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Vorlage im Detail

Vorlage 1: Totalrevision der Gemeindeordnung

Ausgangslage

Neues Gemeindegesetz verlangt Anpassung der Gemeindeordnung

Seit dem 1. Januar 2018 gilt das neue Gemeindegesetz im Kanton Zürich. Das Gemeindegesetz erfordert eine Anpassung von verschiedenen städtischen Rechtsgrundlagen. Diese müssen bis spätestens 31. Dezember 2021 umgesetzt sein. Insbesondere die Zürcher Gemeindeordnung, die Verfassung der Stadt, muss überarbeitet werden.

Die aktuelle Gemeindeordnung von 1971 hat sich bewährt, weist jedoch einen erheblichen Anpassungsbedarf auf. Die rechtlichen Bestimmungen sind teilweise überholt. Die Gemeindeordnung weist inhaltliche Lücken und sprachliche Unklarheiten auf. Auch Aufbau und Systematik sind nicht mehr zeitgemäss. Deshalb wird die Gemeindeordnung als Ganzes einer Totalrevision unterzogen und modernisiert. Da die Revision innert der vorgegebenen Frist erfolgen muss, wird auf substanzielle und politisch umstrittene inhaltliche Neuerungen verzichtet.

Funktionen der Gemeindeordnung

Die neue Gemeindeordnung

Modernisierung mit einzelnen inhaltlichen Anpassungen

Mit der Totalrevision erhält die Stadt eine moderne Gemeindeordnung. Die Gemeindeordnung ist formal und sprachlich aufgefrischt worden. Inhaltliche Anpassungen wurden dann vorgenommen, wenn diese durch politische Vorstösse gefordert wurden oder ein Änderungsbedarf ausgewiesen war. Die zeitliche Umsetzungsvorgabe des Kantons liess hingegen keine weiteren und grösseren inhaltlichen Anpassungen zu. Über solche Änderungen sollen die Stimmberechtigten in Zukunft separat und ohne Zeitdruck diskutieren und abstimmen können.

Gliederung in neun Teile

Die Gemeindeordnung weist eine neue Systematik und einen vollständig neuen Aufbau auf. Sie ist in neun Teile gegliedert, die – abgesehen von einigen allgemeinen Teilen – nach Organen unterteilt sind. Darin sind die Kompetenzen, Befugnisse und Rechte der einzelnen Organe geregelt.

1. und 2. Teil: Allgemeine Bestimmungen und Aufgaben und Ziele (Art. 1–23)

Der allgemeine Teil enthält die Bestimmungen zur Funktion der Gemeindeordnung als Verfassung, zur Organisation der Stadt und zur Bezeichnung der Behörden. Hier sind auch die zwölf Stadtkreise sowie ihre Funktionen als Betreibungs- und Stadtamtskreise, Friedensrichterkreise, Schulkreise und Wahlkreise festgelegt. Im 2. Teil sind bestimmte Aufgaben und Ziele der Stadt verankert. Da diese aufgrund von Volksinitiativen Eingang in die bisherige Gemeindeordnung fanden, werden sie inhaltlich unverändert übernommen. Als sogenannte Programmnormen sind sie jedoch nicht direkt anwendbar, sondern müssen mit separaten Beschlüssen umgesetzt werden. Erwähnt werden können zum Beispiel der wohnpolitische Grundsatzartikel (Abstimmung vom 27. November 2011) oder die Veloschnellrouten (Abstimmung vom 27. September 2020).

3. Teil: Die Stimmberechtigten (Art. 24–39)

Die Stimmberechtigten sind das oberste Organ der Stadt. Wegen der demokratischen Bedeutung werden nach wie vor alle Gegenstände aufgelistet, die zwingend zu einer Volksabstimmung führen. Gestützt auf eine Empfehlung der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren entscheiden die Stimmberechtigten neu erst ab einem Betrag von 2 Millionen Franken (bisher 1 Million Franken) über neue jährlich wiederkehrende Ausgaben. Die Zuständigkeitsgrenze für neue einmalige Ausgaben bleibt unverändert bei 20 Millionen Franken. Neu werden zudem auch Ausgaben für Miet-, Pacht- und Baurechtszinsen von jährlich mehr als 2 Millionen Franken dem obligatorischen Referendum unterstellt. Reicht eine bewilligte Ausgabe nicht aus, richtet sich die Zuständigkeit für die Bewilligung der zusätzlichen Ausgaben nach der allgemeinen Kompetenzzuordnung. Daneben werden alle Beschlüsse aufgelistet, gegen die die Stimmberechtigten das Referendum nicht ergreifen können. Aufgrund des übergeordneten Rechts darf der Gemeinderat keine weiteren Beschlüsse wegen ihrer Dringlichkeit vom Referendum ausschliessen. Schliesslich gibt es eine Anpassung bei der Wählbarkeit: Neu gilt die Wohnsitzpflicht in der Stadt zusätzlich für Friedensrichterinnen und Friedensrichter sowie für Betreibungsbeamtinnen und Betreibungsbeamte. Für bisherige Amtsträgerinnen und Amtsträger wird in den Schlussbestimmungen eine Ausnahme festgelegt.

4. Teil: Der Gemeinderat (Art. 40–64)

Bisherige Bestimmungen, die bereits durch andere Erlasse oder das Gemeindegesetz gedeckt sind, wurden gestrichen. Weitere Bestimmungen müssten zwar nur in der Geschäftsordnung des Gemeinderats geregelt werden, sollen aber aufgrund ihrer Bedeutung in der Gemeindeordnung verankert bleiben. Die Wahl-, Rechtsetzungs-, Verwaltungs- und Finanzbefugnisse des Gemeinderats bleiben grösstenteils unverändert. Entsprechend der Kompetenzanpassung bei den Ausgaben entscheidet der Gemeinderat neu über jährlich wiederkehrende Ausgaben von über 100 000 Franken bis 2 Millionen Franken sowie Schenkungen von über 100 000 Franken bis 1 Million Franken. Neu ist zudem der Stadtrat nicht mehr abschliessend für alle Informatikausgaben zuständig. Über neue einmalige Informatikausgaben von mehr als 2 Millionen Franken wird künftig der Gemeinderat befinden. Daneben wird eine Grundlage eingeführt, die ein virtuelles Parlament in ausserordentlichen Lagen ermöglicht. Neu wird ein Jugendvorstoss eingeführt, womit eine Versammlung von mindestens 60 Kindern und Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren mit Mehrheitsbeschluss einen Vorstoss beim Parlament einreichen kann.

5. Teil: Die Behörden (Art. 65–121)

In diesem Teil werden Organisation, Aufgaben und Befugnisse des Stadtrats, der Schulpflege, der Kreisschulbehörden, der Schulkommissionen und der Sozialbehörde geregelt. Gemäss Gemeindegesetz darf die Verwaltungsorganisation nicht mehr detailliert in der Gemeindeordnung festgelegt werden, sondern ist vom Stadtrat in einem separaten Erlass zu definieren. Die bisherigen, ausführlichen Bestimmungen zur Departementsgliederung wurden deshalb ersatzlos gestrichen.

Der Stadtrat nimmt grundsätzlich alle jene Aufgaben wahr, die nicht ausdrücklich einem anderen Organ zugewiesen sind. Deshalb werden in der Gemeindeordnung nach wie vor nur jene Kompetenzen und Befugnisse des Stadtrats erwähnt, die eine besondere Bedeutung aufweisen oder die der Stadtrat nicht delegieren darf. Neu entscheidet der Stadtrat entsprechend der Kompetenzanpassung bei den Ausgaben über jährlich wiederkehrende Ausgaben bis 100 000 Franken und Schenkungen bis 100 000 Franken. Mitglieder des Stadtrats dürfen wie bisher nicht den eidgenössischen Räten und neu auch nicht mehr dem Kantonsrat angehören.

Die Schulorganisation sowie die Kompetenzen und Befugnisse der Schulpflege und der Kreisschulbehörden werden inhaltlich grundsätzlich übernommen. Die Kompetenzen der Schulkommissionen ändern sich dahingehend, dass neu der Stadtrat für die Besetzung der Schulrektorinnen und -rektoren zuständig ist. Der Sozialbehörde werden neu Kompetenzen im Bereich des Asylwesens zugewiesen. Die Schulpflege, die Schulkommissionen und die Sozialbehörde stellen dem Stadtrat Antrag über jene Geschäfte, die nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen. Bei Geschäften zuhanden des Gemeinderats entscheidet der Stadtrat, ob er sie dem Gemeinderat unterbreitet. Des Weiteren enthält dieser Teil auch Vorgaben zum Arbeitsverhältnis der städtischen Angestellten. Dazu zählen auch die Angestellten von öffentlich-rechtlichen Anstalten der Stadt.

6. Teil: Weitere Stellen (Art. 122–138)

In diesem Teil finden sich die Regelungen zu weiteren Funktionen, die bestimmte Aufgaben für die Stadt wahrnehmen: Finanzkontrolle, Wahlbüro, Betreibungs- und Friedensrichterämter, Ombudsstelle und Datenschutzstelle. Hier sind nur wenige Anpassungen und Änderungen zu verzeichnen. Neu wird etwa sichergestellt, dass sich Angestellte der Betreibungsämter bei Streitigkeiten an den Stadtrat wenden können. Eine weitere inhaltliche Änderung ergibt sich aus einem Vorstoss des Gemeinderats: Die Ombudsstelle erhält einen grösseren Handlungsspielraum, indem sie neu auch von sich aus tätig werden kann.

7. Teil: Öffentliche Anstalten (Art. 139–151)

Der 7. Teil ist den öffentlichen Anstalten gewidmet: Vorsorgestiftung, Unfallversicherung, Asyl-Organisation und Kongresshaus-Stiftung. Die Bestimmungen sind nur in geringem Umfang angepasst worden.

8. Teil: Umsetzung von Aufgaben und Zielen (Art. 152–155)

Die Bestimmungen listen insbesondere zeitliche Umsetzungsziele wie zur Reduktion des CO2-Ausstosses, zum Ausstieg aus der Atomenergie sowie zur Erhöhung des öffentlichen, des Fuss- und des Veloverkehrs und des Anteils gemeinnütziger Mietwohnungen auf.

9. Teil: Schlussbestimmungen (Art. 156–158)

In den Schlussbestimmungen finden sich die notwendigen Regelungen über die Aufhebung des bisherigen Rechts und das Inkrafttreten der neuen Gemeindeordnung. Ausserdem wird in einer Übergangsbestimmung eine Ausnahme von der Wohnsitzpflicht für bereits heute ausserhalb der Stadt wohnende Friedensrichterinnen und Friedensrichter sowie Betreibungsbeamtinnen und Betreibungsbeamte festgelegt. Sofern die Stimmberechtigten zustimmen und der Regierungsrat die Gemeindeordnung genehmigt, soll diese per 1. Januar 2022 gelten.

Die neue Gemeindeordnung findet sich im vollen Wortlaut in einer separaten Beilage zu dieser Abstimmungspublikation.

Minderheitsstandpunkt der FDP-Fraktion

Das neue Gemeindegesetz macht eine Anpassung der Gemeindeordnung, also der städtischen «Verfassung», nötig. Die heutige Gemeindeordnung hat sich inhaltlich bewährt, weshalb sich Stadtrat und Gemeinderat ganz zu Beginn der Revisionsarbeiten darauf verständigten, dass einzig eine Nachführung vorgenommen werden soll: Also Anpassung an den neuen kantonalen Rahmen, aber keine neuen Bestimmungen, welche politisch umstritten sind.

Verletzung von Abmachungen: Foul Play

Leider ist bereits der Stadtrat im Entwurf, den er dem Gemeinderat zur Beratung überwiesen hatte, von dieser Zusage abgewichen. Der Vorschlag enthielt zahlreiche neue Bestimmungen, die weit über eine reine Nachführung hinausgingen. Einige dieser neuen Bestimmungen, wie die Möglichkeit für Mitglieder des Stadtrats, sich neben ihrem Regierungsamt zusätzlich in den Nationalrat oder Ständerat wählen zu lassen, konnten in der Ratsdebatte verhindert werden, andere kamen dagegen dazu. Unter dem Strich bleiben so zu viele Neuerungen, die weit über eine Nachführung hinausgehen.

Beschneidung der Kompetenzen von Parlament und Stimmbürgerschaft

Beispielsweise sieht die aktuelle Vorlage eine Erhöhung der Finanzkompetenzen des Stadtrats vor. Diese Änderung wird ohne Not oder schlüssige Begründung vorgeschlagen. Pro Jahr würden dadurch mehr als ein Dutzend Geschäfte nicht mehr im Parlament diskutiert und beschlossen, sondern vom Stadtrat in eigener Kompetenz und abschliessend festgelegt. All diese Geschäfte würden also auch dem fakultativen Referendum entzogen, das ein wichtiges Kontrollinstrument der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger darstellt.

Eingriff in Transparenzvorschriften

Weiter gibt es in der aktuellen Gemeindeordnung eine detaillierte Regelung bezüglich der Offenlegung der Interessenbindungen der 125 Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, die in einer früheren Volksabstimmung mit 82 Prozent Ja-Anteil angenommen worden war. Obwohl zur Auslegung dieser Bestimmungen beim Abschluss des Geschäfts im Gemeinderat noch ein Rechtsverfahren hängig war, hat die Ratsmehrheit diese Transparenzbestimmung auf einen Satz reduziert. Ein für die Bevölkerung sehr wichtiges Anliegen – wie die Offenlegung von Interessenbindungen – muss auf der Stufe Verfassung geregelt werden. Und nicht in irgendeinem tieferen Erlass, der dann ohne obligatorisches Referendum abgeändert werden kann.

Die FDP-Fraktion empfiehlt deshalb ein Nein zur Vorlage.

Minderheitsstandpunkt der SVP-Fraktion

Die Gemeindeordnung (GO) ist unsere städtische Verfassung. Der Auslöser dieser Anpassung ist das revidierte Gemeindegesetz. Der Stadtrat wählte die Nachführung für die GO. Zur Wahl der Nachführung schreibt der Stadtrat: «Im Falle einer Nachführung werden zusätzlich die erkannten formellen und rechtlichen Unzulänglichkeiten ausgemerzt, eine neue Systematik […] eingeführt sowie […] eine sprachliche Modernisierung durchgeführt. Die entstandene Rechtspraxis wird in der Gemeindeordnung neu verankert bzw. ‹nachgeführt›.»

Nein zum Demokratieabbau

Die Minderheit unterstützt die Nachführung und somit die Anpassungen an übergeordnetes Recht. Der Stadtrat ignoriert jedoch seinen Entscheid, wenn es um seine Machtposition geht. Er will mehr Kompetenzen und diese dem Volk und Parlament entziehen. Bei den Finanzkompetenzen des Gemeinderats sollen die Stimmberechtigten erst ab einem Betrag von jährlich mehr als 2 Millionen Franken bei neuen wiederkehrenden Ausgaben entscheiden können. Bisher lag die Schwelle bei 1 Million Franken, dies ist eine Verdoppelung des Betrags und ist ein drastischer Demokratieabbau. Aus Sicht der Minderheit ist eine solch fundamentale Änderung – ein solcher Machtanspruch durch die Legislative – nicht im Sinne einer Nachführung und auch in keiner Art und Weise begründbar.

Nein zur Machtansammlung des Stadtrats

Neben den exorbitanten Machtverschiebungen bei den Finanzkompetenzen sollen dem Stadtrat bei den Betreibungsbeamtinnen und -beamten neu die aufsichtsrechtlichen Befugnisse einer Anstellungsinstanz zukommen. Zudem kann bei Anordnungen der Betreibungsbeamtinnen und -beamten (Stadtamtsfrauen und Stadtammänner) in Anwendung des städtischen Personalrechts beim Stadtrat ein Begehren um Neubeurteilung gestellt werden. Die Mehrheit des Parlaments möchte dem Stadtrat noch mehr Kompetenzen und Aufgaben zugestehen. Aus Sicht der Minderheit ist dies absolut unnötig, die Verfahren werden komplizierter, zeitaufwendiger und Kompetenzen sowie Vertrauen den Stadtamtsfrauen und Stadtammännern entzogen. Der Stadtrat hat andere Aufgaben und soll sich auf diese fokussieren.

Nein zum Kindervorstoss

Es ist eine paradoxe Situation. Mit dieser Vorlage werden die Rechte der Stimmberechtigten massiv reduziert und man ermöglicht gleichzeitig eine neue Partizipationsform. Kinder und Jugendliche von 12 bis 18 Jahre sollen neu die Möglichkeit erhalten, einen Vorstoss einzureichen. Auf den ersten Blick mag diese Idee verlockend sein, in der Realität versteckt sich aber ein kompliziertes und aufwendiges Verfahren dahinter. Dadurch verkommt der Kindervorstoss zum Rohrkrepierer. Es bestehen genügend Alternativen, um sinnvolle Ideen einzubringen. So stehen 125 gewählte Personen des Parlaments zur Verfügung. Ebenso können Verwaltung, Stadtrat, Parteien und andere Interessenvertretungen kontaktiert werden. Jede stimmberechtigte Person der Stadt Zürich kann zudem eine Einzelinitiative einreichen.

Die SVP-Fraktion empfiehlt deshalb ein Nein zur Vorlage.

Antrag

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