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Trendwende beim Wohnflächenkonsum

10. September 2015 - Urs Rey

Etwa 39 Quadratmeter Wohnfläche steht jedem Bewohner und jeder Bewohnerin der Stadt Zürich zur Verfügung. Das sind sieben Quadratmeter weniger als im Schweizer Durchschnitt, was aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und des tiefen Eigentumsanteils in der Stadt nicht anders zu erwarten ist. Doch wie hat sich die Wohndichte in den letzten Jahren entwickelt? Beanspruchen die Zürcherinnen und Zürcher wie früher laufend mehr Wohnraum (vgl. Anmerkung 1 am Ende des Textes)?

Es ist nicht ganz einfach, den aktuellen Wohnflächenkonsum in den zeitlichen Kontext zu stellen. Die Berechnung erfolgt heute aufgrund neuer Registerdaten. Die Entwicklung der Wohnfläche kann seit 2008 dank dem Gebäude- und Wohnungsregister laufend verfolgt werden. Für die Berechnung der Wohnfläche pro Kopf müssen aber nicht ständig bewohnte Wohnungen (z.B. Zweitwohnungen, Business Apartments usw.) ausgeblendet werden, genauso wie auf der Bevölkerungsseite die Bewohnerinnen und Bewohner von Kollektivhaushalten (z.B. Altersheimen) und Einzelzimmern (z.B. Studentenwohnungen) nicht berücksichtigt werden. Der Aufbau dieses Systems war aufwändig und führte dazu, dass die Veränderung des Wohnflächenkonsums erst seit 2013 zuverlässig ausgewiesen werden kann. 

Hoher Bevölkerungsdruck

Immerhin gibt bereits die Beobachtung von Einwohnerzahl und Wohnbautätigkeit wichtige Aufschlüsse über die Tendenzen der letzten 15 Jahre (Grafik 1). Bis 2007 wuchs der Wohnungsbestand stärker als die Einwohnerzahl – ein weiterer Anstieg des Wohnflächenkonsums kann für diese Zeit angenommen werden. Seit 2008 erhöhte sich die Dynamik: Die Zahl der Wohnungen wuchs bis Mitte 2015 um 13 000, die Bevölkerungszahl sogar um 38 000. Auf eine zusätzliche Wohnung entfallen somit 2,9 zusätzliche Personen – deutlich mehr als die mittlere Wohnungsbelegung, die im Bestand 1,9 Personen beträgt. Es ist deshalb davon auszugehen, dass dieser hohe Bevölkerungsdruck in den letzten Jahren auch die Wohndichte erhöht hat.

Grafik 1: Wachstum Einwohnerzahl und Wohnungsbestand 2000-2014 (indexiert)

Erhöhte Belegung im Wohnungsbestand

Die Veränderung der Wohnfläche pro Person kann wie erläutert nicht exakt nachverfolgt werden. Die Trendentwicklung lässt sich aber anhand einer Teilgruppe des Wohnungsbestandes aufzeigen, nämlich des seit 2000 baulich nicht veränderten Altbestandes. In der Gewissheit, dass die Wohnungszahl und die Wohnfläche in diesen Gebäuden konstant blieb, kann die Veränderung der Bewohnerzahl interpretiert werden. Dabei zeigt sich das vermutete Bild: Von 2000 bis 2008 ging die Personenzahl in diesen Gebäuden um etwa 1,4 Prozent zurück. Nach 2008 stieg die Bewohnerzahl aber wieder um 1,3 Prozent an; personenbezogen ist also eine erhöhte Belegung im Altbestand festzustellen. Die Erhöhung der Personenzahl im bestehenden Siedlungsgebiet wird – um sie von der baulichen Verdichtung abzugrenzen – als «soziale Verdichtung» bezeichnet.

Die soziale Verdichtung der letzten Jahre kann auch anhand der Entwicklung der Gesamtwohnfläche pro Person gezeigt werden (Grafik 2 und Anmerkung 2). Dieser Kennwert stieg von 39,5 Quadratmeter im Jahr 2000 auf 40,4 Quadratmeter im Jahr 2008 und ging bis Ende 2014 wieder auf 39,9 Quadratmeter zurück. Der Wohnflächenkonsum in den untersuchten Altbauten liegt heute also noch etwas höher als im Jahr 2000. Der Trend ist aber klar rückläufig.

Grafik 2: Entwicklung Gesamtwohnfläche pro Person in unveränderten Altbauten 2000-2014

Verdichtung an zentralen Lagen, Ausdünnung in neueren Gebäuden

Die Berechnung des Gesamtwohnflächenkonsums in Altbauten erlaubt nicht nur eine Globalaussage für die ganze Stadt, sondern auch vertiefte Analysen für verschiedene Bereiche des Wohnungsmarktes. So kann gezeigt werden, dass die soziale Verdichtung, also ein Rückgang der Wohnfläche pro Person, in zentraler gelegenen Quartieren schon seit 2000 anhält. Nach 2008 wird sie auch am Stadtrand allmählich zur Norm.

Eine Ausdünnung der Bewohnerzahl ist dagegen bis heute in neueren Gebäuden festzustellen. Dieses Phänomen ist auf selektives Umzugsverhalten zurückzuführen: Der Entscheid zu einem Wohnungswechsel erfolgt nicht zufällig, denn er ist mit beträchtlichem Aufwand verbunden. Haushalte tendieren vor allem zu einem Umzug, wenn die Mitgliederzahl steigt, beispielsweise beim Zusammenziehen von Partnern oder wenn sich Nachwuchs einstellt. Wenn die Personenzahl rückläufig ist, wie bei Trennungen oder wenn junge Erwachsene ausziehen, ist der Anreiz klein, die Wohnsituation anzupassen. Neubauten werden ausschliesslich von Wohnungssuchenden und damit ziemlich optimal belegt. Nach einigen Jahren beginnt aber das selektive Umzugsverhalten zu wirken, und die durchschnittliche Haushaltsgrösse nimmt ab. Dieser ausdünnende Effekt ist in den Belegungsdichten der Bauten bis zurück in die 1970er Jahre festzustellen. Er hat sich aber seit 2008 tendenziell abgeschwächt.

Gemeinnützige Mietwohnungen dicht belegt, private legen zu

Auffällig sind die Unterschiede nach Eigentumsart. Grafik 3 vergleicht die Veränderung in den Perioden 2001-2007 und 2008-2014 und unterscheidet drei Gebäudeeigentumsgruppen. In der ersten Gruppe, dem selbstbewohnten Eigentum (Einfamilienhäuser in Privatbesitz, Stockwerkeigentum) steht mit 53,0 Quadratmetern am meisten Gesamtwohnfläche pro Person zur Verfügung. Die Belegung in den entsprechenden Altbauten nahm ständig ab; das heisst die Gesamtwohnfläche pro Person erhöhte sich. Bis 2007 stieg sie um 0,9 Quadratmeter, und auch nach 2008 setzte sich die Ausdünnung fort, ging aber um die Hälfte zurück.

Die Altbauten der zweiten Gruppe, den gemeinnützigen Bauträgern, sind dicht belegt; hier stehen den Bewohnerinnen und Bewohnern pro Person nur 33,8 Quadratmeter Gesamtwohnfläche zur Verfügung. Bis 2007 erhöhte sich hier der Flächenkonsum. Seit 2008 ist die Ausdünnung allerdings zum Stillstand gekommen; der Flächenkonsum bleibt seither konstant.

Die dritte Gruppe der privaten Mietwohnungen ist dem angespannten Wohnungsmarkt am meisten ausgesetzt. Dementsprechend war die Ausdünnung hier schon seit 2000 nur schwach ausgeprägt, und seit 2008 ist eine deutliche Verdichtung festzustellen. Die zur Verfügung stehende Gesamtwohnfläche pro Person nahm um einen Quadratmeter ab. Mit 40,5 Quadratmetern ist sie aber immer noch klar höher als bei den gemeinnützigen Bauträgern.

Grafik 3: Veränderung der Gesamtwohnfläche pro Person nach Gebäude-Eigentumsgruppen

Verdichtung nach Umzügen

Seit kurzem erlaubt die verbesserte Datengrundlage eine genaue Beobachtung des Wohnflächenkonsums. Gemäss den konsolidierten Daten ist die durchschnittliche Wohnfläche pro Person über die ganze Stadt und inklusive Neubauten im Verlauf des Jahres 2014 von 39,2 auf 39,0 Quadratmeter zurückgegangen.

Ab 2014 kann auch die Auswirkung von Umzügen näher untersucht werden (Grafik 4). Im baulich unveränderten Bestand wurde 2014 insgesamt eine Bewohnerzunahme von 1000 Personen festgestellt. Es gibt dabei jedoch einen deutlichen Unterschied zwischen den 138 000 Wohnungen, in denen nach einem Jahr noch derselbe Haushalt wohnte, und den 19 000 Wohnungen, die von einem anderen Haushalt neu bezogen wurden. Im Gros der Wohnungen ohne Umzug nahm die Bewohnerzahl 2014 um 1300 Personen ab, was einer Ausdünnung von 0,5 Prozent entspricht und eine Folge des erwähnten selektiven Umzugsverhaltens ist. In den relativ wenigen neubezogenen Wohnungen wuchs die Bewohnerzahl hingegen um 2300 Personen, was pro Umzug einer durchschnittlichen Verdichtung von 8,3 Prozent entspricht.

Die Einwohnerzahl der Stadt stieg 2014 um mehr als 6000 Personen. Ausser den 1000 Personen, die im Altbestand Platz fanden, bewohnten 4500 Personen Neubauten und weitere 1700 Personen Wohnungen in umgebauten Gebäuden (inkl. Umnutzungen, Anbauten und Aufstockungen). Damit wurden die Abbrüche kompensiert, aufgrund derer 1600 Personen ihre Wohnung verlassen mussten. 

Grafik 4: Veränderung der Bewohnerzahl 2014 nach Gebäudetyp

Dank der sozialen Verdichtung bei Umzügen innerhalb des Wohnungsbestandes wächst die Bevölkerungszahl der Stadt Zürich gegenwärtig stärker, als aufgrund der Wohnbautätigkeit zu erwarten wäre. Die mittlere Wohnfläche pro Kopf ist insgesamt leicht rückläufig. Noch vor zehn Jahren war der Wohnflächenkonsum angestiegen – nicht zuletzt, weil die Bevölkerung im Altwohnungsbestand kontinuierlich ausdünnte.

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