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Arbeit an der Sprache bei der Arbeit

15. September 2017 - Barbara Thurnher

Rund 13'000 Erwachsene besuchen jährlich auf dem Platz Zürich Deutschkurse für Fremdsprachige − unabhängig von schulischen oder beruflichen Ausbildungen. Weil Sprachen jedoch am effektivsten im Alltag gelernt werden, ist gerade der Arbeitsplatz ein geeigneter Ort, um Deutschkenntnisse zu festigen und zu erweitern. Arbeitgeber realisieren zunehmend, dass in diesem Bereich der Ertrag für den Betrieb mit vergleichsweise wenig Aufwand bemerkenswert hoch ist.

Abbildung 1: Betriebsmitarbeiter im firmeninternen Deutschkurs © Stiftung Chance, Zürich

Auch im Umfeld zunehmender Internationalisierung haben vier von fünf Bewohnerinnen und Bewohnern Zürichs Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch als Hauptspra­che. Für beinahe ein Drittel der jungen Bevölkerung zwischen 15 und 25 Jahren ist im All­tag jedoch Mehrsprachigkeit der Normalfall, weitaus am häufigsten ist dabei die Kombination einer anderen Sprache mit Deutsch. Gleichzeitig sprechen aber rund acht Prozent oder 25 000 Personen im erwerbsfähigen Alter im beruflichen oder privaten Umfeld gar kein Deutsch.

Gute Sprachkenntnisse sind für die wirtschaftliche und soziale Integration wichtig. Deshalb lernen viele in der Stadt Zürich lebende Fremdsprachige von sich aus Deutsch. Sie nutzen das vielfältige und gut ausgebaute Kursangebot, das vor allem der private Markt bereitstellt. Die städtische Sprachförderung ergänzt diese vielfältigen Deutschkurse gezielt durch besondere Lernangebote, die beispielsweise eine parallele Möglichkeit zur Betreuung von Vorschulkindern gewähren oder die sich an besonders langsam Lernende richten. Sie ermöglicht damit jenen BewohnerInnen der Stadt alltags- und handlungsrelevante Lernfortschritte, die kein oder wenig Deutsch sprechen und die gleichzeitig durch das bestehende Angebot des Marktes nicht oder nur bedingt erreicht werden.

Städtische Sprachförderung

Seit 2009 engagiert sich Zürich koordiniert für die Verbesserung der Sprachkenntnisse von Erwachsenen mit Deutsch als Zweitsprache. Per 2019 stellt der Stadtrat mit Beschluss vom 12. Juli 2017 die Sprachförderung auf eine neue Grundlage. Das aktualisierte städtische Sprachförderkonzept 2019 ermöglicht insbesondere die Subventionierung von Niveaukursen, die den Sprachstand und Lerntyp der Teilnehmenden differenziert berücksichtigen. Unterstützt werden aber auch Alphabetisierungs- bzw. Nachalphabetisierungskurse sowie Einstiegskurse in einigen peripheren Quartieren. Und ein spezieller Kredit finanziert unter anderem neue Einstiegsangebote und anwendungsorientierte Trainingsmöglichkeiten mit. Auf diese Weise wird die Durchführung von 162 Semesterkursen pro Jahr möglich, die von voraussichtlich 1800 Personen pro Jahr besucht werden. Den ausgewiesenen Working poor unter ihnen können zudem die Kosten nach vollendetem Kursbesuch rückerstattet werden.

Warum werden Sprachen gelernt?

Als Motivation für das freiwillige Erlernen von Sprachen − also unabhängig von Schule oder Ausbildung − werden gemäss einer Analyse von Statistik Zürich am häufigsten berufliche Gründe angegeben: Von allen, die eine Sprache lernen, tun dies in Zürich 28 Prozent aus beruflichen Gründen, schweizweit sogar 32 Prozent. Und die Betreffenden tun dies gemäss dieser Umfrage deut­lich häufiger, um die Sprache an ihrem aktuellen Arbeitsplatz erfolgreicher einzusetzen, als mit dem Ziel, eine bessere oder über­haupt eine Stelle zu finden.

  

Quelle: Statistik Stadt Zürich

  

Wo findet Lernen statt?

Der beste Sprachkurs bringt wenig, wenn das Erlernte nicht regelmässig angewendet werden kann. Und besonders nachhaltig gelernt wird eine Sprache bekanntlich im Alltag. In der Stadt Zürich sind die bei der Arbeit mit Abstand am häufigsten gesprochenen Sprachen nach wie vor Schweizer- und Hochdeutsch, gefolgt von Englisch. Auch für fremdsprachige Berufstätige ist der Arbeitsplatz deshalb ein idealer Ort, um Deutschkenntnisse zu festigen und zu erweitern. Umgekehrt bringt eine bewusste betriebliche Sprachförderung aber auch dem Arbeitgeber viel: reibungslosere Abläufe, weniger Missverständnisse, Fehler und Unfälle, aber auch mehr Identifikation und Integration bei den einzelnen Mitarbeitenden.

Schweizerdeutsch und noch markanter Hochdeutsch wird auf dem Platz Zürich von bedeutend mehr Personen bei der Arbeit als zu Hause verwendet – obwohl auch bei den im familiären Rahmen gesprochenen Sprachen Mehrfachnennungen möglich waren. Es gibt also einen beachtlichen Anteil Personen in der Stadt Zürich, die zu Hause überhaupt kein Deutsch verwenden, dies am Arbeitsplatz jedoch ausdrücklich tun. Dieser Umstand verleiht dem Anliegen der Sprachförderung am Arbeitsplatz nochmals ein zusätzliches Gewicht.

Quelle: Statistik Stadt Zürich

Arbeitgeberin Stadt Zürich

Das Thema «Deutschförderung am Arbeitsplatz» ist in den Integrationspolitischen Zielen 2015-2018 der Stadt Zürich verankert. Bereits 2012 publizierte die Integrationsförderung auf Ihrer Website ein Grundlagenpapier sowie ein Factsheet zum Thema (vgl. «Mehr zum Thema», Deutschförderung in der Stadtverwaltung). Betreffend das Jahr 2015 hat sich die Integrationsförderung mittels einer verwaltungsinternen Erhebung einen Überblick über Bedarf und bereits realisierte Fördermassnahmen in der städtischen Verwaltung verschafft: Rund 2000 städtische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben als Fremdsprachige einen «gewissen Bedarf an Deutschförderung». Das hat die Anfang 2016 ausgewertete Umfrage bei den HR-Verantwortlichen ergeben. Laut Erhebung besuchten im gleichen Jahr etwas mehr als 10 %, nämlich 221 Mitarbeitende, individuelle Deutschfördermassnahmen. Gemessen an der Wirkung, die die Sprachförderung am Arbeitsplatz für die Wirtschaftlichkeit und für die Integration der Migrantinnen und Migranten hat, ist das vergleichsweise wenig.

Einige Dienstabteilungen der städtischen Verwaltung wie die Pflegezentren oder die IMMO nehmen diese Herausforderung seit längerem an und realisieren mit Erfolg massgeschneiderte Deutschkurse für Mitarbeitende in unterschiedlichen Funktionen und Positionen. Dass Deutsch lernen Spass machen kann, zeigt auch der nachfolgende Film über die Kurse bei den Alterszentren der Stadt Zürich.

Bessere Pflege - gepflegtes Deutsch ASZ

Betriebliche Deutschförderung

Eine Köchin erkärt einem fremdsprachigen Mitarbeiter die Fritteuse.
Abbildung 2: Instruktionssequenz an einer Küchenmaschine © fide/SEM

Die Erfahrung aus Pilotprojekten in unterschiedlichen Betrieben hat gezeigt, dass der grösste Sprachlernzuwachs beim gleichzeitigen Etablieren von zwei ineinandergreifenden Weiterbildungsmassnahmen erfolgt: Einerseits dem Bereitstellen von auf die Funktionen zugeschnittenen Deutschkursen mit Handlungs- und Teilnehmendenorientierung, Fokussierung auf den konkreten Sprachbedarf und Einbezug des institutionellen Kontexts. Und andrerseits dem konsequenten Einbezug des deutschsprachigen Umfelds, insbesondere der deutschsprachigen direkten Vorgesetzten, die durch das Übernehmen besonderer Verantwortung aktiv zum Gelingen der innerbetrieblichen Deutschförderung beitragen können.

Deutschsprachige Vorgesetzte können innerhalb von etwa sieben Halbtagen zu innerbetrieblichen Prozessverantwortlichen für die Förderung arbeitsplatzbezogener Deutschkenntnisse von fremdsprachigen Mitarbeitenden geschult werden. Sie werden befähigt, die Lernhaltigkeit des eigenen Arbeitsplatzes zu erkennen und mit dem Ziel zu nutzen, die Sprach- und Kommunikationskompetenz der fremdsprachigen Mitarbeitenden zu fördern. Dies mit einfachen Massnahmen: Sie schaffen praktische Lerngelegenheiten im Betrieb, indem sie beispielsweise Materialien gut sichtbar und vierzehntäglich wechselnd beschriften, oder indem sie wiederkehrende Dialoge mit den Fremdsprachigen systematisch und in Variationen spielerisch einüben. Je nach Arbeitsplatz und Teamzusammensetzung etablieren sie Standarddeutsch statt Dialekt als Betriebssprache und achten bei allen Mitarbeitenden auf die Verwendung von einfachem, aber korrektem Deutsch. Davon profitieren häufig auch die deutschsprachigen KollegInnen. Die Prozessverantwortlichen können auch kleine Lernkarteien mit den wichtigsten Begriffen und illustrierte Dokumentationen mit zentralen Dialogmodellen im Pausenraum bereitstellen bzw. plakatieren. Mit wenig Aufwand und entsprechender Sensibilisierung können auf diese Weise erfreuliche Resultate erzielt werden.

Ausländische Mitarbeiterin liesst Händewasch-Anleitung auf Deutsch.
Abbildung 3: Lerngelegenheiten schaffen − Plakatieren von Arbeitsabläufen direkt am Objekt © fide/SEM

Das Potential der Vorgesetztenschulung in diesem Bereich wird aktuell noch zu wenig erkannt und bleibt gerade deshalb ein zentrales Anliegen der Sprachförderung am Arbeitsplatz. So wurde im Rahmen des «Integrationsdialogs Arbeiten» der Tripartiten Agglomerationskonferenz TAK für die Periode 2016-2018 ein Pilotprojekt für Veranstaltungen von Berufsverbänden oder ähnliche Anlässe mit Arbeitgebenden lanciert: Eine durch das Staatssekretariat für Migration SEM vermittelte und finanzierte Referentin erläutert anhand von Praxisbeispielen, was Betriebe zur Sprachförderung im Arbeitsalltag konkret unternehmen und wie die Vorgesetzten entsprechend geschult werden können.

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