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Juergen Staack

ANDINGMEN, 2013/2015

ANDINGMEN, 2013/2015

Eine tönende Asphaltfläche, abstrakt wie Malewitschs Schwarzes Quadrat, spürt den akustischen Spuren einer alten Tradition des Strassenhandels nach, die aus Asien in ein schweizerisches Stadtbild transferiert sind. Bis in die 1990er Jahre prägten die alten -Viertel mit traditionellen Wohnbebauungen und engen Gassen (Hutongs) das Stadtbild Pekings, das inzwischen einen grundlegenden Wandel erfahren hat. Die Tondokumente folgen den noch verbliebenen Händlern, die rufend und singend Waren anbieten bzw. anfragen, was sie von den Bewohnern erwerben können. Man kann auf drei Wegsystemen über verborgenen Lautsprechern den räumlichen Bewegungen dieser «Geisterhändler» folgen, doch ihrer aus Raum und Zeit enthobenen Bedeutung nicht mehr gewahr werden. Sie nutzen einen dialektalen Sprachcode, der inzwischen nur noch von wenigen Einheimischen verstanden werden kann.

Mentale Bilder zu finden oder zu hinterlassen, sie zu distribuieren und zu verstecken, sie erscheinen oder sich auflösen zu lassen, das sind zentrale künstlerische Strategien im höchst vielschichtigen Schaffen von Juergen Staack (*1978, DE). Dabei stand zunächst nicht nur die Übersetzbarkeit von Fotografie in Sprache, sondern auch die materielle Fragilität des analogen und die Flüchtigkeit des digitalen fotografischen Bildes im Vordergrund. Was ist ein Bild? Was ist noch kein Bild? Welche Codes sind nötig, um es zu lesen? Welche gehen verloren?

Im Zeitalter einer alles beherrschenden globalen Bildkultur stellt Juergen Staack die Frage nach den bilderzeugenden Grundlagen und Elementen gänzlich neu. Seine künstlerische Bildkritik findet dabei in Zeichnungen, Soundinstallationen, «sprechenden Bildern» und poetischen Performances statt, in denen das Modell von Sender – Nachricht – Empfänger durch den Einsatz unlesbarer Codes empfindlich gestört wird. Sie führen nicht nur die gravierenden Fehlstellen zwischen Wahrnehmung und Kommunikation vor, sondern auch die Grenzen bildhafter Repräsentation. So geht Staack auf seinen zahlreichen Reisen durch Asien, -Europa oder Sibirien ungewöhnlichen Phänomenen nach: dem sibirischen «Eisflüstern» etwa (Oymiakon, 2013), dem weltweiten Aussterben lokaler Sprachtraditionen (Transcription – Image, 2008) und den mit ihnen verknüpften kulturellen Gepflogenheiten und ökonomischen Überlebensstrategien – wie der Auktionssprache japanischer Thunfischhändler (Tsukiji, 2010) oder den illegal an Mauern angebrachten Telefonnummern von chinesischen Tagelöhnern (Wei, 2012).

Auch in der Zürcher Installation klingt das konzeptuelle Leitmedium des Künstlers nach: die «expanded photography», die hier neu interpretiert wird. Die weltweit erste erhaltene Fotografie, 1826 aufgenommen von Joseph Nicéphore Nièpce aus dessen Atelierfenster, wurde mittels einer asphaltbeschichteten Zinnplatte fixiert. Der schwarze Asphaltboden der Installation schafft einen gerahmten Raum für ein akustisches Palimpsest, dessen imaginierte Bilder von den Passanten immer wieder neu überschrieben werden können. Sabine Maria Schmidt

Courtesy the artist und Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf/Berlin

Dank an: F+F Schule für Kunst und Design, Zürich

A sound-emitting asphalt surface, abstract like Malevich’s Black Square, traces the acoustic vestiges of an old tradition of street trading, which are transferred from Asia to a Swiss cityscape. Until the 1990s, Beijing’s cityscape was characterised by its old quarters with traditional residential housing and narrow alleys (hutongs). It has since undergone fundamental change. The audio documents follow the remaining traders who, shouting and singing, offer goods or enquire as to what they can purchase from residents. The spatial movements of these “ghost traders” can be followed along three path systems via hidden loudspeakers, but their meaning, detached from space and time, can no longer be perceived. They use a dialectical linguistic code that only a few locals still understand today.

In the highly multifaceted work of Juergen Staack (b. 1978, Germany), the key artistic strategies involve finding or leaving behind mental images, distributing them, hiding them and causing them to appear or to dissolve. This began with a focus not only on photography’s translatability into language, but also on the material fragility of the analogue (and the fleetingness of the digital) photographic image. What is an image? What is not yet an image? Which codes are necessary, in order to read it? Which ones get lost?
 
In the age of an all-dominant global image culture, Staack raises the issue of the principles and elements of image generation ina completely new way, whereby his artistic critique of the image takes place in drawings, sound installations, “speaking images” and poetic performances, in which the “sender – message – recipient” model is severely disrupted by the use of illegible codes. These not only demonstrate the serious gaps between perception and communication, but also the limits of pictorial representation. On his numerous journeys Staack pursues unusual phenomena, such as Siberian “ice whispering” (Oymiakon, 2013) and the extinction of local linguistic traditions worldwide(Transcription – Image, 2008), as well as the associated cultural conventions and economic survival strategies – like the auction language of Japanese tuna traders (Tsukiji, 2010).

The artist’s primary conceptual medium, “expanded photography”, also resonates in the Zurich installation and is reinterpreted here. The world’s earliest surviving photograph, taken in 1826 by Joseph Nicéphore Nièpce, looking out from his studio window, has been fixed in place by means of an asphalt-coated tin sheet. The black asphalt ground of the installation provides a framed space for an acoustic palimpsest, with imagined im-ages that can be repeatedly written over by the passers-by. Sabine Maria Schmidt

Courtesy of the artist and Konrad Fischer Gallery, Düsseldorf/Berlin
Thanks to the F+F School, Zurich

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