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Luc Mattenberger

Pickup, 2015

Pickup, 2015

Die Skulpturen von Luc Mattenberger (*1980, CH) fügen bekannte Mechanismen zu neuen Objekten zusammen: Ein Motorrad verbindet sich mit einem Flugzeugtank und nimmt so das Aussehen einer vom Wasser aus einsetzbaren Waffe an; die wirbelnden Blätter eines Hubschrauberrotors auf einem Unterbau aus Beton durchschneiden die Luft und erschweren den Zugang zu einem Ausstellungsraum; ein wie ein Kronleuchter aufgehängter Generator versorgt eine einzige Glühbirne. Diese Arbeiten geben sich oft autonom, sprechen aber Bände über die Energie und das Design, die die Mechanisierung vorangetrieben haben. Mattenberger ist schlicht der letzte Fortschreiber eines über Generationen hin entwickelten funktionalen Lexikons und einer funktionalen Ästhetik. Seine Verbindungen aus Stahl, Aluminium, strapazierfähigen Textilien und Gummi drücken Zweckmässigkeit, Präzision und Effektivität aus, könnten aber auch sadomasochistische Werkzeuge sein. Mechanische Kraft und menschliche Begierden treffen auf menschliche Schwäche.

Mattenbergers Pickup (2015) steht an der Ecke der Pfingstweidstrasse, einer breiten, neu angelegten Strasse, die die Nord-West-Erweiterung von Zürich kennzeichnet. Ein weisser Kleintransporter ist da geparkt, gestrandet; seine Hinterachse ist durch eine Gerüststruktur leicht angehoben, ein Hinterrad an einen Dynamo angeschlossen. Dieser ist seinerseits mit einer grossen Strassenlaterne verbunden, die auf der Ladefläche steht. Kleintransporter oder Pickups sind Fahrzeuge für Länder, in denen eine andere Vorstellung von Raum herrscht; in Nordamerika und Australien nehmen sie immer grössere Dimensionen an. Sie verkörperten früher Unabhängigkeit, Freiheit und die männliche Beherrschung wilder Grenzgebiete (es geht hier um patriarchalische Mythen). Dieser hier ist harpuniert, gehemmt durch seine schwere Ladung und überdies eingezäunt. Jede Nacht betritt ein Wächter oder Sicherheitsmann das Grundstück und startet den Motor, wodurch Strom erzeugt wird für einen Lichtkegel, der während der zweistündigen Performance auf den isolierten Laster fällt.

Der Standort der Arbeit ist ein Flickwerk aus Beton und Asphalt, symptomatisch für die jüngsten Nutzungsumwidmungen und Sanierungen von Zürich-West. Das Gebiet ist dominiert vom Toni-Areal, als Toni-Molkerei einst ein riesiger Milchverarbeitungsbetrieb aus den 1970er Jahren und ein Sinnbild für die Industrialisierung der Landwirtschaft. Auf dem Areal sind heute die Zürcher Hochschule der Künste sowie die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften untergebracht, daneben Hotels, Wohnhäuser und ein Supermarkt-Vertriebszentrum. Eine neue Transportinfrastruktur verbindet die Hauptgebäude; der die Gebäude organisch zusammenfügende Mörtel jedoch – Pflanzenwelt, menschliche Aktivität und Gebrauchspatina – hat sich noch nicht entwickelt.

Aus dem vorbeifahrenden neuen 4er-Tram gesehen, ist nicht klar, ob Pickup ein Wegbereiter ist oder ein Dinosaurier. Die Inszenierung des allnächtlichen Rituals geschieht durch eine Person, die Autorität verkörpert, wenn auch von geringem Prestige. Ebenso besteht eine Aufspaltung zwischen der Stärke des Fahrzeugs und seiner Lahmlegung und Verlassenheit. Es wirft ein melancholisches, an Edward Hopper erinnerndes Licht auf sich selbst, in der Hauptrolle seines eigenen, absurden Dramas, in dem die wieder und wieder mobilisierten Schubkräfte nirgendwo hinführen. Die Metamorphose von Zürich-West hat unzählige Geschichten hervorgebracht – meist über Anpassung, neues Leben und Vorwärtskommen –, die den neuen Gegenüberstellungen (ob konzipiert oder unbeabsichtigt), den wechselnden Kulturen, Technologien, Industrien und Gebäuden einen Sinn abzutrotzen versuchen. Mattenbergers Einführung einer weiteren Figur in dieses Drama rückt diese Geschichten in den Fokus und regt zu alternativen Erzählungen an. Aoife Rosenmeyer

Courtesy the artist und Rotwand Galerie, Zürich

Mit Unterstützung der Stadt Genf
Dank an: Peter Läubli, Alfred Läuchli und Heinz Vögeli (VBZ), Reto Schrepfer (EWZ)

English Version

Luc Mattenberger’s (*1980, CH) sculptures collage familiar mechanisms to create new objects: a motorbike meets an aircraft fuel tank to take on the appearance of a water-borne weapon; swirling helicopter blades on a concrete base cut through the air, restricting access to an exhibition space; a generator is suspended like a chandelier, illuminating a single light bulb. These works often have the guise of autonomy, but speak volumes about the energy and design that has driven mechanisation. Mattenberger is just the last figure to advance a functional lexicon and aesthetic developed over generations. His conjunctions of steel, aluminium, heavy-duty fabrics and rubber express practicality, precision and effectiveness, but might also be tools for sadomasochism. Mechanical power and human desires encounter human frailty.

Mattenberger’s Pickup (2015) is positioned on a corner of Pfingstweidstrasse, a broad, newly laid road that signals Zurich’s expansion north and west. A white pickup truck is parked, beached because its rear axle is raised marginally off the ground by a scaffolding structure, one rear wheel connected to a dynamo. This, in turn, is linked to a tall streetlamp planted on the truck bed. Pickups, or utes, are vehicles made for countries where there is a different conception of space; in North America and Australia they take on ever greater proportions. They used to embody independence, freedom and man’s mastery (and these have been patriarchal myths) of wild, frontier territories. This one is harpooned and hobbled by its heavy cargo, not to mention penned by the surrounding fence. Every night, a watchman or security guard enters the lot and starts the motor, providing power for a cone of light that falls on the isolated truck for a two-hour performance.

The work’s site is a patchwork of concrete and tarmac, symptomatic of the recent re-zoning and redevelopment of Zurich West. The area is dominated by the Toni-Areal, once the Toni-Molkerei, a vast dairy processing plant from the 1970s that epitomised the industrialisation of farming; it now houses the Zurich University of the Arts and the Zurich University of Applied Sciences alongside hotels, residential buildings and a supermarket distribution centre. New transport infrastructure connects the major buildings, but the organic mortar to join them – plant life, human activity and the patina of use – has not yet developed.

Seen from the new Number 4 tram passing by, it is not clear whether Pickup is a trailblazer or a dinosaur. Each night’s ritual enactment is carried out by a figure personifying authority, yet one with little prestige. So too there is a disjunction between the vehicle’s brawn and its laming and abandonment. It throws a melancholy, Edward Hopper-esque light upon itself, starring in its own absurd drama in which power loops to no end. The metamorphosis of Zurich West has spawned countless narratives, mostly about adaptation, new life and progress that try to make sense of the new juxtapositions, designed and accidental, and of changing cultures, technologies, industries and buildings. Mattenberger’s insertion of another figure in this drama brings them into focus, and suggests that alternative stories should be told, using new templates. Aoife Rosenmeyer 

Courtesy of the artist and gallery Rotwand, Zurich

Kindly supported by the City of Geneva
Thanks to Peter Läubli, Alfred Läuchli and Heinz Vögeli (VBZ), Reto Schrepfer (EWZ)

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