Global Navigation

Marsch fürs Läbe: Warum nur eine Platz-Kundgebung stattfinden soll

Medienmitteilung

Die Stadtpolizei Zürich kann einen Umzug, der von gewaltbereiten Gruppen angegriffen wird, mit geeigneten Mitteln nicht vollständig schützen. Das Risiko, dass Menschen verletzt werden, ist erheblich. Dies hat der «Marsch fürs Läbe» im Jahr 2019 gezeigt. Stadträtin Karin Rykart hat deshalb für das Jahr 2021 nur eine stehende Kundgebung bewilligt. Der Stadtrat stützt diesen Entscheid.

1. Oktober 2020

Im Jahr 2019 fand in Zürich ein Umzug des «Marsch fürs Läbe» statt. Einen solchen zu bewilligen, statt bloss eine stehende Kundgebung, hatte das Verwaltungsgericht verlangt. Am Tag dieses Umzugs demonstrierten im Kreis 5 dann gleichzeitig und friedlich Gegnerinnen und Gegner des Marschs. Mehrere Gruppierungen, darunter auch gewaltbereite, formierten sich in der Nähe des Turbinenplatzes und versuchten, mit heftigen Angriffen den «Marsch fürs Läbe» zu stören. Dieser startete deshalb erst mit einer Dreiviertelstunde Verspätung, musste unterwegs abgebrochen und zum Turbinenplatz zurückgeführt werden. Die gewaltbereiten Gruppen hatten Barrikaden errichtet und angezündet. In mehreren Situationen wurden Passantinnen und Passanten gefährdet, darunter auch Kinder. Gewalttätige Personen griffen Feuerwehrleute an, drei Polizisten wurden durch Stein- und Flaschenwürfe verletzt. Auch der Veranstalter des «Marsch fürs Läbe» räumte ein, dass es 2019 zu den bisher heftigsten Angriffen durch Gegendemonstrierende gekommen ist.

Im Juni 2020 stellte der Veranstalter des «Marsch fürs Läbe» erneut ein Gesuch für einen Umzug nächstes Jahr in der Innenstadt mit anschliessender Kundgebung auf dem Münsterhof. Die Stadtpolizei beantragte der Sicherheitsvorsteherin aufgrund der Erfahrung von 2019, nur eine stehende Kundgebung zu bewilligen. Nur eine solche stationäre Kundgebung könne mit verhältnismässigen Mitteln vor den Angriffen der militanten Gegnerinnen und Gegner geschützt werden. 

Sicherheitsvorsteherin Karin Rykart betrachtet die Grundrechte als hohes Gut, das es zu schützen gilt. Allerdings gilt ein einzelnes Grundrecht nicht absolut. Bei Veranstaltungen wie dem «Marsch fürs Läbe» ist auch die Sicherheit von unbeteiligten Passanten, Demonstrationsteilnehmenden – unter denen sich auch Kinder und ältere Personen befinden –, Geschäften, anderen Sachwerten wie auch die Sicherheit der Polizeiangehörigen und Rettungskräfte zu berücksichtigen. Auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist ein Grundrecht. Zudem ist eine stehende Kundgebung auf dem Turbinenplatz dem Veranstalter zumutbar, weil die Teilnehmenden ihr Anliegen auch hier wirksam vertreten können. Die mediale Präsenz ist ihnen zudem gewiss.

Demonstrieren – ein Grundrecht mit Grenzen

Gestützt auf die polizeiliche Lagebeurteilung und im Abwägen der letztlich geringfügigen Einschränkung der Meinungsäusserungsfreiheit gegen mögliche Verletzte oder Schlimmeres, hat sich Karin Rykart für die sichere Variante entschieden: Die Bewilligung einer stehenden Kundgebung auf dem Turbinenplatz am 18. September 2021. Ohne Umzug durch die Stadt. Auch rechtlich scheint dieser Entscheid nicht abwegig: Die bundesgerichtliche Rechtsprechung sagt, dass die Grundrechtsausübung von Demonstrantinnen und Demonstranten nicht grenzenlos garantiert werden muss.

Es kommt immer wieder vor, dass Demonstrationen in der Stadt Zürich nicht so durchgeführt werden können, wie es vom Veranstalter gewünscht wird – fast immer findet die Stadt mit dem Veranstalter eine Lösung, meistens ist dies dann eine stehende Kundgebung. 

Dass es Gruppen von gewaltbereiten Menschen schaffen, einen an sich friedlichen und harmlosen Umzug zu verhindern, ist für Karin Rykart bitter. «Ich bedaure diesen Umstand sehr und verurteile das Vorgehen dieser Gruppen», sagte Karin Rykart am Donnerstag,

1. Oktober 2020, vor den Medien. «Gewalt ist leider eine Realität und gehört zur Kehrseite eines freiheitlichen Staates. Ich muss also abwägen: Welchen Preis soll Zürich bereit sein zu zahlen dafür, dass der Marsch durch die Stadt ziehen kann? Müssen wir Verletzte oder Schlimmeres in Kauf nehmen? Ich finde: Nein.»

Sicherheitsprobleme auch andernorts

Der «Marsch fürs Läbe» hat in den letzten Jahren wegen seinen militanten Gegnerinnen und Gegnern regelmässig Schwierigkeiten gehabt. So hat die Stadt Bern 2016 nur eine stehende Kundgebung bewilligt, 2017 fand der Marsch dezentral in der ganzen Schweiz statt. Die Regierung in Obwalden hat ihn 2018 aus Sicherheitsgründen ganz verboten. Und dieses Jahr sollte eine stehende Kundgebung in privaten Räumen in Winterthur stattfinden, ebenfalls aus Sicherheitsgründen wurde der Marsch vom Besitzer der Liegenschaft kurzfristig wieder ausgeladen.

Gegen den Entscheid der Sicherheitsvorsteherin hatte der Veranstalter des «Marsch fürs Läbe» beim Gesamtstadtrat eine Einsprache eingereicht. Diese hat der Stadtrat am Mittwoch, 30. September 2020, abgelehnt und damit Stadträtin Karin Rykart in ihrer Beurteilung gestützt. Der Entscheid des Stadtrats ist nicht rechtskräftig, der Veranstalter kann ihn beim Statthalter anfechten.

Weitere Informationen