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Dichter am Apparat - Literatur begegnet Film, Radio und Internet

23. September - 29. November 2009

Als im 20. Jahrhundert der Film die Massen in die Kinosäle zu locken begann, waren die Schriftsteller zuerst einer tiefen Verunsicherung ausgesetzt.
Drohte die Entmachtung des souverän über seinen Schreibtisch verfügenden Dichterfürsten durch den Aufstand der Kinohelden und Filmstars?

Brachten die Schriftsteller der neuen Konkurrenz vorerst eher Verachtung entgegen, versuchten bald die findigsten, sich des neuen Mediums zu bedienen.
Alfred Döblin schrieb seinen erfolgreichen Roman "Berlin Alexanderplatz" zum Filmdrehbuch und zum Hörspielskript um und lancierte damit ein erstes Beispiel multimedialer Auswertungsmöglichkeiten der Literatur. Weit über die ökonomischen Vorteile dieser Strategie hinaus ging es ihm jedoch darum, sich mit der Sprache des Films und des Hörspiels auseinander zu setzen und damit der Literatur neue Wirkungsmöglichkeiten zu erschliessen.

In den fünfziger Jahren tat es ihm der Schriftsteller Peter Weiss mit seinen Experimentalfilmen nach, und seit den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist es neben Herbert Achternbusch, Händl Klaus, Matthias Zschokke und anderen vor allem Alexander Kluge, der Kino und Fernsehen für die Erweiterung der Literatur mit anderen Mitteln einsetzt.

Ähnliches wie beim Film geschah beim Radio.
Walter Benjamin und Bertolt Brecht gehörten zu den ersten, die für den Rundfunk arbeiteten und dessen gesellschaftliche Bedeutung erkannten. Beide wünschten sich das Radio als offenen "Kommunikationsapparat", der sowohl als Sender wie Empfänger funktioniert.

Hitlers Machtergreifung bedeutete allerdings das Ende solcher Experimente. Sie konnten erst in der Nachkriegszeit wiederaufgenommen werden, in der das Hörspiel eine Blüte erlebte. Von Günter Eich über Ernst Jandl und Friederike Mayröcker bis zu Paul Plampers Audio-Installationen entwickelt sich das Hörspiel immer noch weiter.

Nach Hans Magnus Enzensbergers erstmals 1974 konzipiertem "Poesieautomat", der auf Knopfdruck Gedichte ausspuckt, führen Autorinnen und Autoren die Idee einer maschinellen, künstlichen Poesie im Internet weiter. Mit Hypertextstruktur, Interaktivität und Multimedialität entstehen durch Programmierung gelenkte, vom Leser/User aber veränderbare Texte.

"Dichter am Apparat" will keine lückenlose Geschichte der Begegnung zwischen Literatur und neuen Medien erzählen, sondern an ausgewählten Beispielen die in dieser Begegnung möglich werdende kreative Erneuerung der literarischen Sprache aufzeigen.
Sie verzichtet auf Originalexponate zugunsten einer multimedialen und interaktiven Präsentation von Hörstationen, Filmprojektionen und Computerarbeitsplätzen. Als Leitinformationssystem dienen acht eigens für die Ausstellung produzierte Kurzfilme, in denen Expertinnen und Experten über ihre Arbeit zwischen Literatur und neuen Medien berichten.  

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