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Von Fitnesstellern und Radios

Hörversion: Von Fitnesstellern und Radios

Aktuelle Trends der Freizeitverpflegung

Restaurant
Das Restaurant, in einer Aufnahme von 1974, brannte im selben Jahr nieder. Im folgenden Neubau wurde die Selbstbedienung eingeführt.

Im Strandbad Mythenquai gab es von Anfang an ein Restaurant. Das Angebot veränderte sich ständig, heute ist es vegetarisch – auf die Grills kann man aber legen, was man will.

«Gross war mein Erstaunen, als mich ein ebenfalls mit seiner Gattin anwesender Freund durch das Büffet nach der Damenabteilung hinüberschleppen durfte und wir uns mit unseren besseren Hälften bei einem Kaffee im Gartencafé gemütlich vereinigt Studien hingeben konnten», hielt ein Leserbriefschreiber am Juli 1922 in der NZZ fest. Es gab also von Anfang an die Möglichkeit, im Strandbad etwas zu konsumieren. 1930 wurde der «Verkauf von Backwaren in den Badanstalten» an den Zürcher Frauenverein verpachtet; es wurden auch Süssmost, Milch, Rohkost und Früchte abgegeben. «Der Betrieb wickelte sich reibungslos ab und brachte der Stadtkasse eine Einnahme von Fr. 2000», hielt der Stadtrat in seinem Jahresbericht fest.

1974 brannte das Restaurant und der Betrieb konnte nur provisorisch aufrechterhalten werden. Getränke- und andere Lieferanten stellten Kühlwagen und -truhen sowie einen Holzkohlengrill zur Verfügung. Mit dem grossen, bereits vor dem Brand geplanten Umbau, wurde 1975 ein auch für die Gäste grosser Schritt fällig: Selbstbedienung wurde eingeführt. Vierhundert Sitzplätze standen im Freien zur Verfügung, zum Teil von drei riesigen gelben Sonnenschirmen beschattet.

1990 konnte Stadtrat Wolfgang Nigg Erfreuliches vermelden: «Im Restaurantbetrieb werden die aktuellen Trends in der Freizeitverpflegung mit Fitness- und Salatangeboten aufgenommen.» Der damalige Restaurantpächter wusste allerdings auch: «Aber Schniposa (für Fr. 10.50) ist noch immer ein Hit.» Mit dem Neubau 2014 wechselte der Restaurantbetreiber und mit ihm auch das Angebot – es wurde vegetarisch, abgesehen von einem Wurststand. Grillieren kann man auch selbst im Mythenquai, stabile Grillstationen stehen zur Verfügung und für wenig Geld kann man passendes Holz erstehen.

Die Stadt Zürich schreibt übrigens ziemlich detailliert vor, was ein Badirestaurant leisten muss: Eine Grundauswahl von Speisen und Getränken mit tiefen Preisen (vergleichbar mit den Selbstbedienungsrestaurants von Migros und Coop) für Familien und Einkommensschwächere muss vorhanden sein (insbesondere Salate und Gemüse, Pommes Frites, Hot Dog, Chicken Nuggets oder Bratwurst/Cervelat, Zwischenverpflegungen, Züriwasser).

Nicht alles, was gefällt, ist auch erlaubt

alte Aussenwirtschaft
Essen und Trinken fast direkt am See, die grosse Aussenwirtschaft im Mythenquai. Das Datum der Aufnahme ist unbekannt.

Im Strandbad Mythenquai treffen verschiedene Bedürfnisse aufeinander. Diese Nutzungskonflikte gilt es allgemeinverträglich zu regeln.

Das Publikum stellt sehr unterschiedliche Anforderungen an ein Strandbad. Sportliche Betätigung, Sonnenbaden, Feiern – doch nicht alles, was gefällt, ist auch erlaubt. So war zum Beispiel das Ausführen von Handarbeiten im Jahr 1928 noch verboten.

«Um zu vermeiden, dass die Tausenden, die in den Strandbädern Erholung und Ausspannung suchen, auch hier noch von Radiolärm verfolgt werden, wurden die Fanatiker, die glauben, auch im Strandbad nicht ohne Radioapparat leben zu können, in früheren Jahren in eine Ecke des Areals verwiesen», ärgerte sich ein Leserbriefschreiber 1959 in der NZZ darüber, dass überall Radios liefen und nichts dagegen unternommen wurde. Des einen Freud ist des anderen Leid.

Die Stadt hat Ende der 1980er-Jahre eine Bäderumfrage vorgenommen mit dem Ziel, den zukünftigen Badbesuchenden und ihren Erwartungen vermehrt Rechnung zu tragen. «Im Gegensatz zu den Vorstellungen der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre, als der sportliche Aspekt dominierte, wird man zukünftig versuchen müssen, das Dienstleistungsangebot in einem vernünftigen Verhältnis den Bereichen Vergnügen, Erlebnis, Animation, Gesundheit, Fitness und Sport anzupassen», wurde an einer Pressekonferenz verlautet. Damals war Schwimmen die beliebteste Freizeitaktivität. Allerdings gefielen gleichzeitig zehn Prozent der Befragten die öffentlichen Bäder nicht – weil man dort ausser Schwimmen nichts tun könne.

Die Besucherinnen und Besucher identifizierten sich in hohem Masse mit ihren Badeanlagen. «Der Stammgast hat seinen Stammplatz, und den lässt er sich durch niemanden streitig machen», konstatierte etwa der Gesundheitsinspektor 1990. 

Bildnachweis

Oberes Foto: Baugeschichtliches Archiv. Bild: Gesundheitsinspektorat Zürich
Unteres Foto: Baugeschichtliches Archiv. Fotograf*in unbekannt
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