Global Navigation

Platzbenennungen an der Sihlfeldstrasse

Medienmitteilung

Im Rahmen des Projekts «Westumfahrung Zürich, Aufwertung der Quartiere» werden in den Stadtkreisen 3 und 4 an der Sihlfeldstrasse drei neue Plätze entstehen: Ein Doppelplatz bei der Verzweigung der Sihlfeld-, Gertrud- und Weststrasse und ein einzelner bei der Einmündung von Marta-, Agnes-, Erismann- und Karl-Bürkli-Strasse in die Sihlfeldstrasse.

23. September 2009

In seiner heutigen Sitzung hat der Stadtrat auf Antrag der Strassenbenennungskommission die neuen Plätze benannt. Der Doppelplatz im Kreis 3 heisst Brupbacherplatz nach dem Ärzteehepaar Brupbacher, wobei die eine Platzhälfte Fritz Brupbacher, die andere Paulette Brupbacher-Raygrodski gewidmet ist. Der einzelne Platz im Kreis 4 ist nach der Kämpferin für die Arbeiterschaft und die Gleichberechtigung der Frauen, Anny Klawa-Morf, mit Anny-Klawa-Platz benannt. Damit werden in den ehemaligen Arbeiterquartieren wichtige frühe Vertreterinnen und Vertreter der Arbeiterbewegung geehrt.

Fritz Brupbacher (1874-1945) zog als junger Arzt nach Aussersihl und eröffnete an der Badenerstrasse 259 (Wiedikon) eine erste Praxis. Er lernte die oft sehr elenden Lebenssituationen der Arbeiterfamilien kennen, beschrieb sie auch und machte es sich zur Aufgabe, die Verhältnisse zu verbessern. Er tat dies nicht allein aus karitativem Anstoss, sondern sah als überzeugter Sozialist darin einen notwendigen Schritt zu einer Selbst-
befreiung der Arbeiterschaft in einer proletarischen Revolution. Brupbacher war ein markanter, selbstständig denkender Politiker und Aktivist der Linken in einer Zeit, als sich in vielen Ländern Europas Bürgertum und organisierte Arbeiterschaft als geschlossene Blöcke gegenüber standen. Als eigenständiger Denker wurde er sowohl aus der Sozialdemokra-
tischen als auch später aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Die Bildung der Arbeiterschaft war ihm ein zentrales Anliegen. Ein immer wiederkehrendes (Tabu-) Thema war in seinen Referaten und Schriften die Geburtenkontrolle. Die Arbeiterfamilien, die – oft ungewollt – sehr viele Kinder hatten, die oft von Geburt an unterernährt und krank waren, sollten die Anzahl ihrer Kinder steuern können. Seine dritte Frau, Paulette Raygrodski, führte diese Kampagne mit ihm zusammen in den 1920er- und 1930er-Jahren.

Paulette Brupbacher-Raygrodski (1880-1967) führte mit ihrem Mann zusammen
eine Arztpraxis an der Kasernenstrasse 17, wo sie sich speziell um die Frauen kümmerte. Wie ihr Mann, setzte sie sich mit grossem Einsatz für die Aufklärung der Arbeiterschaft in Fragen der Geburtenplanung und der Sexualmoral ein. Eines ihrer zentralen Anliegen war die Gleichberechtigung der Frauen. Sie war eine von vielen Frauen aus Osteuropa, die seit den 1860er-Jahren in der Schweiz studierten und damit Pionierinnen der akademischen Laufbahn von Frauen hierzulande waren. Die Tätigkeit Paulette Brupbachers war wie jene ihres Mannes eng mit den Quartieren Aussersihl und Wiedikon verbunden.

Anny Klawa-Morf (1894-1993) ist eine wichtige Repräsentantin einer Gruppe von Frauen, die sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in Zürich als überzeugte Sozialistinnen für bessere Lebensbedingungen der Arbeiterschaft und die Gleichberechtigung der Frauen einsetzten. Viele dieser Verbesserungen mussten der Arbeitgeberschaft abgerungen werden. Bis zum sogenannten «Friedensabkommen» von 1937 standen sich Arbeiterschaft und Bürgertum als gegnerische bis feindliche Blöcke gegenüber. 1909 trat Anny Morf in die Textilarbeitergewerkschaft ein und gründete 1911 eine «Sozialistische Mädchengruppe». Im Grossen Streik von 1912 war Anny Morf in der Streikleitung und fand danach keine Anstellung mehr. Es folgten mehrere Jahre Gelegenheitsarbeiten, Aufenthalte im Ausland sowie in Gefängnissen. Ab 1921 lebte sie in Bern, wo sie nach ihrer Heirat mit Janis Klawa 1922 die sozialdemokratische Organisation der Kinderfreunde Bern (Rote Falken) gründete und bis 1967 leitete. Im Lauf der Jahrzehnte war sie Hunderten von Kindern eine Mutter. Die überzeugte Sozialistin war eine vehemente Vorkämpferin für die Rechte der Frauen, vor allem der Arbeiterinnen.

Die Quartiervereine Aussersihl-Hard und Wiedikon haben keine Einwände gegen die Benennungen erhoben.

Weitere Informationen