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Herausforderungen

Womit der Stadtbaum kämpft

Bäume in der Stadt leben unter Bedingungen, die sich massgeblich von ihrem natürlichen Standort in der offenen Landschaft unterscheiden. Die Standortbedingungen in der Stadt beeinträchtigen nicht nur die Vitalität, sondern auch die Lebenserwartung. Stadtbäume stehen unter Dauerstress. 

Verletzungen

Verletzungen jeglicher Art in Wurzelbereich, Stamm und Krone bilden gefährliche Eintrittspforten für holzzerstörende Pilze und sonstige Schädlinge. Die wohl häufigsten Verletzungen im Stammbereich rühren von Anfahrtsschäden durch Fahrzeuge her. Auch ein zu starker Schnitt der Krone (Kappschnitt) birgt Gefahren. Durch jede offene Wunde können Pilze in den Baum gelangen. Am stärksten leiden die Bäume bei Eingriffen im Wurzelraum. Grosse Schäden verursachen etwa Grabungen für Arbeiten an unterirdischen Bauten, wenn sie nicht mit der nötigen Rücksicht auf die Baumwurzeln durchgeführt werden. Die verheerenden Folgen gekappter oder geschädigter Wurzeln zeigen sich am Baum oft erst viele Jahre später und der Baum geht schliesslich daran zugrunde. 

Verdichtung, Versiegelung des Bodens

Bäume leiden, wenn das Erdreich durch Betreten und Befahren derart verdichtet wird, dass nicht mehr genügend Wasser und Luft bis zu den Wurzeln gelangt. Auch die Versiegelung des Bodenraums durch Asphalt oder Beton plagt die Bäume: Das Wasser kann dadurch nicht im Boden versickern und gelangt deshalb nicht bis zu den Wurzeln. Vielfach schränken zudem unterirdische Versorgungsleitungen und Bauten den Wurzelraum ein. Damit ein Baum heranwachsen kann, braucht er nicht nur oberirdisch, sondern auch im Wurzelraum viel Platz. 

Streusalz

Eine häufige Ursache für Schäden an Stadtbäumen ist das im Winter eingesetzte Streusalz. Es schädigt die Bäume durch den direkten Kontakt auf die Oberfläche und das Rindengewebe. Einmal in den Boden eingedrungen, erschwert es auch die Wasser und Nährstoffaufnahme über die Wurzeln und verschlämmt den Boden. Die unausweichliche Aufnahme von Chlorid führt zu Verfärbungen der Blätter, sogenannten Blattrandnekrosen und verzögert das Wachstum. Im Extremfall sterben die Bäume ab.

Wärmeres Stadtklima und die Folgen

Der Klimawandel und extreme Wettersituationen verschärfen die Situation der Stadtbäume durch Hitze, Trockenheit, Starkregen, Sturm und Nassschnee. Und der Klimawandel schreitet weiter voran. In einem moderaten Szenario wird davon ausgegangen, dass ein Temperaturanstieg bis 2060 von + 0.5 bis 3.5 C° im Schweizer Mittelland wahrscheinlich ist (Meteo Schweiz 2018). Niederschläge im Sommer werden zusätzlich abnehmen. Es ist anzunehmen, dass die regionalen Prognosen auch auf Zürich zutreffen, sich in innerstädtischen Stadtquartieren erheblich verstärken. Dort könnten 2060 über 40 Hitzetage ( > 30°C) verzeichnet werden (Klimaszenario Kanton Zürich). Im Projekt «Urban Green & Climate» der Fachhochschule Bern wird für 2060 im Schweizer Mittelland gar ein Klima prognostiziert, das der heutigen kontinentalen Balkanregion entsprechen würde. Mögliche Folgen für die Stadtbäume können sein:

  • Einheimische Baumarten werden zurückgehen, dadurch haben besser angepasste Baumarten aus südosteuropäischen Regionen einen Konkurrenzvorteil.
  • Unter Hitze- und Trockenstress nimmt die Baumvitalität ab, entsprechend auch die Baumwiderstandsfähigkeit. Die Bäume werden anfälliger gegenüber Schaderregern oder Windlasten. Pflege und Kontrollintensität können zunehmen. 
  • Die Lebenserwartung (vor allem der nicht standortgerechten Bäume) nimmt ab.
  • Ökosystemleistungen wie Schattenwirkung und Transpiration (Kühlungsleistung) gehen zurück. 

Borkenkäferbefall bei Fichten

Im heissen und trockenen Sommer 2022 werden erstmals Fichten (Rottannen) im Siedlungsgebiet vom Borkenkäfer befallen. Der Borkenkäfer profitiert vom wärmeren Klima und befällt die durch Trockenheit geschwächten Nadelbäume, mehrheitlich Fichten. Der Frass der Käfer ist dermassen intensiv, dass die Bäume früher oder später absterben. Um eine noch grössere Vermehrung des Borkenkäfers zu verhindern, müssen die betroffenen Bäume gefällt werden. Die übrigen Fichten werden beobachtet. Bis jetzt kamen solche Meldungen vor allem aus den Friedhöfen, weil es dort grosse Baumbestände gibt, die eng aneinander stehen. Gesunde Fichten haben in der Regel ein gut ausgebildetes Abwehrsystem – analog dem Immunsystem des Menschen – und können Borkenkäfer durch Harzfluss abwehren.

Bauliche Verdichtung

Die prognostizierte Bevölkerungszunahme von 100 000 Einwohnenden bis 2040 in der Stadt Zürich führt zu einer weiteren Verdichtung. Für die Bäume bedeutet dies, dass sie mit ihren oberirdischen Raumansprüchen und Platzbedarf im Wurzelraum in direkter Konkurrenz zu Bauvorhaben stehen. Hinzu kommt die Erweiterung der benötigten Infrastruktur wie Werkleitungen oder Velorouten einer wachsenden Stadt. Es ist auch anzunehmen, dass die Stressfaktoren für die Bäume zunehmen und deshalb ihre Lebenserwartung abnimmt. Dies hätte zur Folge, dass die Stadtbäume häufiger ersetzt werden, oder ihre Standortbedingungen verbessert werden müssten. 

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