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Emil Acklin – Fotografie als Klassenkampf

Medienmitteilung

Bilder aus Zürichs Arbeiterquartieren von 1930 bis 1950 im Stadtarchiv

Er war Offizier und Revolutionär, Lehrer und Kommunist, Fotograf von Arbeit und Alltag und feinsinniger Beobachter des Gewöhnlichen: Der 1889 geborene Fotograf Emil Acklin hinterliess einen kleinen, aber ausserordentlich interessanten fotografischen Nachlass mit Schwerpunkt Zürcher Arbeiterfotografie von 1930–1950. Das Stadtarchiv macht Acklins Nachlass nun mit einer Ausstellung öffentlich.

24. September 2018

Für Emil Acklin (1889-1976) war die Fotografie die Fortsetzung des Klassenkampfs mit anderen Mitteln. Arbeiter und Arbeiterinnen und ihr alltägliches Lebensumfeld waren sein Lieblingssujet. Zudem fotografierte er zwischen 1932 und 1948 fast jeden 1. Mai-Umzug in Zürich. Der Mitbegründer des 1929 gegründeten Zürcher Arbeiterfotobunds wollte ganz explizit in seinen Bildern «etwas von seiner Weltanschauung hineinlegen» – seine Fotografien illustrieren aber noch weit mehr: Heute sind sie wertvolle Zeugen der Arbeits- und Lebenswelt des einfachen Zürcher Volkes und ein stimmungsvolles Porträt Zürichs zwischen 1930 und 1950.

Dass sich Acklin für die Welten des Zürcher Arbeiterquartiers Aussehrsihl links der Limmat interessierte, ist nicht verwunderlich. Der ursprünglich aus Ennetbaden stammende Lehrer und Oberleutnant wurde von den stürmischen Zeiten, die er als junger Mensch miterlebte, stark geprägt. Industrialisierung, Bildung der Arbeiterschicht, wirtschaftliche Not und Lebensmittelknappheit während der Kriegsjahre bewirkten bei Acklin einen tiefen Sinneswandel: Während seines Aktivdienstes wandte er sich antimilitaristischem und sozialistischem Gedankengut zu. 1917 liess er sich vom Fahneneid entbinden und wurde vom Dienst an der Grenze abgezogen. Im selben Jahr schloss er sich in Zürich der revolutionären Gruppe «Forderung» um Jakob Herzog, dem ehemaligen Vorstandsmitglied der Sozialistischen Jugendorganisation SJO und mitreissendem Redner und Agitator, an.

Die Gruppe «Forderung» wollte nicht nur Proteste gegen Krieg und Militarismus verfassen, sondern diesen auch Taten folgen lassen. Dies geschah schliesslich mit den Novemberunruhen 1917, an denen sich Acklin aktiv beteiligte und die mit einem Militäreinsatz und vier Todesopfern endeten. Emil Acklin wurde verhaftet und wegen «Aufwiegelung zur Aufruhr bzw. zur Meuterei» zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten verurteilt. Als er das Gefängnis im Juni 1918 verliess, musste er sich sein Leben ganz neu aufbauen; militärisch degradiert und vom Lehrerberuf aufgrund seiner Verurteilung ausgeschlossen, arbeitete er fortan als Privatlehrer und gab Akkordeonunterricht. Am Generalstreik 1918 nahm er nicht aktiv teil, arbeitete aber im Hintergrund mit sozialistischen Jungendgruppen.

1929 gründet Emil Acklin zusammen mit dem Schlosser Wilhelm Willi, einem talentierten fotografischen Autodidakten, den Zürcher Arbeiterfotobund mit dem Ziel, die Fotografie als Propagandamittel im Klassenkampf wirkungsvoll einzusetzen. In den zehn Jahren nach der Gründung des Arbeiterfotobundes entstanden denn auch die meisten Fotografien im Nachlass von Acklin.

Im fotografischen Schaffen von Acklin geht es aber nicht nur um Ideologie. Ihn interessierte das Beispielhafte, das Zeitlose. Er fing im Format der Fotografie die Realität so ein, wie er sie verstand und wie er sie verstanden haben wollte. Seine Bilder zeigen Leben und Arbeiten des einfachen Zürcher Volks, und es gelingt ihm, diese Menschen mit Empathie in ihrer ganzen Würde und Integrität zu zeigen. Seine Fotografien fallen somit nahtlos in die Kategorie der damals neuen, engagierten Dokumentarfotografie, wie sie Jakob Tuggener, Hans Staub oder Emil Schulthess vertraten.

Seit 2017 befindet sich das Fotoarchiv von Emil Acklin (1889-1976) im Stadtarchiv Zürich. In der zweiten Ausgabe seiner Zeitschrift arché unter dem Titel «Emil Acklin: Fotografie als Klassenkampf» stellt das Stadtarchiv Emil Acklin, seine Zeit und seine Bilder vor und macht in der gleichnamigen Ausstellung am Neumarkt vom 4. Oktober 2018 bis am 18. Januar 2019 seinen fotografischen Nachlass öffentlich.