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Beginn und Durchsetzung der Reformation in Zürich

Mit Unterstützung des Rates konnte Huldrych Zwingli die Reformation in Zürich in wenigen Jahren durchsetzen. Hier predigte er von Anfang an gegen die Verehrung der Heiligen, formulierte seine Zweifel am Fegefeuer und kritisierte das kirchliche Zinsnehmen. Er stellte sich gegen das Priesterzölibat und das Fastengebot, wobei Letzteres 1522 anlässlich eines demonstrativen Wurstessens bei Buchdrucker Christoph Froschauer gebrochen wurde. Dies führte zum offenen Konflikt mit dem Bischof von Konstanz und der Katholischen Kirche.

In seinen Predigten verwies Zwingli darauf, dass einzig die Evangelien für den christlichen Glauben und das christliche Leben massgebend seien und sich die Predigt demzufolge nach ihnen zu richten habe. Zehnten und Zinsen etwa seien in der Heiligen Schrift nicht begründet. Mit diesem vom Zürcher Rat 1522 sanktionierten Schriftprinzip («sola scriptura») wandte sich Zwingli bewusst gegen die katholische Kirche und deren Lehre. Zusammen mit dem Schriftprinzip anerkannte er die weiteren seit 1517 von Luther formulierten «soli-Prinzipien» als zentrale evangelische Grundsätze. Allein durch den Glauben («sola fide») und allein durch die Gnade Gottes («sola gratia») erlange der Mensch Rechtfertigung und Heil (Prädestination), und wenn er allein an Christus glaube («solus Christus»), werden ihm seine Sünden vergeben und die Strafen erlassen.

Beim Marburger Religionsgespräch kam es 1529 zum Bruch zwischen Zwingli und Luther. Zwar konnte bei diesem Treffen, an dem auch andere Reformatoren teilnahmen, über die meisten theologischen Streitfragen eine Einigung erzielt werden, hingegen nicht über die Eucharistie (Abendmahl). Während Luther, darin dem alten Glauben folgend, an der Realpräsenz von Christi Fleisch und Blut am Abendmahl festhielt, betonte Zwingli deren blossen Symbolcharakter. Dies hatte weitreichende Folgen, wird doch die Trennung der Reformierten – und später der Calvinisten – und der Lutheraner mit diesem Treffen angesetzt.

Weitere Differenzen gab es in Zürich wegen des vom Rat seit Jahrzehnten geforderten Verbots der eidgenössischen Solddienste und des damit einhergehenden Pensionenwesens. Zwingli, der an den oberitalienischen Feldzügen (Schlachten bei Novara 1513 und Marignano 1515) als Feldprediger der Glarner Truppen teilgenommen hatte und über das dort Erlebte erschüttert war, votierte ebenfalls dagegen und begründete dies theologisch und moralisch-ethisch. Damit gerieten er und der die Reformation unterstützende Rat in Opposition zu einer den Solddienst unterstützenden lokalen Führungsschicht, die vehement bekämpft wurde. Am 1521 abgeschlossenen Soldbündnis mit Frankreich nahm Zürich als einziger eidgenössischer Ort nicht teil. Der Rat hatte sich diesbezüglich zuvor mit einer Volksanfrage abgesichert. Bis 1612 wurden keine solchen Bündnisse mehr abgeschlossen (Bern bis 1582).

Zwingli wollte Solddienst- und Pensionenverbot auf die gesamte Eidgenossenschaft ausdehnen und ging dabei in seinen Predigten und Schriften immer aggressiver vor. Die eidgenössischen Orte, allen voran die innerschweizerischen, wandten sich entschieden dagegen, da Reislauf, Solddienst und Pensionen für sie von grossem ökonomischem Interesse, ja sogar von existentieller Bedeutung waren.

Abbildung: Ausschnitt aus dem «Murerplan» von 1576

Der inzwischen zum Chorherrn am Grossmünster gewählte Huldrych Zwingli war anfangs nicht unangefochten, weshalb ein Religionsgespräch Klarheit schaffen sollte. Mit solchen Disputationen sollten konfessionelle Kontrahenten von der Notwendigkeit der Kirchenreform überzeugt werden. Die erste Zürcher Disputation brachte 1523 die offizielle Anerkennung von Zwinglis Lehre und die Aufhebung des 1506 mit dem Bischof von Konstanz geschlossenen Vertrags über Gerichtskompetenzen.

Abbildung: Entwurf zur Übergabeurkunde der Fraumünsterabtei an die Stadt, 1524, Seite 1 (Stadtarchiv Zürich, III.B.961.:9.)

Die zweite Zürcher Disputation 1523 über den «Zürcher Bilderstreit» und die Messe führte in der Folge zu grundlegenden Entscheiden zugunsten der Reformation: Statt der Messe sollte künftig die Predigt im Vordergrund stehen. Unter Berufung auf das Schriftprinzip wurden die sieben Sakramente auf die Taufe und das Abendmahl, welches an nur noch vier Sonntagen im Jahr durchgeführt wurde, reduziert. Die Bilder entfernte man aus den Kirchen. Mit Ausnahme des Grossmünsters wurden alle Klöster und Stifte auf Zürcher Gebiet aufgehoben sowie ihre Besitzungen und Einkünfte säkularisiert und als Klosterämter zusammengefasst. Das ehemalige Klostervermögen wurde vom übrigen Klostergut gesondert verwaltet und dazu 1533 das Obmannamt eingerichtet. Die Einnahmen der Ämter sollten für die Kirche und deren Aufgaben verwendet werden, so u. a. für die staatliche Armenfürsorge (Almosenordnung 1520, erneuert 1525), doch nahm man sie ebenso für die Tilgung von Staatsschulden und den Kauf von Herrschaftsrechten in Anspruch. Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger beschwerte sich später mehrmals erfolglos gegen diese Zweckentfremdung der kirchlichen Einkünfte. Das 1525 anstelle des bischöflich-geistlichen Gerichts (Offizialat) geschaffene Ehegericht kümmerte sich um die Einhaltung der Sittenmandate und kirchenrechtlichen Verordnungen. Es setzte sich aus weltlichen und geistlichen Delegierten zusammen.

Abbildung: Ausschnitt aus dem «Murerplan» von 1576

Hauptkirche im gesamten Staatsgebiet war das Grossmünster mit dem vom Rat auf Lebenszeit gewählten Antistes als oberstem Pfarrer (Antistes-Titel zuerst Ehrentitel, erst im 17. Jahrhundert institutionalisiert). Als Vorsteher der Zürcher Kirche präsidierte er den kirchenpolitisch massgebenden Examinatorenkonvent und die 1528 eingeführte Kirchensynode. Im reorganisierten Chorherrenstift wurden Schulen eingerichtet, darunter das Carolinum, nebst anderen Bezeichnungen auch Prophezey genannt, einer philologisch-philosophisch-theologisch ausgerichteten Akademie zur Ausbildung der künftigen Pfarrer.

Diese für die Kirche und die gesamte Bevölkerung einschneidenden Massnahmen konnten nur mit obrigkeitlichem Einverständnis verwirklicht werden. Zwingli kam dabei zugute, dass sich einflussreiche Zürcher Familien und allen voran Mitglieder von Handwerkerzünften für ihn einsetzten und so der Reformation zum Erfolg verhalfen. Darüber hinaus trugen unzählige Propagandaschriften zu deren Gelingen bei, was zeigt, wie bedeutend der Buchdruck für die Reformation gewesen ist. Bei Christoph Froschauer erschien die erste, 1531 vollständig vorliegende Zürcher Bibelübersetzung.

Anderen wie Konrad Grebel oder Felix Manz gingen Zwinglis Forderungen hingegen zu wenig weit. Sie stellten weitreichendere religiöse, politische und soziale Forderungen, woraus die Täuferbewegung entstand. Zwingli wandte sich gegen deren Ansichten, die zu Bauernunruhen geführt hatten. Er war gegen eine Radikalisierung der Reformation und meinte, dass sich diese nur mit staatlicher Unterstützung und nicht gegen den Staat durchsetzen könne. So lehnten die Täufer den Gemeindeeid und Militärdienst als nicht in der Heiligen Schrift begründet ab, ebenso forderten sie die Abschaffung der Zehnten. Die Täufer standen auf verlorenem Posten. Ihre Bewegung wurde in kurzer Zeit zerschlagen, ihre Führer wurden verhaftet, einige von ihnen hingerichtet.

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