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Projekt «Durch»

Neue Stadtansichten, barock gerahmt

Neben dem Gleisfeld hinter dem Hauptbahnhof kündigt sich neues Leben an: Durch die intensive Bautätigkeit und durch das erste Kunstwerk, das den Bau der Europaallee begleitet und ganz neue Einsichten erlaubt: Michael Günzburgers Installation «Durch».

 Günzburgers Bilderrahmen lenkt den Blick. (Alle Fotos: Gerry Amstutz)
Günzburgers Bilderrahmen lenkt den Blick. (Alle Fotos: Gerry Amstutz)

Europaallee heisst das neue Quartier, das bis 2020 zwischen Sihlpost und Langstrasse entsteht. 6'000 bis 8'000 Menschen werden künftig dort leben, studieren, arbeiten – in einer hoch verdichteten Kleinstadt. Während der gesamten Bauzeit läuft in der Europaallee ein Kunstprojekt, das diese dynamische Veränderung begleitet, reflektiert, kommentiert: «SPACE», kuratiert von Evtixia Bibassis und Patrick Huber, setzt sich mit Raumerfahrung und  Stadtentwicklung auseinander. Das Projekt ist in zwei zeitliche Phasen gegliedert: «Under Construction» operiert mit kurzzeitigen Projekten während der Bauzeit; «Constructed» implantiert erst dann dauerhafte Licht- und Sound-Installationen, wenn das Quartier fertig gebaut ist.

Seit Anfang Juni präsentiert sich das erste Projekt von «Under Construction» dem Auge der Öffentlichkeit: eine Installation des Zürcher Künstlers Michael Günzburger mit dem Titel «Durch». Sie ist am Ende der Kanonengasse, direkt auf der Grenze zwischen dem bestehenden, zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebauten Quartier Aussersihl und der im Entstehen begriffenen Europaallee platziert. Nur schon durch die Lage ist «Durch» gleichermassen eine Metapher für die Dynamik des Geschehens und für den Kunstbegriff, mit dem die beiden Kuratoren ihr mehrjähriges Projekt umsetzen wollen.

Goldrahmen vor Gebäude gehängt
Plötzlich freie Sicht.

Lebendige Bilder

«Durch» besteht aus einem überdimensionalen, aus goldenen Seilen stilisierten, monumentalen Barock-Bilderrahmen, der eine Fläche von 20 Quadratmeter umschliesst. Dieser Bilderrahmen wurde von Günzburger vor die dunkelblaue Fassade eines SBB-Dienstgebäudes gestellt. Weil mit zunehmendem Baufortschritt auf dem Gelände das Dienstgebäude abgerissen wurde, spielte sich über diese Tage und Wochen ein täglich neues Schauspiel ab, das durch die goldene Umrandung gerahmt wurde – Tableaux vivants im eigentlichen Sinne.

Als Ende Juni das Gebäude schliesslich komplett entfernt war, verlängerte sich mit einem Mal die Sichtachse. Die Passanten konnten durch den Rahmen hindurch eine Weitung der Perspektive erleben, die einen direkten Blick vom Helvetiaplatz bis an die auf der anderen Seite der Gleise liegenden Gebäude an der Zollstrasse zuliess. Die Stadt wurde dank «Durch» neu erfahrbar.

Stadtleben unter musealem Blickwinkel

«Mit 'Durch'», schreibt Kuratorin Evtixia Bibassis, «hebt Günzburger das Quartier, seine Arbeiterinnen und Arbeiter, seine dunklen Ecken, seine Orte der glücklosen Leidenschaften und lustvollen Stunden und schliesslich seine unwirtlichen Orte des Autoverkehrs auf eine quasi museale Ebene.»

Wenn «Durch» nach einigen Monaten abgebaut wird, hat dieser goldene Rahmen den Fokus der Wahrnehmung für einige Monate auf die städtebauliche Dynamik gerichtet – allerdings nicht eindimensional auf die rein bauliche Veränderung des Quartiers, sondern auch auf damit verbundene kulturelle Prozesse.

Text: Christoph Doswald

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