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Geschlechtertrennung und Bademode

Hörversion: Geschlechtertrennung und Bademode

Weg mit der trennenden Wand!

Sprungturm Strandbad Mythenquai
Von weiten und langen Badehosen keine Spur mehr: Das Strandbad Mythenquai mit Sprungturm in einer Aufnahme vor 1933.

Die Geschlechtertrennung im Strandbad Mythenquai war nur von kurzer Dauer. Die Diskussion darüber, was sittlich anstössig ist, dauert bis heute an.

Die schnelle Realisation des Strandbads Mythenquai wäre fast an der Geschlechtertrennung gescheitert. Eine Mehrheit im Rat verlangte ein gemischtes Bad, wie es Wildbadende inoffiziell am Zürichsee längst eingeführt hatten. Der Stadtrat hingegen fürchtete, dass deshalb das fakultative Referendum gegen das Bad ergriffen würde und sich der Bau verzögern könnte. Der Kompromiss lautete: Nach einem Jahr der Geschlechtertrennung soll aufgrund der Erfahrungen über das weitere Vorgehen entschieden werden. Allerdings hatte die Politik die Rechnung ohne das Volk gemacht: Die Badegäste sahen das gänzlich anders und überwanden die nur wenige Meter ins Wasser hinaus reichende hölzerne Trennwand mühelos. In der Frauenabteilung sollen sich doppelt so viele Männer als Frauen aufgehalten haben. Polizisten, abkommandiert zur Einhaltung der Trennung, gaben das Unterfangen auf, die Männer auf die andere Seite zu scheuchen. Bereits am 5. Juli beschloss deshalb der Stadtrat, die ominöse Bretterwand zu verschieben und nur noch einen kleinen Teil der Anlage ausschliesslich Frauen zugänglich zu machen, der Rest war gemischt. Interessanterweise wurden häufig «ästhetische Bedenken» gegen das gemeinsame Baden angeführt – oder vorgeschoben? – und nicht «sexuell-sittliche». Aber selbst die NZZ attestierte der Zürcher Bevölkerung ein genügend gefestigtes sittliches Niveau, um eine solche «Resistenzprobe» zu bestehen. Die Vorgänge im Strandbad waren auch ein gefundenes Fressen für den «Nebelspalter», der sich charmant darüber ausliess. «Auf einer Seite Männchen, auf der anderen Weibchen, dazwischen eine Wand, Kabinen und viel Strand, Strandkörbe und so weiter – na, Kinder, das wird heiter!»

Von weiten Badekostümen zum Monokini

Luftaufnahme Strandbad Mythenquai
Luftaufnahme des Strandbads Mythenquai von 1934, die Bäume von 1923 und 1925 haben an Volumen zugelegt. Die ominöse Bretterwand ist ganz rechts immer noch vorhanden.

Das sittliche Empfinden wurde durch die Bademode immer wieder auf die Probe gestellt. Wurde eine Grenze überschritten, musste das Badepersonal einschreiten.

Das Badereglement von 1922 sah vor, dass die weiblichen Gäste Badekostüme und die männlichen Badehosen oder -kostüme zu tragen hatten. Das wurde 1923 noch präzisiert: die Badehosen hatten «genügend weit und lang» zu sein. Und: «Das Tragen sogenannter Dreispitzbadehosen oder enganliegender Badehosen ist verboten» – und selbstverständlich auch das Baden und Betreten der Plätze ganz ohne Badekleider.

Die Badekleidung war ein grosses Thema. Aus einer Schrift des Strandbad-Vereins von 1925: «Die Mode macht es uns ausserordentlich leicht, durch ein wenig Schönheitsempfindung die knapp bis zum Knie reichende Casaque, die über dem eingehefteten oder selbständigen kurzen Höschen getragen wird, mannigfaltig und auch recht originell zu variieren.» Und auch wenn die «kurze, maskuline» Badehose aus ökonomischen und hygienischen Überlegungen in Betracht zu ziehen sei, sei im Luft- und Sonnenbad doch ein Trikotanzug bzw. ein Strandbad-Kostüm zu begrüssen – aus ästhetischen Gründen.

Die Entwicklung der Bademode sorgte immer wieder für Empörung. 1942 etwa wurde das Aufsichtspersonal der städtischen Badeanlagen durch das Inspektorat des Gesundheitsamtes angewiesen, «in diskreter Weise» die Besucherinnen und Besucher darauf aufmerksam zu machen, dass das Tragen von zweiteiligen Badekleidern nicht zulässig sei. Der Vorstand des Gesundheitsamtes allerdings berichtigte, dass «nach Kenntnisnahme der berechtigten Einwände der Badegäste und der Bekleidungsindustrie» das Tragen zweiteiliger Badekleider nach wie vor gestattet sei.

Die Mode ist Veränderungen unterworfen und bereits 1951 konnte die Schweizer Filmwochenschau in einem Bericht über die einheimische Bademode vermelden, dass man sich zum Baden offenbar wieder etwas mehr anziehe … Noch 1954 wurde im Stadtrat eine Erklärung verlesen, die sich gegen den gemischten Badebetrieb richtete, der mit «unleugbaren Gefahren» verbunden sei.

1976 erreichte eine neue Herausforderung die städtischen Badeanstalten: das Monokini. Während der Badmeister im Strandbad Tiefenbrunnen «oben ohne» nicht duldete, sah der Badmeister im Mythenquai darin keinen Verstoss gegen das sittliche Empfinden, wie es in der städtischen Badeverordnung festgehalten wurde, und liess die Frauen gewähren. Der damalige Gesundheitsinspektor bezweifelte, dass «oben ohne» die Frequenz in den Strandbädern ansteigen lasse. Ab 1978 war «oben ohne» erlaubt.

Heute können Frauen im Frauenbad beim Stadthausquai und im Seebad Enge ganz unter sich bleiben; im Utoquai, im Tiefenbrunnen und im Oberen Letten gibt es abgetrennte Bereiche. Den Männern ist das Männerbad Schanzengraben vorbehalten, im Tiefenbrunnen gibt es einen separaten Männerbereich. Nacktbaden ist auf den Sonnenterrassen der Männer- bzw. Frauenabteilungen im Tiefenbrunnen erlaubt, am Katzensee gibt es einen offiziellen FKK-Strand. Wenn in anderen Badeanstalten textilfrei gebadet wird, soll das Personal «in geeigneter Weise» einschreiten, empfahl noch 1989 das Gesundheitsinspektorat. Nacktbaden übrigens sorgte bei den jeweils zuständigen Behörden für die höchsten Aktenstösse.

Bildnachweis

Oberes Foto: Baugeschichtliches Archiv. Fotograf: Jean Gaberell
Unteres Foto: Baugeschichtliches Archiv. Fotograf: Swissair
Online Bildarchiv

Links

Schweizer Filmwochenschau, 25. Mai 1951, mit einem Bericht über die aktuelle Schweizer Bademode

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