«Mit dem eBaugesuch haben wir einen grossen Schritt hin zur Digitalisierung gemacht.»

In unseren Köpfen ist es wohl noch immer mit Aktenbergen aus Papier verbunden: Das Baugesuch. Mit der Anbindung an die kantonale Plattform «eBaugesuch» vom 5. Oktober 2020, hat das Amt für Baubewilligungen (AfB) der Stadt Zürich aber einen grossen Schritt in Richtung digitale Zukunft gemacht. Das Ziel ist nicht weniger als die volldigitalisierte Baueingabe. Welche Chancen die Digitalisierung ihrer Dienstabteilung bieten kann, erklärt Anne von der Heyde, Vize-Direktorin des Amts für Baubewilligungen, im Interview.

Artikel erschienen am 30. November 2020

Anne von der Heyde, was bedeutet für Sie persönlich Digitalisierung?

Digitalisierung heisst für mich im weitesten Sinne vor allem Flexibilität. Sie ist für mich ein Mittel zum Zweck. Ich persönlich möchte dank der Digitalisierung jederzeit von jedem Ort aus schnell und intuitiv meinen Alltag und mein Berufsleben organisieren und beides aufeinander abstimmen können.

Und in Bezug auf das Amt für Baubewilligungen (AfB) – ist sie eher Fluch oder Segen?

Ehrlich gesagt, wohl ein bisschen von beidem. Die Digitalisierung ist ein sehr komplexes Themenfeld und bindet viele Ressourcen. Der Initialaufwand für die einzelnen Projekte ist sehr hoch, das Erwartungsmanagement eine grosse Herausforderung und der Veränderungsprozess für alle Mitarbeitenden komplettes Neuland. Es ist wichtig, ständig neu zu priorisieren und gleichzeitig den Fokus nicht zu verlieren. Sich auf diese wechselnden Herausforderungen stetig neu einzulassen, verlangt den Mitarbeitenden einiges ab.

Gleichzeitig bietet die Digitalisierung uns enorm viele neue und tolle Möglichkeiten. Mobiles Arbeiten war vorher fast nicht möglich. Inzwischen kann dies allen Mitarbeitenden ermöglicht werden – auch nach der Coronapandemie. Dank einem Sprechstundenbuchungstool zum Beispiel kann der Arbeitstag besser strukturiert und organisiert werden. Und durch die Anpassung und Automatisierung diverser Prozesse kann generell eine Arbeitserleichterung und -unterstützung erzielt werden.

Das eBaugesuch ist als Projekt im AfB angelaufen – die Baueingabe soll mittelfristig voll digital ablaufen: Was verändert sich dadurch, was verbessert sich?

Wir haben mit der Anbindung an die kantonale Plattform eBaugesucheZH einen grossen und wichtigen Schritt betreffend Digitalisierung des Baubewilligungsverfahrens getan. Die Gesuchstellenden können Ihre Baugesuche nun einfach und bequem rund um die Uhr digital einreichen. Sie profitieren von mehr Transparenz und einem geführten Eingabeprozess mit automatischer Einbindung bekannter Datenquellen. Das erleichtert die Kundenbeziehung deutlich und steigert so auch unsere Reputation. Aber auch die Mitarbeitenden profitieren: Sie können flexibler und mobiler arbeiten. Sie können von überall und jederzeit auf die Baugesuchsunterlagen zugreifen. Das Amt für Baubewilligungen entwickelt sich dadurch zu einem noch moderneren und attraktiveren Arbeitgeber. Zudem wird sich die Zusammenarbeit mit unseren städtischen Vernehmlassungsstellen durch eine kollaborative Arbeitsweise zusätzlich verbessern. Wir können näher zusammenwachsen. Wenn alle enger zusammenarbeiten, entsteht dadurch mehr Transparenz, mehr Effizienz und vor allem mehr gegenseitiges Verständnis füreinander.

Wie ist das Feedback bisher, seitens der Baugesuchstellenden – seitens der Mitarbeitenden?

Bisher erhalten wir ausschliesslich positives Feedback seitens der Gesuchstellenden. Sie schätzen die Vorteile von eBaugesucheZH und nutzen die Möglichkeiten, die die digitale Planauflage für Sie bietet. Der digitale Schalterdienst wird insbesondere durch die Kontaktbeschränkungen infolge der Coronavirus-Pandemie sehr geschätzt. Dadurch kann ein Schalterdienst weiter ohne Gefahr für die BürgerInnen und die Mitarbeitenden aufrechterhalten werden. Auch hier wird die Flexibilität beiderseits für sehr wichtig erachtet. Die Gesuchstellenden können nun einen Besprechungstermin buchen und müssen nicht warten. Die Mitarbeitenden wiederum, können Ihren Tag besser organisieren. Natürlich sind die Prozessänderungen für alle Mitarbeitenden noch neu. Der Mensch ist und bleibt ein «Gewohnheitstier». Somit sind neue Herausforderungen auch immer eine Belastungsprobe. Aber ich bin stolz auf unsere Mitarbeitenden. Ich erlebe sie aufgeschlossen, wissbegierig und sie beteiligen sich aktiv am Veränderungsprozess. Sie gestalten ihre Zukunft selbst mit und das ist eine tolle Erfahrung.

 

Ich bin stolz auf unsere Mitarbeitenden. Ich erlebe sie aufgeschlossen, wissbegierig und sie beteiligen sich aktiv am Veränderungsprozess. Sie gestalten ihre Zukunft selbst mit und das ist eine tolle Erfahrung.

Wie gehen Sie damit um, dass Ihre Kundinnen und Kunden über sehr unterschiedliche IT-Kenntnisse verfügen? Was bieten sie jenen, die ihr Baugesuch nicht digital einreichen möchten oder können?

Es gibt viele Gesuchstellende, die bereits auf die Anbindung an eBaugesucheZH gewartet haben und mit den neuen Medien sehr vertraut sind. Über eine Kampagne haben wir versucht, vor allem auch die Zielgruppe der «Wechselbereiten» anzusprechen – also jene Personen, die den Veränderungen durch die Digitalisierung zwar noch etwas skeptisch gegenüberstehen, aber durchaus offen sind diese auszuprobieren. Prozessual betrachtet wäre es natürlich am besten, Baugesuche ausschliesslich digital zu bearbeiten. Aber selbstverständlich kann ein Baugesuch auch weiterhin analog eingegeben werden. 

Welche Chancen ergeben sich für das AfB denn sonst aus der Digitalisierung? Laufen noch andere IT-Projekte?

Wie eingangs erläutert bietet die Digitalisierung schier endlose Möglichkeiten. Es gibt visionäre Ideen wie bspw. die Bauabnahme und Baukontrolle mittels Drohnen durchzuführen, einen Chatbot als Unterstützungshilfe für die zunehmende Beratungstätigkeit zu nutzen oder Baugespanne mit 3D-Projektvisualisierungen per Abfrage eines QR-Codes zu akzeptieren.

Aber zurück zur Realität. Im Moment sind wir froh, den Grundstein mit der Anbindung an eBaugesucheZH gelegt zu haben. Für eine erfolgreiche digitale Transformation müssen natürlich noch diverse Projekte bearbeitet werden, damit der begonnene Kulturwandel nachhaltig gelebt werden kann.

Zunächst geht es darum, den Umgang mit den digitalen Daten für die Mitarbeitenden im Rahmen des Projekts digitale Arbeitsunterstützung zu erleichtern. Der Aussendienst muss seine Arbeiten besser direkt vor Ort erledigen können, das Sitzungsmanagement auf die Arbeit mit ausschliesslich digitalen Unterlagen und die departementsübergreifende Zusammenarbeit optimiert werden. Zudem bereiten wir uns mit dem Projekt «Baubewilligungsverfahren 4.0» auf einen volldigitalen Prozess vor. Die Digitalisierung wird uns also sicher noch ein paar Jahre begleiten.

Wie sieht es in der Beratung aus, einem Kerngeschäft der Kreisarchitektinnen und Kreisarchitekten – macht da mehr Digitales überhaupt Sinn?

Selbstverständlich. Natürlich kann die Digitalisierung eine individuelle, baurechtliche Beratung keinesfalls ersetzen. Der persönliche Kontakt spielt im AfB weiterhin eine wichtige Rolle. Ein gut funktionierendes digitales Wissensmanagement aber erleichtert die Beratungstätigkeit zum Beispiel enorm. Ebenso ein fachstellenübergreifendes Notizsystem, um Doppelspurigkeiten in der Beratung zu vermeiden.

Wie gesagt, die Digitalisierung ist letztlich ein Mittel zum Zweck – sie bietet insgesamt extrem viele Möglichkeiten ein Amt weiterzuentwickeln. Gerade in Zeiten starker Veränderungen ist es aber umso wichtiger, die Bedürfnisse und auch die Bedenken der Mitarbeitenden zu verstehen, darauf einzugehen und Sie in den kompletten Prozess miteinzubeziehen.

Interviewpartnerin

Nach ihrem Architekturstudium an der Bauhaus-Universität in Weimar arbeitete Anne von der Heyde zunächst in mittelständigen Architekturbüros in Tralee (Irland) und in Aarau. Seit 2007 ist sie in Zürich beheimatet und seit Januar 2010 für das Amt für Baubewilligungen (AfB) der Stadt Zürich tätig. Sie startete als Kreisarchitektin, leitet nun seit vier Jahren die Abteilung Baubewilligungen und ist zugleich Vizedirektorin des AfB.