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Die eigene Sicherheit geht vor

Es geschah in einer warmen Samstagnacht. Wir wurden um 00.24 Uhr zu einem Ertrinkungsunfall gerufen. Bei einer solchen Einsatzmeldung wird nebst einem Rettungsteam zusätzlich ein*e Notärzt*in aufgeboten. Meine Aufgabe war, den Notarzt zum Einsatzort zu fahren und alles rund um den Einsatz zu koordinieren.

Polizei schlichtet bei einem Einsatz
Illustration: Daniel Müller

Ramona erzählt

Es geschah in einer warmen Samstagnacht. Wir wurden um 00.24 Uhr zu einem Ertrinkungsunfall gerufen. Bei einer solchen Einsatzmeldung wird nebst einem Rettungsteam zusätzlich ein*e Notärzt*in aufgeboten. Meine Aufgabe war, den Notarzt zum Einsatzort zu fahren und alles rund um den Einsatz zu koordinieren. Kurze Zeit später trafen wir gleichzeitig mit dem Rettungswagen am Einsatzort ein. Der Weg zum Patienten war sehr schmal, deshalb legten wir die letzten Meter zu Fuss zurück. Wir fanden einen jungen Mann vor, er lag bewusstlos und blutend am Boden. Obwohl sehr viele Leute vor Ort waren, konnte uns niemand sagen, was passiert war. Die Situation war chaotisch und unübersichtlich. Sofort kümmerten sich das Team vom Rettungsdienst und der Notarzt um den schwer verletzten Patienten. Ich versuchte unterdessen herauszufinden, was passiert war. Ausserdem musste ich die Passant*innen daran hindern, über die Einsatzkräfte, den Patienten und das Material hinwegzusteigen – nur damit sie ihren Weg fortsetzen konnten. Die Einsatzkräfte behandelten die grosse Blutung am Bein und fanden bei der genaueren Untersuchung eine Stichverletzung im Brustkorb. Der Patient kämpfte ums Überleben, und wir wussten immer noch nicht, was geschehen war.

Plötzlich kamen etwa zwanzig junge, sehr aufgebrachte Männer auf uns zu. Sie behaupteten, der Patient hätte ihnen etwas gestohlen, und sie wollten ihn zur Rede stellen. Zum Glück eilten mir zwei Securitas-Mitarbeiter zu Hilfe. Die Männer waren gereizt und die Situation unübersichtlich, weshalb ich Unterstützung durch die Polizei anforderte. Für uns Rettungssanitäter*innen sind solche Situationen unangenehm. In der Ausbildung lernen wir, dass die eigene Sicherheit oberste Priorität hat und wir uns in Gefahrensituationen zurückziehen müssen. Eine verletzte Person einfach zurücklassen? Diese Entscheidung ist schwierig zu treffen und bringt uns in ein Dilemma. Hinzu kommt, dass solche Situationen sehr dynamisch sind. Zum Glück kommen solche Ereignisse selten vor. Mit dem Versprechen, dass die Männer anschliessend alles der Polizei erzählen dürfen, beruhigte sich die Situation so weit, dass wir den nötigen Platz erhielten, um uns um den Patienten zu kümmern. Die Kolleg*innen der Polizei trafen ein und übernahmen alles Weitere. Die Rettungskräfte stabilisierten den Patienten und brachten ihn zur weiteren Behandlung ins Spital.

Am kommenden Morgen liessen wir an einer Einsatznachbesprechung die nächtlichen Ereignisse nochmals Revue passieren – erleichtert, dass zuletzt alles eine gute Wendung genommen hatte.

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