Velolabor «Geschützte Velostreifen»

Geschütze Velostreifen werden zurzeit von vielen Seiten gefordert. Aber sind sie auch dazu geeignet, konkrete Konfliktpunkte zu entschärfen? Und was halten die Velofahrer*innen davon? Von Frühling bis Sommer 2022 führten wir an der Baslerstrasse zusammen mit der Verkehrsteiner AG ein Pilotprojekt mit geschützten Velostreifen durch.

Die Ausgangslage

Das Einkaufszentrum Letzipark generiert viel Autoverkehr auf der Baslerstrasse und der zukünftigen Velovorzugsroute «Altstetten – Kreis 4». Leider nehmen die Autofahrer*innen beim Befahren und Queren des knapp zwei Meter breiten, rot eingefärbten Velostreifens nicht immer Rücksicht. Eine ausführliche Videoanalyse im September 2021 zeigte, dass im Durchschnitt eine von fünf Begegnungen zwischen Auto und Velo konflikthaft verlief. Auch wenn bis dahin keine Unfälle verzeichnet wurden, war klar: Wir brauchen eine Lösung für mehr Sicherheit. 

Die Versuchsanordnung

Für die Velovorzugsroute soll vor dem Einkaufszentrum Letzipark ein Einbahnregime stadtauswärts eingeführt werden. Beim Pilotversuch ging es vor allem darum, die Konflikte mit den rechts abbiegenden Fahrzeugen zu entschärfen. Welche Massnahme dazu am besten geeignet ist, sollte in einem vierstufigen Verfahren überprüft werden. 

Ausgangslage: Velostreifen

Velostreifen auf der Baslerstrasse
Velostreifen auf der Baslerstrasse

Velostreifen mit unterbrochener Markierung dürfen von Autofahrer*innen benützt werden – solange dabei keine Velofahrer*innen behindert werden.

Auf der Baslerstrasse muss der Streifen teilweise unterbrochen werden, um die Zufahrt zu den Veloparkplätzen und zum Parkhaus zu ermöglichen.

Stufe 1: Schutzstreifen

Velostreifen auf der Baslerstrasse mit Schutzstreifen
Velostreifen auf der Baslerstrasse mit Schutzstreifen

Sogenannte Schutzstreifen mit durchgezogener Markierung dürfen von Autofahrer*innen nicht befahren werden. 

Stufe 2: Schutzstreifen plus «Schildkröten»

Velostreifen auf der Baslerstrasse mit Schutzstreifen plus «Schildkröten»
Velostreifen auf der Baslerstrasse mit Schutzstreifen plus «Schildkröten»

Die «Schildkröten» sollen einerseits die Wirkung des Schutzstreifens verstärken. Andererseits dürfen sie für Velofahrer*innen kein Sturzrisiko darstellen.

Stufe 3: Schutzstreifen plus Leitbaken

Velostreifen auf der Baslerstrasse mit Schutzstreifen plus Leitbaken
Velostreifen auf der Baslerstrasse mit Schutzstreifen plus Leitbaken

Die auffälligen Leitbaken verunmöglichen einerseits das Befahren des Schutzstreifens durch Motorfahrzeuge. Andererseits erschweren sie für Velofahrer*innen das Abbiegen. 

Die Resultate

Jede dieser Versuchsphasen wurde analog zur Ausgangslage per Videoanalyse neun Stunden beobachtet. Zusätzlich wurden pro Versuchsphase rund 100 Velofahrer*innen bezüglich ihres subjektiven Sicherheitsempfindens vor Ort befragt.

Resultate Videoanalyse

Für die Videoanalyse wurden jeweils neun Stunden vom Freitagabend und Samstag ausgewertet. Zu diesen Zeiten war das Verkehrsaufkommen am grössten. Die Mengen des Motorfahrzeugverkehrs waren während der Versuchsanordnungen 2022 etwa 25 Prozent höher als zum Zeitpunkt der Analyse im Herbst 2021. Auch waren in den Versuchsphasen etwas mehr Velos unterwegs. Trotz Mehrverkehr nahmen die Konflikte nicht zu. Zu vermuten ist, dass das höhere Verkehrsaufkommen generell zu mehr Begegnungssituationen von Verkehrsteilnehmer*innen und höherer Aufmerksamkeit sowie folglich zu langsameren Geschwindigkeiten und mehr Vorsicht führte.

Ein Einfluss des Schutzstreifens mit durchgezogener Markierung sowie der Schildkröten auf das Fahrverhalten der Autofahrer*innen war nicht erkennbar. Erst die Leitbaken führten zu einem bewussteren Rechtsabbiegen und verhinderten das schleifende Einfahren oder sogar das Anhalten auf dem Velostreifen.

Einen positiven Effekt hatten die Leitbaken auch hinsichtlich Konflikten zwischen Velofahrer*innen und rechts abbiegenden Fahrzeugen, wurden in dieser Versuchsphase doch am wenigsten konflikthafte Begegnungen registriert.

Resultate Befragungen

Generell war das Sicherheitsempfinden der befragten gut 400 Velofahrer*innen auf der Baslerstrasse hoch (4,58 von 6 möglichen Punkten). Während die objektiv feststellbaren Konflikte mit den Leitbaken deutlich reduziert werden konnten, war das subjektive Sicherheitsgefühl bei den Schildkröten am höchsten (5,18 Punkte). Das Resultat ist zwar signifikant, der Effekt auf die Sicherheit aber klein. Über die Gründe dafür kann nur spekuliert werden. Am plausibelsten erscheint die Erklärung, dass der Velostreifen mit knapp zwei Metern Breite zu schmal für Ausweichmanöver ist, falls ein solches nötig ist. Auch das Überholen langsamer Velofahrer*innen wird schwierig bis unmöglich.

Bezüglich anderer Kriterien wie Alter, Geschlecht, E-Bike-Nutzung liessen sich keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung feststellen.

Das Fazit

Markierungen alleine genügen nicht um die erwünschte Verhaltensänderung herbeizuführen. Leitbaken schützen am besten vor dem Autoverkehr. Schildkröten sind aber am beliebtesten beim Veloverkehr. Im Zweifelsfall sind Leitbaken aufgrund ihrer Schutzwirkung vorzuziehen. Damit sich die Velofahrer*innen jedoch in einem geschützten Velostreifen wohlfühlen, muss dieser mindestens zwei Meter breit sein.