unkonventionellen Orten stattfinden können – der Austausch und die Vernetzung zwischen den verschiedenen Akteuren, Szenen, Kunstschaffenden, Vermittelnden und dem Publikum in der Stadt gestärkt werden.

Denn es gibt viele, die sich in dieser Stadt um Kunst kümmern, abseits der grösseren und bekannten Kunstinstitutionen oder der Galerienszene. Es gibt beispielsweise zahlreiche Offspaces oder Ateliergemeinschaften. Es gibt die Gemeinschaftszentren in den Quartieren, die ihre Räume oft für kleinere Ausstellungen öffnen. Es gibt die verschiedenen Ausbildungsstätten, es gibt Künstlerverbände. Aber oft wissen die verschiedenen «Szenen» nicht voneinander oder sind nur einem kleinen Kreis bekannt. Ein wichtiges Anliegen der «Kunst: Szene Zürich 2018» ist es daher, ganz nebenbei auch das Terrain zu sondieren.

Die «Kunst: Szene 2018» wird also eine Veranstaltung sein, die neben den erwähnten beiden Hauptorten aus einer Reihe von Satelliten bestehen wird, in denen sich ganz verschiedene Möglichkeiten zur Kunstpräsentation auftun. Nicht zuletzt wird sie aber auch eine Serie von Veranstaltungen bieten, in denen diskutiert, debattiert und auf verschiedene Weise der Austausch angeregt wird über die Bedingungen, die das lokale Kunstschaffen in Zürich angesichts der globalen Herausforderungen prägen. So wirken sich diese beispielsweise gerade auf den Kunstmarkt sehr unmittelbar aus, und die Schweiz ist hier bekanntlich keine Insel.

Ein Experiment, das von Neugierde und Vielfalt lebt

Ankauf 2017: Marc Bauer, «Untitled (Annemarie und Ella on car 1939», 2017, Bleistift und Buntstift auf Papier, 35 x 48 cm (Rahmen).
Ankauf 2017: Marc Bauer, «Untitled (Annemarie und Ella on car 1939», 2017, Bleistift und Buntstift auf Papier, 35 x 48 cm (Rahmen).

Zuletzt noch zur Organisation: Die Projektorganisation ist dem Kulturchef Peter Haerle unterstellt. Das Projektleitungsteam besteht aus Barbara Basting seitens der Kulturabteilung/Ressortleitung Bildende Kunst, Alexandra Blättler (Kunsthistorikerin und Kuratorin) und Barbara Weber (Theaterregisseurin und Kuratorin). Alexandra Blättler ist seit vielen Jahren in der Zürcher Kunstszene tätig und kennt diese im Detail, unter anderem aus ihrer Perspektive als Kuratorin der Gebert Stiftung für Kultur Rapperswil sowie der Coalmine in Winterthur, einer Initiative der Volkart Stiftung. Als Co-Kuratorin war sie 2008 an der Überblicksausstellung «Shifting Identities» im Kunsthaus Zürich beteiligt, 2013 verantwortete sie im Zürcher Museum Bärengasse die Ausstellung «Twisted Sisters» in Kooperation mit der Schwesterstadt San Francisco. Zudem ist sie seit 2017 Mitglied der Kunstkommission des Kantons Zürich und wirkt regelmässig in Jurys mit, u.a. als Gast der Eidgenössischen Kunstkommission für die Swiss Art Awards oder zahlreicher Kunst und Bau Projekte. Dieses Jahr hat sie überdies zusammen mit Sabine Rusterholz zum zweiten Mal die Klöntal-Triennale organisiert. Barbara Weber hat sich als Regisseurin, Intendantin und Kuratorin einen Namen gemacht, insbesondere als Co-Intendantin des Theater Neumarkt 2008–2013 (zusammen mit Rafael Sanchez). Sie arbeitete unter anderem für das Theaterhaus Gessnerallee in Zürich, die Münchner Kammerspiele, die Wiener Festwochen und die Salzburger Festspiele. Sie hat, etwa mit dem «Theater der Überforderung» 2015 in der Zürcher Kunsthalle, auch Projekte im Kunstkontext realisiert. Zusammen mit Martin Heller ist sie für das kulturelle Programm zum Reformationsjubiläum in Zürich verantwortlich. Mit ihrem wachen Sinn für aktuelle Debattenthemen und interdisziplinäre Zugänge ebenso wie mit ihrer Kenntnis der lokalen Verhältnisse in Zürich vor allem aus der Theaterperspektive verfügt sie über einen eigenen Blick auf die Thematik der «Kunst: Szene Zürich 2018», auf Fragen des «Inszenierens» und «Präsentierens» von Kunst in der Gegenwart.

Im Steuerungsausschuss sind neben Peter Haerle, Kulturchef der Stadt Zürich, auch Daniel Baumann (Kunsthalle Zürich), Simon Maurer (Leiter Helmhaus Zürich), Roland Roos (Mitglied Kommission für Bildende Kunst der Stadt Zürich) und Sandi Paucic (Präsident Visarte Zürich) vertreten. Die für die Organisation und die Projektorganisation beantragten Budgets entsprechen in etwa dem Aufwand für die bisherige «Kunstszene».

Wir hoffen, dass das Experiment mit diesem neuen Konzept auf Anklang stossen wird. Die «Kunst: Szene Zürich 2018» lebt von der Vielfalt der Beteiligten, auch von der Lust, gemeinsam für die Kunstschaffenden und die Kunst in Zürich sowie für deren Wahrnehmung etwas Neues zu versuchen und zu gestalten.

Der nächste Meilenstein wird die Ausschreibung des erwähnten Projekt- und Ideenwettbewerbs sein. Sie ist für den Herbst 2017 vorgesehen. Die Ausschreibung wird öffentlich kommuniziert werden, u.a. auf der Homepage von Stadt Zürich Kultur.

Text: Barbara Basting, Ressortleitung Bildende Kunst, Stadt Zürich Kultur

Rückblende: Die Ausstellung «Zwischenlager» von 2011

Die Ausstellung «Zwischenlager» zeigte 2011 sämtliche Ankäufe, die zwischen Herbst 2006 bis Winter 2010 von der Kommission für Bildende Kunst der Stadt Zürich angeregt wurden. Arbeiten von nicht weniger als 72 Kunstschaffenden kamen zusammen. Sie erlaubten einen intensiven Einblick ins produktive, vielfältige Kunstschaffen unserer Stadt. 2018 sollen – in welcher kuratorischer Form ist offen –  die Ankäufe der vergangenen Jahre vorgestellt werden.

Fotos: Ansichten der Ausstellung «Zwischenlager» von 2011 mit Kunstankäufen der Stadt Zürich der Jahre 2006–2010, Helmaus Zürich / FBM Studio, Zürich.
Die Fotos der 2017 von der Stadt Zürich angekauften Werke wurden von den KünstlerInnen sowie den Galerien BolteLang und Peter Kilchmann zur Verfügung gestellt.

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